Frau Brutsch, Sie arbeiten als Tierheilpraktikerin und betreuen Hunde, Katzen und Kleintiere. Wurde Ihnen die Tierliebe in die Wiege gelegt?
Ich bin in einem 300-Einwohner-Dorf aufgewachsen. Wir hatten Katzen, Hühner, Stallhasen, Hamster, Wellensittiche und Kanarienvögel... aber ich wollte immer einen Hund. Ich war von Anfang an in Tiere vernarrt, habe die Tierliebe von meinem Opa. Mit 15 Jahren habe ich mir einen Hund aus dem Tierschutz geholt, weil ich immer auch den Drang zum Helfen hatte.
Es blieb nicht bei dem einen.
Nein. Das war ein jagdlich sehr ambitionierter Schnauzer-Mix, der entsprechend gefordert werden wollte. Ein Jäger hat ihn übernommen, der ihm gerecht wurde. Danach hatte ich immer Hunde aus dem Tierschutz. Der einzige Zuchthund war Aaron, ein ungarischer Vorstehhund. Diese Rasse ist sehr sensibel, auf ihren Halter bezogen, ruhig, anhänglich, aufmerksam, sehr menschenfreundlich und obwohl er ein Jagdhund war, konnte ich ihn ohne Leine laufen lassen.
Ansonsten empfehlen Sie, Hunde aus Tierheimen zu holen.
Ja. Ich wollte einen Hund aus einem deutschen Tierheim. Er sollte wegen meiner beruflichen Situation sehr verträglich mit anderen Hunden und Kindern sein. Ich hatte 2018 einen Unfall mit OP, eine an zwei Stellen versteifte Wirbelsäule und viele Krankenhausaufenthalte. Kurz zuvor war mein Aaron nach 13 schönen Jahren verstorben. Im Krankenbett hatte ich Zeit, auf Websites deutscher Tierheime nach einem Hund zu suchen. Leider konnte ich keinen finden, der zu unserer Lebenssituation gepasst hätte. Auf Seiten vom Auslandstierschutz habe ich mich in Turron aus Spanien verliebt, einen Labrador-Molosser-Mix vom Tierschutzverein Europa.
Dort sind Sie Mitglied.
Ja und passives Mitglied im Tierschutzverein Markdorf. Der TSV Europa unterstützt viele kleine Tierheime in Spanien und ein großes in Bukarest. Diese dürfen ihre Hunde auf der Website des TSV Europa einzustellen. Die Vermittlungs-/Schutzgebühr geht größtenteils ans Tierheim, aus dem der Hund kommt. Der Verein kümmert sich um den Transport und viele andere Hilfsprojekte.
Sie haben einen eigenen Hund, nehmen Hunde in Pension mit Familienschluss und sind jetzt auch noch Pflegestelle.
Das wollte ich gerne sein und die Betreuung eines weiteren Hundes geht immer noch nebenher. Seit der ersten Pflegestelle Mitte März 2020 hatte ich den achten Pflegehund, der nun auch ein neues Zuhause gefunden hat. Die Vermittlungsarbeit übernimmt der Verein. Ich mache mir aber ein Bild von den eventuell künftigen Haltern und gebe meine Einschätzung weiter. Mittlerweile mache ich auch Vorkontrollen.
Fällt es Ihnen nicht schwer, die Hunde weiterzugeben, nachdem Sie sie in vertrauter Obhut hatten?
Klar, das tut mir schon sehr weh. Es ist auch schwierig für sie, weil sie zu mir eine Bindung aufgebaut haben. Aber zu sehen, wie der Hund endlich ein Zuhause bekommt, macht mich glücklich.
Kann jeder Pflegestelle werden?
Hat jemand den Wunsch, kann ich das an den Verein weiterleiten. Es gibt so viele Hunde, die es nicht schaffen, in einem Tierheim zu leben, weil ihr Besitzer gestorben ist und ältere und kranke Tiere haben es im Tierheim-Alltag schwer. Die Bedingungen im rumänischen Tierheim sind schlecht, da die finanziellen Mittel fehlen.
Sie sind Tierheilpraktikerin ohne räumliche Praxis – wie geht das?
Ich mache nur mobile Behandlungen, weil ich viele Dinge erst in der Umgebung entdecken kann, in der die Tiere leben. Wie eine toxische Pflanze, an der eine Katze ständig unbemerkt knabbert. Zudem verhalten sich die Tiere draußen oder in einer Praxis anders als zuhause. In ihrem Umfeld ist es viel stressfreier für sie. Ich beobachte, rede mit dem Besitzer, das Tier ist entspannt. Ich streichle es, kann unauffällig in Ohren oder Augen schauen, Haut und Fell, Gangbild und Verhalten beurteilen.
Sie sagen, Sie sind oft die letzte Anlaufstelle für besorgte Tierhalter.
Viele kommen erst, wenn die Schulmedizin ausgeschöpft ist und nicht, oder nur noch bedingt hilft. Das Problem in der Naturheilkunde ist, dass ich oft weit in die Vergangenheit zurückgehen muss. Ich forsche nach der Ursache, das beansprucht meist einige Zeit. Dabei ist die Lösung oft recht simpel, denn viele Krankheiten werden durch nicht artgerechte Ernährung ausgelöst.
Wie sieht diese denn aus?
Da gehen die Meinungen auseinander. Ich barfe, füttere biologisch artgerechtes rohes Fleisch und Gemüse. Diese Form muss aber nicht immer das richtige und einzige Mittel der Wahl sein. Es gibt auch sehr gute industrielle Möglichkeiten; es sollte für jedes Tier individuell angepasst sein. Füttern die Besitzer dann artgerechter, erhalte ich oft begeisterte Reaktionen.
Wie behandeln Sie noch?
Homöopathisch und pflanzenheilkundlich, ich habe eine Akupunktur-Ausbildung und arbeite gerne mit der Laserfeld-Therapie. Die Strahlung des Lasers kann Stoffwechselprozesse anregen, sie ist unter anderem ideal bei Wundheilung, kann aber auch orthopädische Probleme lindern.
Die Wirksamkeit von Homöopathie ist ja sehr umstritten…
Tiere reagieren sehr gut darauf. Sie wissen nicht, was sie bekommen und dass es helfen kann; Einbildung und Glaube sind also ausgeschlossen. Die Kunst ist, das passende Mittel und seine Potenz zu finden. Man sagt, die Heilung einer Erkrankung dauert so lange, wie sie schon besteht. Das verlangt Geduld ab, aber in kleinen Schritten erfolgt eine Verbesserung.
Ihr Lieblingstier?
Ich mag Katzen sehr gern, aber ich bin ein Hundemensch. Katzen bevorzugen ihre Diener, Hunde blicken zu Menschen auf, sie brauchen uns und ich mag es, fürsorglich zu sein und zu helfen. Deswegen habe ich auch Pflegehunde und besonders gern Spezialfälle wie Alte, Kranke oder Langzeitinsassen.
Was begeistert Sie so daran?
Die Bewegung ist toll, Tiere sind offen, ehrlich, direkt, lügen niemals und geben einem immer alles an Liebe zurück.
Wem würden Sie einen Hund empfehlen?
Menschen, die sich auf jeden Fall vorher Gedanken machen, was auf sie zukommt, wie mehrmals täglich spazieren gehen, den Hund gut und sozial erziehen, seine Urlaubsplanung entsprechend gestalten. Sie müssen wissen, was sie wollen und alle Familienmitglieder müssen eine Linie fahren. Ein Hund kostet Unterhalt, Steuern, Tierarzt. Jedoch am Allerwichtigsten ist es, ihn als Lebewesen wahrzunehmen. Man hat dem Tier gegenüber ein Leben lang eine große Verantwortung. Ausprobieren ist immer gut: Mit Tierheimhunden Gassi gehen, sich dort ehrenamtlich engagieren, den Nachbarshund auf Probe nehmen, sich über Bücher, Internet oder Fernsehen informieren. Man sollte schauen, welcher Hund zu einem passt. Eines ist sicher: Einem Tier ein Zuhause zu geben, rentiert sich immer!
FRAGEN: CHRISTIANE KEUTNER