Viel wird in den Diskussionen um die Südumfahrung Markdorf über die Frage der tatsächlichen Entlastung der stau- und lärmgeplagten B-33-Ortsdurchfahrt im Falle ihres Baus gestritten. Fakt ist, die verschiedenen Verkehrsprognosen, die zwischen 2003 und 2019 erstellt wurden, weichen teils gravierend voneinander ab. Das hat zum Einen damit zu tun, dass die ersten Prognosen noch von einer durchgängigen Hinterlandtrasse an Umfahrungen ausgegangen sind, die vernetzt miteinander wären und daher eine deutliche Entlastungswirkung hätten. Die jüngsten Prognosen hingegen betrachten die Wirkung der Südumfahrung als Einzelmaßnahme, die aktuellste von 2019 hingegen in ihrem Zusammenspiel mit dem nur wenige Kilometer zum See hin entfernten Weiterbau der B 31-neu zwischen Meersburg und Immenstaad. Alleine dieser Umstand wirbelt die Zahlen ordentlich durcheinander.

Vier detailliertere Verkehrsprognosen zur Südumfahrung hat das Büro Modus Consult seit Planungsbeginn erarbeitet. Sie unterscheiden sich ...
Vier detailliertere Verkehrsprognosen zur Südumfahrung hat das Büro Modus Consult seit Planungsbeginn erarbeitet. Sie unterscheiden sich teils beträchtlich voneinander. | Bild: Schönlein, Ute

Dann kommen aber noch die unterschiedlichen Prognosezeiträume hinzu: Während das erste Gutachten von 2003 als Prognosejahr das Jahr 2010 angesetzt hatte, ermittelten die folgenden Prognosen die Zahlen für das Jahr 2025. Unmittelbar vergleichbar sind die Verkehrsprognosen daher nicht.

Rätselraten Verkehr: Vier unterschiedliche Prognosen

Dennoch haben sie Aussagekraft: Denn tatsächlich hatten all diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen tatsächliche Auswirkungen auf das zu den jeweiligen Zeiten prognostizierte Verkehrsaufkommen in der Ortsdurchfahrt – und auf der Umfahrung. Die Prognosen, allesamt von dem Ulmer Fachbüro Modus Consult erarbeitet, passen sich den jeweils veränderten Bedingungen an.

Autos quälen sich durch die enge Hahnstraße. Gemeinsam mit den benachbarten Ensisheimer- und Bernhardstraße ist die Hahnstraße bei ...
Autos quälen sich durch die enge Hahnstraße. Gemeinsam mit den benachbarten Ensisheimer- und Bernhardstraße ist die Hahnstraße bei Ortskundigen eine beliebte Ausweichstrecke, wenn die B-33-Ortsdurchfahrt durch Markdorf mal wieder verstopft ist. | Bild: Ganter, Toni

Die jüngste dürfte daher als die aktuell am ehesten zutreffende gelesen werden. In einem Vergleich aller Prognosen lässt sich hingegen wiederum ablesen, welche Erwartungen Politik und Behörden an die Südumfahrung angelegt hatten. Auch das ist interessant, nicht zuletzt weil sie im Laufe der Jahre tatsächlich heruntergeschraubt werden mussten.

Modus Consult, das auch das Verkehrsgutachten für das Planfeststellungsverfahren für die Südumfahrung erarbeitet hat, hat vier größere Verkehrsuntersuchungen vorgenommen: In den Jahren 2002, 2008, 2011 und 2016. Die Anlässe waren besondere Wegmarken im Prozess: Der Bürgerentscheid 2003, der Beginn des Planfeststellungsverfahrens 2009, die Änderung des Verfahrens 2011 und die Mediation zur Ortsumfahrung Kluftern 2016.

Ein komplettes Umfahrungsnetz hätte für mehr Entlastung gesorgt

Für den Bürgerentscheid 2003 erstellte Modus Consult die Prognose für das Jahr 2010 und setzte dabei für 2010 eine Verkehrsmenge von täglich 24 000 Fahrzeugen in der Ortsdurchfahrt an. 2003 betrug die tägliche Verkehrsmenge auf der B 33/Ravensburger Straße rund 20 000 Fahrzeuge – im Übrigen nur unwesentlich weniger als heute. Die Prognose von Modus Consult ging damals von einer Entlastung der B-33-Ortsdurchfahrt um 10 300 Kfz/täglich aus und prognostizierte eine Restbelastung von 13 700 Fahrzeugen – angenommen wurde damals aber eine Südumfahrung, die eingebunden in das komplette geplante Netz aller Umfahrungen sein würde. Von bis zu 18 800 Fahrzeugen täglich würde die Südumfahrung dann genutzt werden, hatte Modus Consult damals errechnet.

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Sechs Jahre später gab die neue Prognose, dann für das Jahr 2025, eine Entlastung um 11 900 Fahrzeuge an, bei einer Restbelastung von 13 900 Fahrzeugen. 2011, ebenfalls auf das Jahr 2025 gerechnet und nach wie vor unter der damaligen Prämisse der komplett vernetzten Hinterlandtrasse, wurde schließlich eine Entlastung um 13 300 Kfz prognostiziert und eine Restbelastung von 13 100 Fahrzeugen. Die Entlastungswirkung war in dieser Prognose also erstmals größer als die Restbelastung für die Ortsdurchfahrt.

Der Weiterbau der B 31-neu ändert die Verkehrsprognosen erneut

Der Schwenk zurück folgte 2016 mit der Mediation Kluftern und dem Aus der anderen Umfahrungsvorhaben: Hochgerechnet auf das Jahr 2030 betrug die von Modus Consult ermittelte Entlastung plötzlich nur noch 7300 Fahrzeuge, die Restbelastung sank dennoch leicht auf 12 800 Fahrzeuge. Mittlerweile haben sich die Vorzeichen aber erneut geändert: Mit dem geplanten Weiterbau der B 31-neu zwischen Meersburg und Immenstaad in der aktuell bevorzugten B1-Variante soll nur wenige Kilometer südlich der Südumfahrungstrasse nahezu parallel eine weitere vierspurige Straße gebaut werden.

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Chaos an der Markdorfer Bahnkreuzung: Die deutliche Zunahme an Gefährdungssituationen ist dort nicht nur auf die geänderte Vorfahrtsregelung zurückzuführen, sondern auch darauf, dass der Verkehr in der Ensisheimer Straße immer mehr wird – Stichwort Schleichweg durch die Stadt. Die Südumfahrung-Befürworter argumentieren, dass die Umfahrung auch solche Ausweichverkehre wieder zurückdämmen würde. | Bild: Ganter, Toni

Jüngste Prognosen aus 2020/21 gehen daher von einer erneut geringeren Entlastungswirkung aus: Gäbe es sowohl die Südumfahrung als auch die vierspurige, weitergebaute B-31-neu, könnte die Markdorfer Ortsdurchfahrt um geschätzt gerade noch 4200 Fahrzeuge entlastet werden, eine nun aber wieder höhere Restbelastung von 14 400 Fahrzeugen würde verbleiben. Allerdings basiert diese Prognose noch auf dem Weiterbau der B 31 in einer der C-Varianten. Für die B1-Variante durch den Weingartenwald gibt es noch keine begleitende Südumfahrung-Verkehrsprognose.

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Aktuell werden in der B-33-Ortsdurchfahrt/Ravensburger Straße im Schnitt zwischen 20 000 und 21 000 Fahrzeuge täglich gezählt. Träfe diese jüngste Prognose nun annähernd zu, müssten die Anwohner also rund 6000 Fahrzeuge oder ein Drittel weniger Verkehrsaufkommen ertragen als heute – allerdings erst dann, wenn auch die B 31-neu zwischen Meersburg und Immenstaad fertiggestellt ist. Bis dahin wäre die Entlastungswirkung einer Südumfahrung eher höher, vorausgesetzt natürlich, sie würde noch vor der B 31-neu fertiggestellt und eröffnet werden.

Alle Teile der Serie

  • Teil 1: Die Historie
  • Teil 2: Die Netzfunktion
  • Teil 3: Die Verkehrsprognosen
  • Teil 4: Die Kostenentwicklung
  • Teil 5: Welche weiteren Kosten die Stadt tragen muss
  • Teil 6: Die Argumente der Gegner und Befürworter
  • Teil 7: Wie geht es weiter?