Mücke müsste man momentan sein. Überall laufen schwitzende Menschen in luftiger Kleidung herum. Sie verbringen viel Zeit draußen, teilweise bis in die Abendstunden. Nachts liegen sie wehrlos in ihren Betten, dann ist der Moment gekommen: Landung am Fußgelenk, am Schienbein, am Unterarm – und rein da.
Nach Hochwasser und Starkregen scheinen die Tiere in diesem Sommer gefühlt überall zu sein. Hoteliers und Touristiker befürchteten zuletzt sogar, dass Gäste wegen der Plagegeister fernbleiben könnten. Ein Blick in das SÜDKURIER-Archiv zeigt: Schon in der Vergangenheit haben sie die Menschen am Bodensee verrückt gemacht – und unterschiedlichste Reaktionen hervorgerufen.
Auf dem Weg zur „Vernichtungsaktion“
Netze, Autan oder Duftkerzen: Das schien mehreren See-Kommunen Anfang der 1980er-Jahre nicht mehr zu reichen. Verwaltungen und Gemeinderäte diskutierten, wie sie die Blutsauger mit biologischen Stoffen bekämpfen könnten. Am Oberrhein hatte man mit dem „Bacillus Thurmgiensis Israelensis“ (BTI) wohl gute Erfahrungen gemacht. Dort bekamen die Tiere eiweißartige Giftstoffe eines bestimmten Bakterienstammes zu fressen und gingen dabei ein. Am Bodensee sollte dieser in Mückenbrutstätten in Seenähe per Hubschrauber verteilt werden, soweit die Idee.
Viele Lokalpolitiker und Touristiker waren für den Plan mit den biologischen Stoffen, Umweltbehörden und Naturschützer dagegen. Letztere warnten vor unüberlegten Konsequenzen für das Ökosystem. Unter ihnen war auch Jürgen Resch, damals bei der BUND-Ortsgruppe Friedrichshafen, später Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. „Wir können nicht Frösche schützen und ihnen gleichzeitig mit einer Vernichtungsaktion der Mückenlarven die Nahrung wegnehmen“, sagte er dem SÜDKURIER 1984. Umgesetzt wurde die Maßnahme nicht.

„Die Stechmücken vertreiben uns die Gäste“
Im Juni 1995 kam die Debatte um Bekämpfungsmaßnahmen zurück. Der Grund waren viele Mücken nach einem hohen Pegelstand und Regenfällen. In der Konstanzer Ortschaft Wallhausen fühlten sich Ortsverwaltung und Verkehrsverein besonders gestört. Da die Stadt keine Bekämpfungsaktion finanzieren wollte, sammelte man bei Einheimischen Geld. „Die Stechmücken vertreiben uns die Gäste und machen natürlich auch uns das Leben zur Hölle“, wurde Barbara Glunk, Geschäftsführerin des Verkehrsvereins, zitiert. Die geplagten Gäste würden die „Kunde von der Schnakenplage“ in die Lande hinaustragen. „Solche Negativ-Werbung sei alles andere als gut für den Tourismus“, sagte sie.
Der damalige städtische Umweltschutzbeauftragte, Martin Wichmann, hielt die Diskussion für „reines Sommertheater“. „Die Mücken gehören zum Konstanzer Sommer, wie der Nebel zum Winter. Da sollten keine übertriebenen Aktionen gestartet werden“, sagte er.
Die Aktion für Wallhausen kam nicht zustande. Eine Mückenbekämpfung mit biologischen Mitteln wurde in den Folgejahren immer wieder diskutiert, aber aus finanziellen und umwelttechnischen Gründen nie flächendeckend umgesetzt. Einheimische, Touristiker und Gastronomen stellten sich stets auf die Plagegeister ein.

Schmeckt blaues Blut besonders gut?
Ähnlich wie die Bewohner vom Bodensee dürfte auch Königin Silvia von Schweden Mücken aus ihrem Heimatland kennen. Im August 2014 kam sie zu einer Veranstaltung auf die Mainau und lernte die deutschen Gattungen kennen.

In dem Jahr traten die Tiere wegen eines hohen Seepegels (4,10 Meter) im Spätsommer nochmals stärker auf. In einem Artikel über die Mückensaison einige Wochen nach ihrem Besuch wurde eine Szene von der Veranstaltung folgendermaßen beschrieben: „Griffbereit haben die Organisatoren an den Eingängen zum Veranstaltungsgelände Sprühdosen mit Stechmücken-Abwehrmittel drapiert. Manche Gäste bedienen sich dankbar, andere gehen achtlos vorbei. Sie werden es noch bereuen.“ Viele Gäste habe man später „wild herumfuchteln oder leise schimpfen“ sehen. „Es ist ein Schnaken-Tag, einer von so vielen in diesem Spätsommer“, so der Artikel aus dem September 2014.