Herr Metzger, die wichtigste Frage vorweg: Wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Ich bin zufrieden. Ich kann jeden Tag aus dem Haus gehen, das ist das Wichtigste. Ich kann zwar durch mein Rheuma und die Arthrose in den Hüftgelenken nicht mehr ganz so weit laufen, nicht lange stehen und nicht schwer tragen, aber was will man mehr?

Wie ist die Situation für Sie mit der Mundschutzpflicht?

Das ist ganz schwierig, weil ich die Lippen von meinem Gegenüber sehen muss, um mich zu unterhalten. Außerdem ist es schwer, beim Reden den Abstand von eineinhalb Metern einzuhalten. Dann sehe ich häufig ebenfalls nicht, was mein Gesprächspartner sagt.

Sind Sie als Gehörloser nicht von der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht befreit?

Wenn ich mit einer Begleitperson im öffentlichen Verkehr reise, sind wir beide davon tatsächlich befreit. Ich unterhalte mich aber auch gern mit Menschen auf der Straße oder wenn ich Fragen beim Einkaufen habe. Und diese Menschen sind eben nicht unbedingt von der Tragepflicht befreit.

Wie begegnen Ihnen diese Menschen?

Natürlich ganz unterschiedlich. Ich kann schon verstehen, dass man zuerst erschrickt, wenn ich darum bitte, den Mund-Nasen-Schutz wegzumachen. Überall wird auf Abstand und Distanz geachtet und ich brauche für eine Unterhaltung eigentlich das genaue Gegenteil. Allerdings hoffe ich auch, dass man meine und die Situation von weiteren Gehörlosen eben auch respektiert und akzeptiert.

Welche konkreten Erfahrungen haben Sie gemacht?

Im Zug und auf der Straße gibt es immer wieder Personen, die den Mund-Nasen-Schutz nicht abnehmen und dann einfach weiterlaufen. Ich gehe dann auch einfach weiter. In Lindau wurde ich vor etwa zwei Wochen von der Polizei kontrolliert. Als ich darum bat, den Mund-Nasen-Schutz doch abzunehmen, weil ich den Beamten nicht verstehe, hat er erst ganz komisch geschaut. Als ich das Attest vom Arzt gezeigt habe, dass ich von der Tragepflicht befreit bin, war er zufrieden.

Hat er den Mund-Nasen-Schutz abgenommen?

Nein, da gab es keine Chance. Ich kann das aber verstehen.

Haben Sie einen Mund-Nasen-Schutz?

Aber natürlich, was glauben Sie denn? (lacht)

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Wie meistern Sie Ihren Alltag?

Ich gehe meistens da einkaufen, wo man mich eh schon kennt. Dort habe ich mit der Kommunikation kaum Probleme. Dann gehe ich jetzt, wo die Restaurants wieder geöffnet haben dürfen, regelmäßig ins Hotel Ochsen nach Überlingen, um den SÜDKURIER zu lesen. Das lasse ich mir nicht nehmen. Auch dort kennt man mich. Wenn ich aber unterwegs bin, dann ist es für mich schon ein wenig einsamer geworden.

Das heißt, Ihnen fehlen die Gesprächspartner?

So ist es. Natürlich sind in den vergangenen Jahren immer mehr Gesprächspartner gestorben. Ich bin aber ein sehr offener Typ und gehe auch auf Leute zu, weil ich mich gern unterhalte. Das ist durch die Tragepflicht des Mund-Nasen-Schutzes natürlich deutlich schwieriger geworden.

Sie leben in Neufrach. Wie kommen Sie nach Überlingen?

Mit Bus und Bahn. Ich habe einen Schwerbehinderten-Ausweis und Anrecht auf eine Begleitperson. Deshalb habe ich auch die Befreiung der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht in den die öffentlichen Verkehrsmittel bekommen. Ohne die wäre ich aufgeschmissen.

Gibt es auch positive Aspekte der jetzigen Zeit?

Es gibt immer etwas Positives, auch wenn das jetzt nichts mit Corona zu tun hat. Ich bin ein positiver Mensch. Neulich habe ich einen jungen Mann kennengelernt. Wir treffen uns mittlerweile immer mal wieder und können dann intensiv miteinander reden. Das tut schon richtig gut. Außerdem besuche ich nach dem Lockdown immer wieder Bekannte.

Viele kennen Sie mit einem Hund. Wo ist er?

Demi ist vergangenes Jahr leider nach einem Autounfall gestorben. Ich bin momentan auf der Suche nach einem neuen Hund. Es sollte ein kleiner, weiblicher Jack-Russel-Mix mit kurzen Haaren sein. Aber durch die Corona-Zeit ist das auch ein bisschen schwierig.

Lieben Sie Hunde so arg?

Ich mag Hunde, keine Frage. Mit einem Hund habe ich aber auch wieder deutlich mehr soziale Kontakte. Er kennt meinen Namen und wenn mich jemand ruft, dreht er sich um. Dann weiß ich, dass jemand gerufen hat. So macht mich ein Hund noch auf einige andere Dinge aufmerksam.

Dann viel Erfolg bei der Suche nach einem neuen Hund und alles Gute.

Vielen Dank und keine Sorge, ich versuche, weiter unterwegs zu sein. Schließlich will ich ja 100 Jahre alt werden.