Der auf drei Verhandlungstage angesetzte Prozess um die Brandstiftungen Ende Mai könnte schneller zu Ende gehen als erwartet: Über seine Verteidigerin Nicole Pfuhl ließ der angeklagte 26-Jährige zu Prozessbeginn ein Geständnis verlesen. Zu seinen Motiven schwieg er sich allerdings aus. Seine Straftaten – der Mann ist mehrfach vorbestraft – begehe er eher aus allgemeinem „Frust“ über sein verkorkstes Leben, antwortete er vage auf die Frage des Vorsitzenden Richters Arno Hornstein.
In der Brandnacht sei er auf einem Geburtstagsfest von „flüchtigen Bekannten“ an einer Grillstelle am Gehrenberg gewesen und habe dort viel Alkohol getrunken. Weshalb er sich dann gegen 1 Uhr auf den Weg quer über die Wiesen zu den Brandorten gemacht habe, könne er nicht sagen. Der Mann hatte anschließend zuerst den Bauwagen des städtischen Waldkindergartens am Waldrand und dann die dreistöckige Scheune mit angeschlossenem Pferdestall im Lilienweg in Brand gesetzt. Zwei Pferde waren dabei in den Flammen umgekommen. Zuletzt hatte er noch in einer weiteren Scheune in Möggenweiler Feuer gelegt, das jedoch von einer Anwohnerin kurz nach Ausbruch entdeckt worden war. Der Gesamtschaden wurde auf knapp 500 000 Euro beziffert.

Alkohol, Drogen, Straftaten prägten seine Jugend
Im Fokus der Befragung standen hingegen zunächst seine Lebensumstände. Beide Eltern Alkoholiker, als Neugeborenes deswegen bereits schon auf Entzug und fortan in München im Heim aufgewachsen, lauteten die Stationen einer schwierigen Kindheit. Auch als Jugendlicher und junger Erwachsener fand er keinen Halt. An seine Mutter, die gestorben war, als er zehn Jahre alt war, habe er keine Erinnerung mehr, sagte er.
Später pendelte er dann zwischen München und Wilhelmsdorf im Landkreis Ravensburg, wohin sein Vater gezogen war, hin und her, wohnte mal bei seinem Vater, mal bei seiner Schwester, mal bei Bekannten, aber zwischenzeitlich auch in einem Obdachlosenheim. Alkohol und Drogen spielten seit seiner Jugend die Hauptrolle in seinem Leben. Eine Maurerlehre konnte er dennoch abschließen. Bis Ende 2019 saß er eine eineinhalbjährige Haftstrafe in Bayern ab, bevor es ihn Anfang 2021 dann nach Markdorf verschlug.

Betroffene kämpfen heute noch mit dem Trauma der Brandnacht
Als dann die Hauptzeugen, Angehörige der von den Bränden betroffenen Familien, schildern, wie sehr sie die Geschehnisse der Nacht auf den 22. Mai auch heute noch aufwühlen, blickt der Angeklagte teilnahmslos nach unten. Mehrfach fragt Richter Hornstein die Zeugen, was die Brände mit ihnen „gemacht“ hätten. Der hauptbetroffene Nebenerwerbslandwirt vom Lilienweg steht vor dem finanziellen Ruin. In den Wochen nach dem Brand musste er weitere persönliche Schicksalsschläge verkraften. Wie es weiter gehe, wisse er nicht. Die Spenden, die er und seine Familie bekommen hatten, musste er größtenteils für das Abräumen der Brandruine aufwenden.
Seine Tochter berichtet, dass eine Familienangehörige, die ebenfalls in dem Mehrfamilienhaus gegenüber der Scheune wohnt, die Flammen zuerst bemerkt und die anderen Hausbewohner geweckt habe. Sie sei dann noch im Schlafanzug zum Pferdestall gerannt, doch es sei schon zu spät gewesen: Die Flammen loderten bereits meterhoch, die Pferde waren nicht mehr zu retten. Beim Versuch, den brennenden Stall zu öffnen, hatte sie sich am Arm und an der Schulter verbrannt. Immer wieder stocken ihr und ihrem Vater die Worte, wenn sie zu den Einzelheiten in der Brandnacht befragt werden.

Auch ihre Eltern würden heute noch schlecht schlafen, ihr Vater nachts mehrfach aufstehen, berichtet die Tochter der Familie, die die Scheune am dritten Brandort, in Möggenweiler, besitzt. Um 2.48 Uhr habe der Piepser ihres Freundes angeschlagen, berichtet sie. Er ist Feuerwehrmann und sie fährt ihn zum Feuerwehrhaus, wo er mit den anderen Kameraden in den Lilienweg ausrückt.
Nach ihrer Rückkehr habe sie nochmals zur Scheune geschaut und dort den Brand bemerkt, berichtet sie. Ein Polizist, der in der Nähe war, habe ihr und ihrer Familie geholfen, den Brand einzudämmen, bis die Feuerwehr auch bei ihnen anrückte. Zufall und ein riesiges Glück. „Ich habe mir seither oft auszumalen versucht, was passiert wäre, wenn wir den Brand nicht bemerkt hätten, unser Wohnhaus steht ja direkt daneben“, sagt sie.
Zeugenfotos und Überwachungskamera bringen Kripo auf die Spur
Zufall und Glück hatten dann auch eine große Rolle dabei gespielt, dass der Angeklagte bereits am Tag darauf in den Fokus der Ermittler rückte: Auf seinem Weg von Tatort zu Tatort wurde er von mehreren Personen fotografiert, einem Anwohner, dem der Mann verdächtig vorkam, einem Feuerwehrmann. Als Beamte der Kripo die Fotos der Zeugen sichteten und sie mit Fotos einer Vernehmung nach einem Brand einer Gartenhütte in Bahnhofsnähe vom Anfang des Jahres verglichen, war schnell klar: Es handelt sich um dieselbe Person. So habe der Angeklagte bereits am Abend nach den Bränden an seinem Wohnort festgenommen werden können, berichtete der als Zeuge geladene Kripobeamte.

Als dann noch die Auswertung seiner Handydaten Ortungen ergab, die den Weg von der Grillhütte zu den Brandorten nachzeichneten, verdichteten sich die Indizien weiter. Dass der Angeklagte zuletzt noch kurz vor seiner Wohnung von einer Überwachungskamera eines Firmengeländes erfasst worden war und auch darüber identifiziert werden konnte, war die Beweislast erdrückend.
Am zweiten Verhandlungstag wird der Sachverständige sein medizinisches Gutachten vortragen, in dem es um Fragen nach der Alkoholabhängigkeit des Angeklagten und eine etwaige verminderte Schuldfähigkeit gehen wird. Ob es angesichts des Geständnisses bei den drei angesetzten Verhandlungstagen bleiben wird, war am Ende des ersten Tages noch offen.