Es ist der Abend des 5. Dezember 2023. Im Pizza-Service Bodensee am Stadtgraben in Markdorf sind zwei Mitarbeiter im Dienst, zwei weitere Männer befinden sich im Laden. Tobias K., damals 22 Jahre alt, betritt den Laden maskiert und mit einer Schreckschusspistole in der Hand. Die Männer im Laden halten die Pistole für eine echte Waffe.
Heute, etwas mehr als sieben Monate später, steht Tobias K. vor Gericht. Hier kommen Details des Abends ans Licht.
Zurück an den Abend im Dezember: K. fordert die Männer auf, ihm Geld zu geben. Die Männer folgen der Aufforderung. Auch einen Schuss in Richtung Decke gibt der 22-Jährige mit der Schreckschusspistole ab, wird vor Gericht geschildert. Dann überwältigen ihn die vier Männer. Sie halten ihn fest, bis die Polizei eintrifft. So heißt es in der Anklage, die Oberstaatsanwalt Ulrich Gerlach zum Prozessauftakt am Montag vor dem Landgericht Konstanz verliest. Der Vorwurf: besonders schwere räuberische Erpressung.
Angeklagter hatte 30.000 Euro Schulden
Der Beschuldigte räumt die Tat am ersten von zwei Verhandlungstagen durch eine Erklärung seiner Anwältin Mona Hammerschmidt direkt ein. Der heute 23-Jährige wollte sich demnach mit der Beute seinen Cannabis-Konsum finanzieren und Schulden begleichen: „Er war sehr verzweifelt und hat keinen anderen Ausweg mehr gesehen“, sagt Hammerschmidt. Dass es nicht seine Intention gewesen sei, andere zu verletzen, zeige die Schreckschusspistole.
Der Beschuldigte führt selbst weiter aus. Er spricht von einer Drogensucht als Triebfeder – vor allem nach Cannabis. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt kein Geld und fühlte mich in Bedrängnis“, sagt Tobias K. „„Ich wusste irgendwo, dass das nichts wird, aber ich habe eben keinen anderen Ausweg mehr gesehen.“ Seine größte Sorge sei es gewesen, nicht mehr an Drogen zu kommen, sie nicht mehr finanzieren zu können. Aber auch die Angst vor den Folgen, wenn er seine Schulden nicht hätte begleichen können, habe eine Rolle gespielt.
Auf die Idee für die Tat habe ihn die Person gebracht, bei der er die Schulden hatte, behauptet Tobias K. Die Schreckschusspistole habe er sich dann von daheim mitgenommen. Wie hoch genau seine Schulden sind, darauf will er zunächst nicht eingehen. Oberstaatsanwalt Gerlach verweist jedoch auf eine Polizeiaussage des Angeklagten, nach der er insgesamt 30.000 Euro Schulden haben soll, von denen 2000 Euro kurz nach der Tat hätten beglichen werden müssen.
Drogensucht spielt eine große Rolle
Der Faktor der Drogensucht, von der der Angeklagte selbst immer wieder spricht, nimmt eine große Rolle am ersten Prozesstag ein. Tobias K sagt, er habe im Alter von 14 Jahren das Rauchen von Cannabis angefangen, „mit ungefähr 15 habe ich dann fast täglich geraucht“. Wenige Jahre später habe er zudem eine „schlimme Kokain-Phase“ erlebt. Auch andere Substanzen wie zum Beispiel LSD und MDMA habe er konsumiert. Hermann Assfalg, psychiatrischer Sachverständiger des Gerichts, spricht von einer Suchterkrankung, insbesondere in Bezug auf Cannabis, die durch den frühen und regelmäßigen Konsum in der Kindheit bedingt sein könnte.
Wie Richter Arno Hornstein aus dem Bericht der Gerichtshilfe zitiert, seien die Zustände bei Tobias K. in der Kindheit und Jugend daheim „sehr schwierig“ gewesen. Der Vater sei alkoholabhängig gewesen, die Mutter sehr autoritär. Laut dem Angeklagten sei es in seinem Elternhaus regelmäßig zu Auseinandersetzungen gekommen: „Ich war das älteste Kind und habe immer das Meiste abbekommen.“
Täter und Opfer reichen sich die Hand
Die Opfer, von denen am 15. Juli drei im Zeugenstand waren, fragt Rechtsanwältin Mona Hammerschmidt, ob ihr Mandant sich persönlich bei ihnen entschuldigen und ihnen die Hand reichen dürfe. Alle drei nehmen die Entschuldigung und das Angebot zum Handschlag auch an. „Natürlich würde ich ihm die Hand geben. Er hat einen Fehler gemacht“, antwortet einer der Zeugen auf die Frage.

Strafmaß bleibt noch offen
Welche Strafe dem Angeklagten drohen könnte, ist am ersten Verhandlungstag ebenfalls Thema. Laut Richter Arno Hornstein drohen mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe für besonders schwere räuberische Erpressung. Allerdings gebe es auch Sonderfälle, in denen das Strafmaß deutlich reduziert werden kann. Den Sachverhalt einzuräumen hilft, sagt Hornstein dem Angeklagten. Dessen fünf Vorstrafen, zum Beispiel für Diebstahl, Drogenhandel und Erwerb, Beleidigung und Körperverletzung, helfen hingegen nicht.
Ein weiterer Faktor kann die Antwort des Gerichts auf die Frage der Erfolgsaussichten einer Therapie beziehungsweise eines Entzugs sein. Tobias K. beteuert den Willen, eine Therapie machen zu wollen. Er habe seinen Drogenkonsum bereits für seine Verlobte und ihren gemeinsamen Sohn zurückgefahren. Auch Gutachter Hermann Assfalg hält seine Motivation für glaubhaft. Gleichzeitig kann er aber die Erfolgschancen schwer einschätzen. In der Vergangenheit hat der Angeklagte bereits drei Anläufe für Therapien und Entzüge abgebrochen.
Weiter geht es mit dem zweiten und voraussichtlich letzten Verhandlungstag am Montag, 22. Juli. Dann stehen die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie das Urteil auf dem Plan.