Die neuen Reiseregeln, die seit 1. August gültig sind, verunsichern Reisende und dämpfen den zarten Aufschwung, den das Markdorfer Reisebüro Lippmann im Juni und Juli dieses Jahres erlebt hat. „Die Leute haben gebucht, für den Sommer und den Herbst, sie waren so glücklich, dass Reisen wieder möglich ist“, beschreibt Inhaberin Ingrid Lippmann-Köybasi, die Aufbruchstimmung der Branche. Jetzt seien ihre Kunden wieder völlig verunsichert durch die kurzfristigen politischen Entscheidungen und den neuen Quarantänebestimmungen.
Lieber mit dem Auto statt mit dem Flugzeug in den Urlaub
„Die drohende Quarantäne ist der Hauptgrund, warum unsere Kunden statt Flugreisen zu machen, lieber aufs Auto umsteigen“, sagt Lippmann-Köybasi. Sie habe Verständnis dafür. Viele buchen um, einige stornieren komplett. „Ich empfehle jedem Kunden, in diesem Jahr eine sogenannte Flexversicherung abzuschließen.“ Bis 14 Tage vor Reiseantritt können Kunden ohne Angabe von Gründen kostenlos stornieren.
Lage im Ausland kann sich über Nacht ändern
Was Reiseländer und Regionen angehe, sei es für die Reisebüros im Moment auch sehr schwierig einen Rat zu geben, da sich die Lage vor Ort manchmal über Nacht ändern könnte. „Wer gerne ans Meer möchte, dem empfehlen wir im Moment Italien und Kroatien mit dem eigenen Auto“, sagt die Reiseexpertin.

Grundsätzlich empfiehlt sie aktuell für Flugreisen unbedingt eine Pauschalreise. „Dann haben die Kunden einen Reiseleiter als Ansprechpartner vor Ort und den Reiseveranstalter in Deutschland, der ihnen im Notfall hilft und die Heimreise organisiert.“ Wer individuell Einzelleistungen buche, müsse sich im Notfall um die Rückreise, um den Ausfall von Einzelleistungen und Rückerstattung von Einzelleistungen selbst kümmern.
14 Tage vor Abflug Bedingungen am Zielort überprüfen
Wer fliegen wolle, dem rät sie außerdem, 14 Tage vor Abreise genau zu prüfen, wie die aktuellen Bedingungen im Reiseland sind, dann zu entscheiden und gegebenenfalls kostenlos zu stornieren. „Ich habe viele ältere Kunden, die keinen Computer haben. Dann biete ich ihnen an, dass ich die neuesten Bedingungen für sie beim Auswärtigen Amt nachlese und wir sprechen die Situation gemeinsam durch“, berichtet Ingrid Lippmann-Köybasi.
Die Pandemie bringt auch neue Kunden mit sich
60 bis 70 Prozent ihrer Kunden seien Stammkunden, die sie teilweise schon seit 36 Jahren berate. Während der Corona-Pandemie konnte sie viele neue Kunden dazugewinnen. Die Menschen hätten im Moment ein weit größeres Beratungs- und Sicherheitsbedürfnis, als unter Normalbedingungen und buchen eher wieder übers Reisebüro vor Ort als im Internet.
Mehr Buchungen im Reisebüro statt im Internet
Das bestätigt auch Julia Wieland, Inhaberin und Geschäftsführerin von Sonnenklar.TV Reisebüro im Proma. „Wir haben viele neue, auch jüngere Kunden gewonnen, die normalerweise eher im Internet und nicht im Reisebüro buchen würden.“
Schnelle Veränderungen der Reiseregeln, individuelle Einreiseregeln der unterschiedlichen Reiseländer sowie individuelle Regeln der verschiedenen Airlines verunsichern die Menschen, sodass ein hoher Beratungsbedarf bestehe. „Wir wissen von Reisenden, die übersehen hatten, sich im Reiseland vorher registrieren zu lassen. Sie wurden am Flughafen knallhart stehen gelassen“, berichtet Wieland von organisatorischen Schwierigkeiten mancher Reisender.
„Am Anfang sind hier im Büro bei manchen Kunden Freudentränen gekullert, weil sie so froh waren, wieder reisen zu können.“Julia Wieland, Sonnenklar.TV Reisebüro
Auch bei Sonnenklar.TV startete die Saison vielversprechend. „Am Anfang sind hier im Büro bei manchen Kunden Freudentränen gekullert, weil sie so froh waren, wieder reisen zu können“, berichtet Wieland. Das Reisegeschäft sie im Moment recht herausfordernd. Mal erreiche man die Veranstalter nicht, mal würden Flüge gestrichen, dann änderten sich die Regeln. „Man muss sehr flexibel agieren“, sagt Julia Wieland.
Beliebte Reiseziele: Italien, Kroatien, Griechenland und Türkei
Die Nachfrage sei auf alle Fälle da, die Leuten wollen reisen. Eine der größten Hürden sei aktuell die ungeklärte Regelung für Kinder. Diese brauchen ab zwölf Jahren einen negativen PCR-Test zur Einreise nach Deutschland und bei Rückreisen von Familien aus Hochrisikogebieten müssen geimpfte Eltern für einen Tag, ungeimpfte Kinder allerdings für fünf Tage in Quarantäne. „Damit haben Familien natürlich wieder ein Problem“, erklärt Wieland die Situation. „Wir hatten so gehofft, dass die Regierung dieses Thema lösen würde.“
Auch Wieland und ihr Team empfehlen im Moment Italien und Kroatien. „Griechenland und Türkei haben wir ebenfalls viel gebucht“, sagt Wieland. Die aktuelle Hitzewelle und die Waldbrände führen derzeit nicht zu Stornierungen.
Viele Anfragen für den Herbst und Winter
Was die Buchungssituation für Herbst und Winter angehe, so hat Julia Wieland viele Anfragen. „Ich rate unseren Kunden allerdings im Moment zur kurzfristigen Buchung, da wir nicht wissen, wie sich die Situation verändern wird.“
Auch Ingrid Lippmann-Köybasi ist mit der Buchungssituation für Herbst zufrieden. „Wir haben einige Karibik-Kreuzfahrten gebucht, Nordkap steht bei einem Kunden auf der Reiseliste, aber auch Mallorca im Herbst.“ Das Buchungsaufkommen liegt aber in beiden Reisebüros weit unter dem eines normalen Jahres. Die Branche hofft nun auf 2022.