Ob die Queen dann auch noch Überlingen kommt? Zumindest in Epsom ist die britische Monarchin gern gesehener Gast. Als bekennende Pferdeliebhaberin ist Elizabeth II regelmäßig Zuschauerin beim Epsom Derby – einem der "härtesten Derbys der Welt", wie das Pferderennen in der kleinen Vorstadt Londons gerne genannt wird. Mehr als 100.000 Besucher strömen jedes Jahr im Juli auf die Pferderennbahn im Norden der englischen Hauptstadt.

Gut möglich, dass schon bald auch einige Überlinger unter den Zuschauern sind. Schließlich strebt Oberbürgermeister Jan Zeitler eine Städtepartnerschaft mit Epsom an. Das verkündete er beim Dreikönigstrunk im Rathaussaal. Als Begründung nennt er unter anderem die derzeit heftig geführte Debatte um den Austritt der Briten aus der EU. "Eine Partnerschaft mit Epsom ist ein Signal für einen interkulturellen Dialog auf kommunaler Ebene jenseits politischer Umbrüche in Europa, wie beispielsweise des Brexits", schreibt Zeitler auf SÜDKURIER-Nachfrage.
Ähnlich argumentiert auch Epsoms Bürgermeister Neil Dallen: "Ich persönlich glaube, dass es mit dem Brexit noch wichtiger wird, solche Partnerschaften zu pflegen, bei denen Freundschaften auf persönlicher Ebene geschlossen werden und Schulen und lokale Organisationen die Möglichkeit haben, zusammenzuarbeiten."
Doch warum ausgerechnet Epsom? Der Kontakt kommt über die französische Stadt Chantilly zustande, die sowohl zu Überlingen, als auch zu Epsom eine Partnerschaft pflegt. Bei einem Chorfestival in Chantilly 2010 wurden erste Kontakte geknüpft. Als das Festival 2014 in Überlingen stattfand, waren erstmals auch Vertreter aus Epsom am Bodensee.
2016 hat sich die britische Stadt dann revanchiert und Überlingen auf die Insel eingeladen. Im vergangenen August war Epsoms Bürgermeister zu Besuch am Bodensee und bekundete sein Interesse an einer Partnerschaft. "Beide Städte haben noch keine deutsche bzw. englische Partnerstadt, auch vor dem Hintergrund möglicher Schüleraustausche wurde eine Partnerschaft positiv bewertet", schreibt Zeitler.
Warum wird das Thema nichtöffentlich besprochen?
Der Gemeinderat wurde darüber in nichtöffentlicher Sitzung informiert. Weshalb wird ein Thema von großem öffentlichem Interesse in nichtöffentlicher Sitzung thematisiert? "Mr. Dallen war nicht in offizieller Funktion in Überlingen, sondern auf privater Urlaubsreise. Herr OB Zeitler wollte sich lediglich ein Stimmungsbild bei den Gemeinderäten abholen, ob überhaupt Interesse besteht, den Kontakt zu pflegen", teilt die städtische Pressestelle dazu mit.
Dies sei ein absolut normales Vorgehen beteuert der OB. Vom Gemeinderat habe er ein positives Signal bekommen. "Eine offizielle Städtepartnerschaft ist sicherlich eine wünschenswerte Option." Zeitler will noch in diesem Jahr nach England reisen, um sein Ziel voranzutreiben.
Die angestrebte neue Städtepartnerschaft wird aber nicht nur positiv gesehen. Nadja Wintermeyer vom Verein "Brücke nach Ufa", der sich seit dem Flugzeugunglück im Jahr 2002 um die Beziehungen zwischen Überlingen und Baschkirien kümmert, zeigte sich beim Neujahrsempfang überrascht vom Vorhaben Zeitlers. "Aus Epsom reicht der Kurzbesuch des Bürgermeisters für eine Partnerschaft, bei den Kontakten zu Baschkortostan ist die Verwaltung viel zurückhaltender.“ Sie wünsche sich von der Stadt mehr Interesse und Unterstützung bei der Arbeit des Vereins.
Auch Marie-Hélène Beck vom Verein "Cercle Franco-Allemand", der die Partnerschaft mit Chantilly pflegt, äußert Bedenken. Ihrer Meinung nach müssten zunächst einmal die bestehenden Verbindungen aufgefrischt werden. So sei die Beziehung zu Chantilly zuletzt "ein bisschen eingeschlafen". Hierzu brauche es Unterstützung der Stadt aber auch Vereine, die sich in die Partnerschaftsarbeit einbringen. Eine gute Werbeplattform dazu wäre die Feier zum 30-jährigen Bestehen der Partnerschaft mit Chantilly im Oktober 2017 gewesen. Doch diese richtete die Stadt unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. "Wir fanden das sehr schade", sagt Beck. Sie fürchtet, dass das Interesse an Chantilly angesichts einer weiteren Partnerstadt weiter sinken könnte.

Ob und wann es tatsächlich zu einer Partnerschaft mit Epsom kommt, ist derzeit völlig offen. Man sei sich einig, dass der Kontakt weiter intensiviert werden soll, teilt Zeitler mit. Allerdings fehlt noch der entscheidende Beschluss des Gemeinderats. "Ziel muss es sein, die bestehenden Partnerschaften mit Chantilly und Bad Schandau zu stärken sowie einen Grundsatzbeschluss zur Aufnahme von Verhandlungen mit Epsom and Ewell zu fassen." Auch Mayor Neil Dallen muss zunächst das Okay des Partnerschaftskomitees von Epsom einholen: "Ich befürchte, dass dies alles Zeit braucht, aber ich hoffe auf ein gutes Ergebnis!"
Partnerstädte
Seit 1987 sind Überlingen und Chantilly partnerschaftlich verbunden. Nach der Wende kam 1990 Bad Schandau in Sachsen als zweite Partnerstadt hinzu. "Die Verhältnisse sind zu beiden Städten sehr gut", teilt die Stadt mit. So war beim Dreikönigstrunk vor zwei Wochen Bad Schandaus ehemaliger Bürgermeister Andreas Eggert, zu. im Gegenzug will Jan Zeitler im Frühjahr in die sächsische Partnerschaft reisen.
Der Kontakt mit Chantilly wird hauptsächlich vom Cercle Franco-Allemand gepflegt, zuletzt mit einem Besuch des Weihnachtsmarktes in der französchischen Partnerstadt. Der Verein wünscht sich aber mehr Unterstützung von der Verwaltung und anderen Vereine. Zumindest einen Schüleraustausch soll es in diesem Jahr wieder geben, nachdem dieser zuletzt nicht mehr zustande gekommen war, sagt die Vorsitzende Marie-Hélène Beck.
Beide Partnerstädte werden sich zudem bei der Landesgartenschau in Überlingen präsentieren: "Die beiden Partnerstädte werden sich am Kulturprogramm beteiligen, worüber wir uns sehr freuen", schreibt die Stadt.