Die „Stille Nacht“ ist in diesem Jahr noch stiller als sonst. Auf den Markdorfer Straßen sind kaum noch Passanten zu sehen, nachdem am Donnerstagnachmittag die letzten Läden, geschlossen haben. Ohnehin gab es nur Lebensmittel und Drogeriewaren.
Nur wenige Menschen machen sich auf den Weg zum Gottesdienst
Besonders ruhig ist es auch deshalb, weil sich an diesem Heiligabend kaum jemand auf den Weg zur Kirche macht. Kaum mehr als 60 Besucher dürfen beispielsweise am späteren Abend in die Christmette der katholischen Pfarrgemeinde.
Den Gottesdienst in der evangelischen Kirche im Weinberghang kann indes niemand besuchen. Er ist tags zuvor abgesagt worden, Gebet, Predigt und Gesang gibt es lediglich im Livestream, als digitale Direktübertragung im Internet.
Die Termine der nächsten Gottesdienste
Evangelische Kirchengemeinde sagt alle Präsenz-Gottesdienste ab
„Die Entscheidung ist dem Kirchengemeinderat nicht leicht gefallen“, erklärt Pfarrerin Christina Wagner vor dem Eingangsportal der evangelischen Kirche. Von drinnen tönt Gesang. Das „In dulce jubilo“ – „In süßer Freude“ – mag nicht so recht zu dem passen, was die Geistliche ausführt. „Mit einem Inzidenzwert von über 150 im Bodenseekreis war uns das Risiko dann doch zu hoch.“ In der Folge wurden hier alle Weihnachtsgottesdienste als Präsenzveranstaltungen abgesagt.
Ein Weihnachtsgottesdienst ohne Besucherandrang
Dabei hatte man sich in den vergangenen Wochen gut vorbereitet. Ein ausgeklügeltes Ticketsystem war erarbeitet worden. Ebenso ein detaillierter Plan, der Hygiene und Abstand regeln sollte. Stattgefunden hätte der Weihnachtsgottesdienst an Heiligabend dann in der katholischen St.-Nikolaus-Kirche. So, wie es in Anbetracht des üblicherweise hohen Besucherandrangs auch schon in anderen Jahren üblich war – und wie es mit Blick aufs üppigere Raumangebot im Corona-Jahr 2020 erst recht geboten schien. Nun aber spricht Pfarrer Tibor Nagy doch in der evangelischen Kirche von einem „ganz besonderen Heiligabend„.
Außer ihm sind nur wenige Menschen in der Kirche. Philipp Bergmann sitzt an der Orgel und ein halbes Dutzend Sängerinnen und Sänger, Mitglieder des von Anuschka Schoepe geleiteten Ensembles „Anima“, verteilen sich auf die Kirchenbänke.
Für Lisa Marie Lebherz war ihr Mitwirken hier keine Frage. Als Anuschka Schoepe sie auf den evangelischen Weihnachtsgottesdienst ansprach, war sie „natürlich gleich bereit mitzusingen“, schildert die 18-Jährige. Sie singe gerne, besonders gerne in Gemeinschaft, und ein Auftritt vor beziehungsweise an den Feiertagen verheiße stets einen ganz besonderen Erlebniswert.
Gleichfalls mit dabei sind Paul Gene und Christian Fandel, die sich um die technische Seite kümmern. Schließlich wird der Gottesdienst per Video aufgezeichnet, damit er ab 17 Uhr live im Internet verfolgt, aber auch später noch aufs Handy oder den heimischen Rechner heruntergeladen werden kann.

Winfried Böhm stimmt Markdorfer mit seiner Drehorgel auf Weihnachten ein
Draußen wird gelegentlich mitgesummt. Winfried Böhm trägt Zylinder und einen weißen Schal beim Drehen der Kurbel seines Leierkastens, einem so liebevoll wie aufwendig bemalten Instrument aus der Überlinger Drehorgelwerkstatt Raffin.
Dass es nieselt, stört weder Leierkasten-Mann Böhm noch die Zuhörer seines kleinen Freiluft-Konzerts. „Vorhin waren es noch mehr“, berichtet Böhm. Als er Station vorm Rathaus gemacht habe, seien überraschend viele gekommen um sich Weihnachtslieder aus der Drehorgel anzuhören.

Auch in der katholischen Kirche machen viele Helfer die Gottesdienste möglich
„Herr, lass Weihnachten werden“ intoniert Kirchenmusiker Johannes Tress ein paar Stunden später an der Göckel-Orgel in St. Nikolaus.
Dass sich für die Besucher der Christmette doch noch die gewohnte Heiligabend-Stimmung einstellen kann, dafür sorgen Marianne Gollo, die den Eintretenden Kerzen überreicht oder Margit Stützle, die die Namen auf der Liste mit den Anmeldungen abstreicht.
Sie sind zwei von ganz vielen Gemeindemitgliedern, die dafür gesorgt haben, dass auch während der Corona-Pandemie Gottesdienste stattfinden können. Dass das Licht, von dem Pfarrer Ulrich Hund in seiner Predigt sprechen wird, real auf den Altären flackert – und betrachtet werden kann.
Und dass auch real ist, was von der Orgelempore tönt: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.“