Mit der Verabschiedung des Handlungsprogramms Wohnen im Rahmen des Überlinger Wohnbaulandmodells 2030 stellte der Gemeinderat die Weichen für eine stärkere „Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen“. So heißt es in dem Papier, das vom Rat mit sehr großer Mehrheit gegen drei FDP-Stimmen verabschiedet wurde.
Was sich hinter dem Schlagwort „preisgedämpfter Wohnungsbau“ verbirgt
Um das formulierte Ziel zu erreichen, gilt für die Bebauung von städtischen wie privaten Grundstücken künftig eine Sozialquote von 30 Prozent, die ab einer Gesamtwohnfläche des Vorhabens von 400 Quadratmetern oder vier Wohnungen greift. Für diesen Anteil gilt eine 30-jährige Mietpreisbindung, die 15 Prozent unter dem offiziellen Mietspiegel liegt, die allerdings an die Veränderung der Lebenshaltungskosten angepasst werden kann. Ziel dieser Maßnahme unter dem Schlagwort „preisgedämpfter Wohnungsbau“ ist, dafür zu sorgen, dass sich auch Familien mit geringeren finanziellen Möglichkeiten das Leben in der Stadt leisten können.
Bedarfsuntersuchung bis 2030 als Grundlage
Vorausgegangen war der Entscheidung eine Untersuchung des Status quo und des Wohnungsbedarfs bis 2030 durch die Bonner Firma Empirica. Sie errechnete in diesem Zeitraum einen Bedarf von 917 Wohneinheiten. Wenig überraschend war die Erkenntnis, dass es zwar eine rege Bautätigkeit in der Stadt gebe, preiswerter Wohnraum aber dennoch fehle. Sowohl der Quadratmeterpreis für Wohnraum als auch der Mietpreis liege „deutlich höher“ als in Friedrichshafen beziehungsweise dem Bodenseekreis. Für gebrauchte Eigentumswohnungen sei der Preis zwischen 2012 und 2018 um 65 Prozent gestiegen, die Mieten hätten in diesem Zeitraum um 18 bis 20 Prozent zugelegt.
In ihrem Handlungsprogramm Wohnen formuliert die Stadt daher die Verpflichtung, „bei zukünftigen Wohnbaulanderschließungen eine sozial gerechte Verteilung auf dem Mietwohnungsbausektor“ zu erzielen. Zusätzlich solle ein verstärktes Augenmerk auf „andere Wohnformen“, konkret „gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Wohnen“ gelegt werden. Priorität bei der Ausweisung von Bauland sollten Flächen in kommunalem Eigentum haben. Für die Neuausweisung privater Grundstücke muss im Vorfeld ein städtebaulicher Vertrag über die Einhaltung der Quoten und Bindungen abgeschlossen werden.
Einen ersten Vorgeschmack gaben die Vereinbarungen mit der Baugenossenschaft Überlingen für das Gesamtprojekt nordöstlich des Hildegardrings und dem Investor Betz und Weber Baupartner für dessen Planung an der Franz-Sales-Wocheler-Schule. Das Handlungsprogramm Wohnen soll nun dem Bemühen um preiswerte Mietwohnungen eine berechenbare Systematik verleihen.
Wohnfläche als Bezugsgröße
Zustimmung signalisierte Günter Hornstein (CDU) für seine Fraktion. „Wir sehen eine rege Bautätigkeit in der Stadt“, sagte er. „Doch bisher entsteht kein bezahlbarer Wohnraum.“ Das Instrument sei keine Überlinger Erfindung und zudem ein „moderates Modell“. Es gebe Kommunen, die grundsätzlich Bauland nur entwickeln, wenn es im Eigentum der Stadt ist, und es gebe Kommunen wie Friedrichshafen, das bei der Quote sozial gebundener Wohnungen mit 33 Prozent viel stärker unter die ortsübliche Miete gehe. Auch habe das Land 2018 ein attraktives Programm aufgelegt, das die Finanzierung der Sozialbindung unterstütze. Auf Anregung Hornsteins wurde die vorgesehene Bezugsgröße „Bruttogeschossfläche“ auf „Wohnfläche“ geändert: „Das ist es, was es zu verteilen gibt.“
Wirksamkeit muss überwacht werden
Als „sehr guten Baustein“ wertete auch Ulf Janicke (LBU/Grüne) das Programm. Wichtig sei vor allem die Evaluation der Wirksamkeit nach fünf Jahren und „vielleicht schon vorher eine kritische Nachjustierung“. Auf kritische Anmerkungen zur Finanzierbarkeit durch private Investoren betonte Janicke: „Wir reden hier über Grundstücke, für die Baurecht erst geschaffen wird. Das muss in Wirtschaftlichkeitsberechnung einbezogen werden.“
Kritik an Maßnahmen kommt vonseiten der FDP
Er sei „auch dafür, dass wir in Überlingen mehr bezahlbaren Wohnraum bekommen“, erklärte Raimund Wilhelmi (FDP). „Auch wir sind interessiert, dass unsere Mitarbeiter hier wohnen können und nicht nach Herdwangen oder Krauchenwies ziehen müssen.“ Gleichwohl wehre er sich gegen „regulierende staatliche Eingriffe und gegen jede Mietpreisbindung“, erklärte Wilhelmi: „Ja, ich bin beinahe versucht, von Mietwohnungsbauverhinderungsorgie zu sprechen.“ Der vorgeschlagene Weg führe zu weniger Mietwohnungen, sei er überzeugt: „Nur wenn es viele Wohnungen gibt, werden sie billiger.“ Diese Argumentation forderte Oberbürgermeister Jan Zeitler heraus: „Wir haben hier Handlungsbedarf. Der Markt hat bisher nicht funktioniert, das kann man nicht ausblenden.“
Ein „großes Kompliment“ an Stadtplaner Thomas Kölschbach sprach Roland Biniossek (BÜB+) aus. Das Programm sei zwar ein Kompromiss, „aber nicht schlecht“, sagte Biniossek. Es entspreche in weiten Teilen seinen Vorstellungen und er sei erleichtert, dass „das Bohren dicker Bretter zu Ende“ sei.
Michael Wilkendorf (SPD) erklärte: „Das Programm entspricht in weiten Teilen unserer Vorstellung.“ Man habe das Konzept lange diskutiert und auch der Bevölkerung öffentlich vorgestellt. „Wir werden sehen, wie es wirkt“, sagte Wilkendorf: „Der freie Markt hat bisher nicht das gewünschte Ergebnis gebracht.“
Es gebe für das Problem nicht die ideale Lösung, betonte Robert Dreher (FWV/ÜfA). Die neue Verordnung könne jedoch einen Beitrag zur Verbesserung leisten. „Zusammen mit der Zweckentfremdungssatzung ist das ein wichtiger Mosaikstein.“