Der Zimmererberuf ist keine reine Männerdomäne mehr, die Zahl der weiblichen Azubis stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Allerdings war der Frauenanteil 2018 mit 2,4 Prozent immer noch sehr niedrig. Doch bei Holzbau Schmäh in Meersburg sind drei von vier jungen Leuten, die 2019 ihre Ausbildung in dem Traditionsbetrieb beginnen, weiblich. Hinzu kommt eine weitere Frau, Helen Hümmer, die bei Schmäh ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege absolvieren wird.
„Das hat sich einfach so ergeben“, sagt Firmenchef Sebastian Schmäh zu dieser Zusammensetzung. Er habe dieses Jahr rund zehn Bewerbungen erhalten und nach dem Probearbeiten, das bei Schmäh obligatorisch ist, hätten sich die jetzigen Azubis herausgeschält. „Das Gesamtpaket hat gestimmt“, so Schmäh.
Vom Architekturstudium abgeraten
Die Frauen kamen fast alle auf Umwegen zum Zimmererhandwerk. Die 27-jährige Berlinerin Sophie Haid machte zuvor eine Ausbildung zur Maßschneiderin an der Oper in Berlin, die 30-jährige Farah Thoma aus Celle absolvierte ein Holztechnik-Studium in Eberswalde und die 21-jährige Helen Hümmer, die aus Bamberg stammt, hat zwei Jahre Medizin studiert. Zuvor hatte man ihr, wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt, vom Architekturstudium abgeraten, dem sie eigentlich zuneigte.
Nur für die 21-jährige Carla Heinrich, die in Überlingen die Realschule abschloss, stand relativ früh fest, dass sie Zimmerin werden wollte: „Ich hab‘ zwei Jungs auf dem Franziskanertor gesehen und gedacht: Wie toll ist das denn. Da will ich auch mal arbeiten.“ Holzbau Schmäh war an der 2018 abgeschlossenen Sanierung des Überlinger Stadttores beteiligt. Auf diese Baustelle hat‘s Carla Heinrich nicht mehr geschafft, aber, beim Probearbeiten im Juni, auf den Kirchturm in Sipplingen, wie sie begeistert berichtet.
Auch der einzige männliche angehende Azubi, der 19-jährige Lukas Gutekunst aus Meersburg, der schon als Kind gerne mit Holz werkelte, wusste bald, dass er Zimmerer werden wollte. Bereits während seiner Gymnasialzeit schaffte er mehrfach bei Schmäh, so auch bei der Sanierung des Vineums.
Freude an traditioneller Arbeit
Sophie Haid hat „Freude an traditioneller Arbeit“. Sie sieht aber im Erstellen eines Bauwerks, das Jahrhunderte überdauert, „mehr Sinnhaftigkeit als in einem Kostüm“. So erklärt sie ihren Wechsel zur Zimmerei. Unter anderem sammelte sie auf der Klosterbaustelle Campus Galli erste Erfahrungen im Holzbau und erfuhr dort von der Firma Schmäh.
Farah Thoma merkte bereits während ihres Studium und eines anschließenden Bürojobs in Hamburg: „Ich will in Richtung Holzbau gehen. Ich arbeite gern mit meinen Händen.“ Sie schließt nicht aus, dass sie später eventuell das Berufsfeld Architektur anstrebt, aber von reiner Theorie hat sie erstmal genug. Schmäh nickt. Seit Jahren betont er, dass eine Zimmererlehre keine Einbahnstraße sei und unterstützt duale Programme wie das „Biberacher Modell“, das eine Ausbildung bis zum Zimmerermeister und das Studium Projektmanager/Bauingenieurwesen koppelt. „Planen und ausführen verbinden“, das sieht Schmäh als Königsweg, von dem sowohl Architekten als auch Handwerker profitierten.
Noch immer Fragen: Warum machen Sie das als Frau?
Lukas Gutekunst hat überhaupt kein Problem damit, dass er bei den neuen Azubis der Hahn im Korb ist. Frauen oder Männer, das sei doch egal. Sophie Haid berichtet: Man müsse sich aber auf der Baustelle schon manchmal anhören: Warum machen Sie das als Frau?“ Übrigens auch von Frauen. Carla Heinrich ergänzt: „Gerade heute hat mich ein Mann das gefragt.“ Ihre Antwort: „Weil‘s mir Spaß macht.“ Haid sagt, sie habe sich sehr gefreut, dass sie bei ihrem zweiten Praktikum bei Schmäh Carla Heinrich getroffen habe. Diese meint: „Frauen gehen netter miteinander um.“
Schmäh, der in den Vorjahren bereits zwei Zimmerinnen ausgebildet hat, stellt jedenfalls fest: „Man merkt sofort, das sich was ändert“, wenn Frauen Teil des Teams würden. Gemischte Belegschaften erreichten mehr, glaubt Schmäh. „Ich bin überzeugt, dass uns der Frauenanteil auch auf der Baustelle guttun wird.“ Durch den zunehmenden maschinellen Einsatz werde der Beruf körperlich immer weniger anstrengend. Auch Teamarbeit helfe, wenn‘s buchstäblich schwer werde.
Veränderung ist in der Familie schon aufgefallen
Schmähs neunjähriger Tochter Katharina ist die Veränderung auch schon aufgefallen. Sie meinte: „Auf einmal sind so viele Frauen da“, erzählt der Papa. Er räumt offen ein, dass ihm auch schon der Gedanke gekommen sei: „Vielleicht kann sie sich daran orientieren.“ Katharina ist das einzige Kind Schmähs, der sein Unternehmen in sechster Generation führt. Aber er betont: „Ich will das nicht zur Erblast für meine Tochter machen.“ Sie dürfe frei entscheiden, was sie einmal werden wolle.