Es ist nicht leicht, in dieser Corona-Krise den Überblick zu bewahren. Was darf ich, was nicht? Wo werden grobe Verstöße begangen, wo könnte man ein Auge zudrücken? Wann ist Zivilcourage gefragt, was ist pure Rechthaberei?

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Als im Sommer in Überlingen viele Badegäste dicht an dicht an der Uferpromenade lagen, agierte die Stadt mit Augenmaß. Auch Verstöße gegen die Maskenpflicht auf dem Wochenmarkt wurden vom Ordnungsamt zunächst nur mündlich verwarnt. Mittlerweile hat sich an der Stimmungslage merklich etwas geändert. Die Stadt reagiert empfindlicher. Sie reagiert so kleinlich, dass sie sogar Skifahrern, die sich zufällig an der frischen Luft für einen kurzen Moment begegneten, ein Verwarnungsgeld über 55 Euro aufbrummte.

Die Nerven in der Gesellschaft liegen blank. Ganz allgemein. Daran ist das Coronavirus schuld, nicht die Einschränkungen und Vorschriften. Sie machen Sinn.

Kontrolletti in der Nachbarschaft

Man kann sich aber düster ausmalen, wie penible Zeitgenossen mittlerweile nur darauf warten, ihre Nachbarn bei der Polizei und beim Ordnungsamt anzuzeigen. Die Ermittlungsbehörden stehen ihrerseits unter Druck, weil man ihnen wiederum Strafvereitelung oder Ermessensmissbrauch vorwerfen könnte, wenn sie dem Vorwurf nicht nachgehen.

Doch wenn das Amt jetzt schon anfängt, Zufallsbegegnungen an der frischen Luft mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden, dann wären Kontrollen an der Promenade oder auf einem Supermarktplatz die logische Folge. Eine Spirale der gegenseitigen Vorwürfe käme in Gang: Wenn die Gesetzeshüter immer kleinlicher reagieren, müssen sie sich nicht wundern, wenn es in der Nachbarschaft immer kleinlicher zugeht und die Verfolgungsbehörden dann immer noch mehr Lappalien bearbeiten müssen. Hier schaukelt sich etwas Ungutes auf, woran keiner Interesse haben kann.