Anna Lippner sagt: „Es ist so ein richtiges Familienprojekt und mittlerweile sogar ein Mehrgenerationenprojekt.“ Bevor die 28-Jährige aber die Geschichte des Taisersdorfer Schafhofs weitererzählen kann, muss sie ein ganz praktisches Problem lösen: Fünf Ponys sind ausgebüxt und müssen zunächst gefunden werden. Nach kurzer Aufregung gibt es Entwarnung. Annas jüngerer Bruder David hat die Ausreißer per Drohne gesucht und auf einer entlegenen, hofeigenen Weide friedlich grasend entdeckt.

Jetzt haben die Lippner-Geschwister Zeit zu erzählen, wie aus dem Traum ihrer Eltern, eigenen Käse zu produzieren, der heutige Bioland-Betrieb am Ortsrand von Owingen-Taisersdorf wurde. Viel Herzblut hätten die Eltern Christine und Gerhard Lippner in den anfänglich kleinen Schafbetrieb gesteckt und nebenher weitergearbeitet. Auch ihr Großvater Franz Bröggelhoff, Popkornfabrikant aus Taisersdorf, habe zusammen mit seiner Frau Roswitha morgens Schafe gemolken und Milch und Käse auf dem Markt verkauft.

Die Geschwister Anna und David Lippner haben den Schafhof in Taisersdorf von ihren Eltern übernommen und betreiben ihn als ...
Die Geschwister Anna und David Lippner haben den Schafhof in Taisersdorf von ihren Eltern übernommen und betreiben ihn als Biolandbetrieb mit einem pädagogischen Ansatz. | Bild: Martina Wolters

Schafmilch wird in hauseigener Käserei verarbeitet

Die Großfamilie lebt noch heute, 27 Jahre nach diesen Anfängen, oberhalb des Bio-Hofs. Dort befindet sich auch die hauseigene Käserei, wo Mutter Christine die anfallende Schafmilch zu unterschiedlichen Käsesorten und Joghurt verarbeitet. Zur Familie gehört mittlerweile auch Anna Lippners Partner Vincent Gühlow, der eigentlich von Beruf Opernsänger ist, aber selbstverständlich in der Landwirtschaft einspringt, wenn er gebraucht wird.

Kindheitspädagogin und Veranstaltungstechniker

„Wir haben alle keinen Landwirtschaftsberuf“, sagt Anna Lippner. Sie selbst ist wie ihr Bruder auf dem Schafhof groß geworden und hat schon als 13-Jährige für Tierzuwachs gesorgt, als sie von einem Onkel Minischweine zum Geburtstag bekam. Studiert hat die junge Frau Kindheitspädagogik in Weingarten. „Ich wollte etwas mit Kindern und Tieren machen“, erzählt die 28-Jährige über ihre Berufsvorstellungen.

Ihr ein Jahr jüngerer Bruder David Lippner hat eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker am Konstanzer Theater absolviert. Als er in seinem letzten Ausbildungsjahr 2020 von einem Gastspiel in Kanada wieder zurückkehrte, begann gerade der erste Corona-Lockdown und das Theater musste vorübergehend schließen. Nach drei Wochen auf dem Familienhof in Taisersdorf fiel dann seine die schnelle Entscheidung, den Schafhof gemeinsam mit seiner Schwester weiterzubetreiben. „So gesehen, war der Lockdown eine glückliche Fügung für uns“, meint Anna Lippner im Rückblick.

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Mutterschafe sind nachts draußen

Richtig hineingekniet hat sich das Geschwisterpaar seit der Übernahme des Hofes – und die Tierhaltung verändert. Die 55 Mutterschafe sind demnach nachts draußen, bekommen weniger Kraftfutter und dafür mehr natürliches Futter. Die Lämmer bleiben sechs Wochen bei ihren Müttern. David Lippner kümmert sich neben den technischen Aufgaben schwerpunktmäßig um die Schafe und die übrigen Tiere. Auf dem Hof leben noch Pferde, Katzen, Minischweine, Hühner, Hasen und Gänse.

Das Geschwisterpaar Anna und David Lippner betreibt in zweiter Generation den Schafhof in Taisersdorf. Hier stehen sie auf einer Weide ...
Das Geschwisterpaar Anna und David Lippner betreibt in zweiter Generation den Schafhof in Taisersdorf. Hier stehen sie auf einer Weide mit Ponys, die morgens ausgebüxt waren, die David Lippner aber mit einer Drohne auf einer ferneren Weide des Hofs ausmachen konnte. | Bild: Martina Wolters

Kinder lernen Naturerhalt und artgerechte Tierhaltung kennen

Anna Lippner ist verantwortlich für die Bauernhof-pädagogischen Angebote wie Ferienzeiten auf dem Hof, Ponyclub, Jahreszeitengruppen für Kinder oder Hofführungen. Die Themen, die die Kindheitspädagogin mit ihren Besucherkindern praktisch umsetzt, drehen sich um Naturerhalt, artgerechte Tierhaltung sowie um Arbeit und Leben mit den Tieren. “Die Kinder sollen die Naturabläufe selber erleben und entwickeln und nicht nur erzählt bekommen“, findet die gelernte Waldorferzieherin.

Der Hof mit pädagogischem Konzept ist so gestaltet, dass Kinder sich hier prima zurecht finden.
Der Hof mit pädagogischem Konzept ist so gestaltet, dass Kinder sich hier prima zurecht finden. | Bild: Martina Wolters

Dafür untersucht sie auch mal zusammen mit den Kindern einen Misthaufen, setzt mit ihnen Zwiebeln ein, sammelt Wildkräuter oder färbt mit ihnen Wolle mit Birkenblättern oder Holunder. Einen erhobenen Zeigefinger gibt es in ihrem pädagogischen Konzept nicht. Vielmehr setzt die Pädagogin auf ihre Vorbildfunktion und das natürliche Setting aus Tieren und Landwirtschaft.

Anna Lippner findet, die zutraulichen Suntheimer Hühner passen ideal zu ihrem Biolandhof mit 55 Mutterschafen, 90 Lämmern sowie Pferden, ...
Anna Lippner findet, die zutraulichen Suntheimer Hühner passen ideal zu ihrem Biolandhof mit 55 Mutterschafen, 90 Lämmern sowie Pferden, Eseln, Gänsen, Hasen, Minischweinen und Ziegen. | Bild: Martina Wolters

„Wir sind aber kein Streichelzoo“, ist Anna Lippner wichtig. Vielmehr sollen die Kinder selbstverständlich die Bedürfnisse der Tiere kennenlernen und angemessen reagieren lernen. Von Streicheln über Saubermachen bis Füttern ist alles erlaubt – je nach den Bedürfnissen der Zwei- oder Vierbeiner. Nebenbei gibt es die Möglichkeit, selbst eine Pizza zu belegen, im Steinofen zu backen und gemeinsam am Lagerfeuer zu verspeisen. Familienevents oder Konzerte stehen unter dem Jahr ebenso auf dem Programm.

David Lippner kümmert sich um die Technik auf dem Hof und um die Schafe.
David Lippner kümmert sich um die Technik auf dem Hof und um die Schafe. | Bild: Anna Lippner

Statt Urlaub ein paar Tagesausflüge

Das Geschwisterpaar ist rundum zufrieden mit dem Leben auf dem Hof. Obwohl ihre Tage ausgefüllt sind, lieben sie ihre Tätigkeiten. Urlaub im klassischen Sinn kennen sie nicht, höchstens ein paar Tagesausflüge sind drin. „Wir würden nie unerreichbar weit wegfahren“, sagt David. „Wir müssen wissen, dass es allen gut geht“, ergänzt seine Schwester und schließt Familie und Tiere mit einer Handbewegung mit ein.