„Die Geschichte beginnt an einem schönen Tag, in einem schönen Leben. Ich setzte mich auf mein Motorrad und fühlte mich sofort frei, dieses unbeschreibliche Gefühl der Grenzenlosigkeit. Ich war Easy Rider, der Held der Straße, ich war Lucky Luke, der einsam dem Sonnenuntergang entgegen reitet. Ich war unbesiegbar. Wenige Sekunden später hatte mein Motorrad einen Totalschaden. Da lag er nun, der Held, und um ihn herum wurde es dunkel.“
Lars Höllerer, 1969 in Überlingen geboren, wollte mit 21 Jahren gerade seine Lehre als Bauzeichner bei der Stadt Überlingen beginnen, als sein Leben eine Wendung nahm. Am Gehrenberg in Markdorf hatte er einen schweren Motorradunfall und ist seither vom Hals abwärts gelähmt. Es gibt nur sehr wenig Dinge, die er tatsächlich selbstständig machen kann – das Malen mit dem Mund gehört dazu. Bereits in der Reha begann Höllerer, sich mit der Kunst zu beschäftigen. Aus dem anfänglichen Zeitvertreib wurde eine Leidenschaft und so besuchte er ab 1997 für sechs Jahre die freie Kunstakademie in Mühlhofen. 1999 wurde er als Stipendiat bei der Vereinigung der mund- und fußmalenden Künstler (VDMFK) aufgenommen, der er heute als Vollmitglied angehört. Dadurch erhält der Mundmaler ein monatliches Gehalt und kann als freischaffender Künstler leben. Weltweit gibt es etwa 800 Mund- und Fußmaler, davon nur 15 in Deutschland. Von ihnen ist Lars Höllerer einer der wenigen professionellen Mundmaler. Seine Werke sind weltweit zu sehen.

„Roll.On – Das war‘s dann wohl mit Frauenheld“
Unter dem Titel „Roll.On – Das war‘s dann wohl mit Frauenheld“ hat Höllerer nun ein Hörbuch aufgenommen (Hörprobe). Darin kreisen seine Gedanken: „So musste es sich anfühlen, wenn Lucky Luke sein Pferd unter dem Hintern weggeschossen wurde – Rollstuhl, Krankenzimmer und auf die Toilette geschoben werden.“ In den ersten Monaten sind Schmerzen, Hilflosigkeit und Melancholie seine ständigen Begleiter. Es fiel ihm schwer, den Status der Behinderung anzunehmen, er musste lernen, damit umzugehen – nicht nur körperlich.
Lange Aufenthalte in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen folgen, bis Lars Höllerer endlich nach Überlingen zurückkehren kann. Dort beginnt die Konfrontation mit der Gesellschaft. „Zurück im gewohnten Umfeld war es schwierig, die Veränderung zu akzeptieren“, erinnert er sich. „Die Menschen sahen mich plötzlich anders an – und damit umzugehen war schwer.“
Entwaffnend ehrlich und schonungslos offen
Mit entwaffnender Ehrlichkeit und mitreißendem Humor schildert Lars Höllerer, wie er sich langsam in seinem neuen Leben zurechtfindet. Seine Erlebnisse mit den Menschen, von denen er tagtäglich abhängig ist und mit denen er zusammenleben muss, hören sich wie ein heiterer Lebensbericht an: mal schräg, mal nachdenklich, immer leicht. Sei es die Schaumparty nach dem Versuch der beiden Zivis, drei Teller in der Spülmaschine unter Zuhilfenahme einer halben Flasche Spülmittel zu reinigen, oder die Not, als er nach vierstündiger Fahrt in einem Hotel in Hessen feststellt, dass der Motor der Antidekubitusmatratze, einer speziellen Matratze, die den Auflagedruck verringert, noch zu Hause steht.

Auch Ängste und die omnipräsente Hilflosigkeit schildert Höllerer schonungslos. Was kann man schon tun, wenn man nicht richtig stabilisiert wurde, aus dem Bett rutscht und mit dem Kopf frontal auf dem Fliesenboden landet? Oder im Transporter sitzt mit voll aufgedrehter Musik und Standheizung, einer Wollmütze, die langsam ins Gesicht zu rutschen beginnt – und der Zivi über eine Stunde auf sich warten lässt?
Der Alltag hat allerlei Schwierigkeiten parat
Samstags und bei schönem Wetter macht Lars Höllerer gerne einen Ausflug an den See, rollt über die Überlinger Promenade und genießt die Atmosphäre des Wochenmarkts mit den flanierenden Menschen. Dann schaut er bei seinem Freund am Stand mit den italienischen Spezialitäten vorbei und lässt an der Currywurstbude die Vorsätze, vegetarisch zu leben, auch mal kurzerhand außer Acht.
Immer wieder wird der 49-Jährige mit alltäglichen Schwierigkeiten konfrontiert: Da wird das Vergessene Laden der Rollstuhl-Batterie auf dem Heimweg von der Innenstadt den Berg hinauf zu einer zusätzlichen Sporteinlage für den Zivi. Seitdem der Landungsplatz an der Promenade umgebaut wurde, kommt Höllerer gerne dort hin, jetzt holpert es nicht mehr so, wenn er darüber fährt.

Leicht bekleidet im Duschstuhl in den Spa-Bereich
Barrierefreiheit ist für den Rollstuhlfahrer freilich essenziell. „Da hat sich in Überlingen in den letzten Jahren viel getan. Manchmal muss ich zwar durch den Hintereingang und den Lastenaufzug nehmen, aber ich komme rein“, sagt Lars Höllerer lachend. Es braucht oft kreative Lösungen, wenn im Hotel das Zimmer zwar als barrierefrei betitelt wird, aber die Duschwanne eine Stufe hat. Dann geht es eben leicht bekleidet im Duschstuhl über das Foyer in den Spa-Bereich, sehr zur Erheiterung der anderen Hotelgäste.
Wie man Zufriedenheit im Leben mit oder gerade wegen seiner Behinderung finden kann, davon erzählt Lars Höllerers Geschichte. Und sie wirbt für Verständnis und einen selbstverständlicheren Umgang mit Menschen mit Behinderung. Aber am allermeisten macht sie Mut – Mut zu leben.
„Roll.On – Das war‘s dann wohl mit Frauenheld“: Hörbuch, 4 CDs, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-00-062544-2. Erhältlich über den Onlineshop des Autors www.kunst-mit-dem-mund.de oder über den örtlichen Buchhandel. Lars Höllerer ist mit seinem Hörbuch für den Preis für das beste selbstveröffentlichte Buch nominiert, den deutschen Selfpublishing-Preis. Von den 1810 eingereichten Büchern ist er unter den jetzt 24 Nominierten.