Visitenkarten austauschen: Das ist immer noch der Klassiker bei Netzwerkgesprächen. Michael Leuchte fischte sie aus der Brusttasche seines Jacketts, auch Harald Buschek hat eine Visitenkarte parat, genauso Thilo Freisleben. Alle drei sind als Unternehmer und Wirtschaftsführer in Überlingen aktiv und besuchten das erste, von der Stadt organisierte, „Wirtschaftsgespräch“.

Oberbürgermeister Jan Zeitler begrüßte im Pflanzenhaus und erklärte den Sinn der Veranstaltung, die künftig regelmäßig für geladene Gäste an interessanten Orten stattfinden solle: „Eine Plattform zum gegenseitigen Austausch, sich kennenlernen, voneinander erfahren“, für „Wirtschaftsakteure“, und für „Entscheidungsträger, die die Zukunft mitgestalten“, so Zeitler. Dazu eingeladen hatten der OB und sein Wirtschaftsförderer Stefan Schneider, den Zeitler vor sieben Jahren ins Rathaus holte. Knapp 40 Männer, wenige Frauen, sind der Einladung gefolgt.

Jan Zeitler steht am Ende seiner ersten Amtsperiode als OB von Überlingen. Wurde es nicht „höchste Zeit“, so eine Veranstaltung anzubieten, gab er die rhetorische Frage eines Besuchers wider. In seinen Begrüßungsworten beantwortete er sie so: „So ein Format muss man erst gut durchdenken.“

Siegfried Rösler bei seinem Vortrag über Sukkulenten.
Siegfried Rösler bei seinem Vortrag über Sukkulenten. | Bild: Hilser, Stefan

Nach dem Blühen stirbt sie

Mit Verweis auf die Kakteen im Raum, sagte Zeitler: „Sie haben Ausdauer und Widerstandsfähigkeit“, und übergab das Wort an Siegfried Rösler von den Stadtverschönerern, der einen Vortrag über Sukkulenten hielt und dem Publikum die Besonderheit des Pflanzenhauses vor Augen führte, beziehungsweise der darin wachsenden Überlebenskünstler aus der Wüste. Das Publikum lernte den Unterschied zwischen Opuntien und Euphorbien und erfuhr, dass die größte Agave im Pflanzenhaus ein Gewicht von 500 Kilo hat, und dass sie Wasser in ihren Blättern speichert. „Und wenn sie geblüht hat, stirbt sie ab.“

Johannes Warth, Entertainer und Trainer, ermutigt dazu, Unternehmen wie einen Basketball in Schwung zu halten.
Johannes Warth, Entertainer und Trainer, ermutigt dazu, Unternehmen wie einen Basketball in Schwung zu halten. | Bild: Hilser, Stefan

Warth macht Dampf gegen Trübsal

Der zweite Referent des Abends, Johannes Warth, griff das Bild von den sterbenden Schönheiten dankbar auf und warnte die Unternehmer im Raum: „Kommen Sie nie in die Blütephase!“ Warth ist Schauspieler, Entertainer, Trainer, Sohn einer oberschwäbischen Unternehmerfamilie, und als Motivator gerne gesehener Gast in Wirtschaftswelten. Sein unter dem Titel „Mut tut gut – offen für FAIRänderung“ angekündigter „Impulsvortrag“ entpuppte sich als ein gut einstudiertes kabarettistisches Stück, in dem er Unternehmern in den Hintern tritt und versucht, Trübsal aus ihren Köpfen zu pusten. Das Publikum im Kakteensaal applaudierte so spärlich, dass Warth mehrfach darauf hinwies, dass andernorts an der gleichen Szene öfter geklatscht wurde.

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„Wichtigster Mut ist der Almmut“, sagte Warth: „Sich auf eine Alm zurückziehen, um vorzudenken.“ Diese Alm könne die eigene Bettkante sein. Morgens mit beiden Füßen auf den Boden treten „und vordenken, in was für einem Tag ich heute leben möchte“. Zudem sang Warth ein Loblied auf den „Frohmut“, den er mit der „Frohlockung“ paarte. Anekdotenhaft erzählte er, wie dieser Frohmut einer Marke zum Erfolg verhelfen könne. Er war am Odeonsplatz in München verabredet, es regnete in Strömen. Da winkte ihn ein Mann zu sich unter den Schirm, er lockte ihn frohen Mutes auf einen Kaffee in sein Geschäft. Es handelte sich um den Showroom eines Maserati-Händlers. Wenn er jemals darüber nachdenke, sich einen Luxus-Sportwagen zu kaufen, so gab es Warth nun seinem Publikum mit auf den Weg, dann werde es ein Maserati sein. „Und das wegen einer Tasse Kaffee!“

Harald Buschek (links, Geschäftsführer Programme und Bereichsvorstand bei Diehl Defence) im Gespräch mit Michael Leuchte, ...
Harald Buschek (links, Geschäftsführer Programme und Bereichsvorstand bei Diehl Defence) im Gespräch mit Michael Leuchte, Geschäftsführer Vertrieb und Technik bei Rafi Eltec. | Bild: Hilser, Stefan

Start nach zwei Stunden Bühnenprogramm

Wirtschaftsförderer Stefan Schneider leitete nach fast zwei Stunden Bühnenprogramm im grün illuminierten Pflanzenhaus zum eigentlichen Vorhaben des Abends über – dem Netzwerken bei Häppchen und Wein. Schneider regte dazu an, sich mit denen zu unterhalten, die man noch nicht kennt. Das machten zum Beispiel die Chefs von Diehl Defence und Rafi Eltec, Bereichsvorstand Harald Buschek und Geschäftsführer Michael Leuchte.

„Eine tolle Veranstaltung in ansprechendem Ambiente“, sagte Buschek, Geschäftsführer Programme bei Diehl Defence. So ein Abend gebe die Gelegenheit für viele gute Gespräche. Als Buschek und Leuchte ihre Visitenkarten austauschten, verbanden sie dies mit einer gegenseitigen Einladung zum vertiefenden Austausch in den jeweiligen Firmen. „Der Vorstoß vom Bürgermeister ist einfach gut“, sagte Leuchte. „So etwas braucht eine Stadt.“ Es zeige sich, „welche Geheimnisse in einer Stadt verborgen liegen“, wobei er mit Geheimnis Firmen meinte, die ihre Innovationen lieber nicht an die große Glocke hängen. „Ich wünsche mir auch einen Technologie-Roundtable in der Region“, so der bei Rafi für Vertrieb und Technik zuständige Geschäftsführer.

Volksbank-Chef wünscht eine Fortsetzung

„Toll, dass die Stadt es macht“, sagte Thilo Freisleben, Geschäftsführer bei Sanitär Heizung Meyer. „Das hätte man schon früher machen können.“ Jedenfalls habe er zwischen all‘ den Kakteen „viele interessante Leute“ entdeckt.

Thilo Freisleben: „Toll, dass die Stadt es macht.“
Thilo Freisleben: „Toll, dass die Stadt es macht.“ | Bild: Hilser, Stefan

Markus Ott, Vorstandsmitglied bei der Volksbank, sagte: „Ich wünsche mir eine Fortsetzung, generell, um Vernetzung zu unterstützen.“

Keine Unterstützung für den OB-Wahlkampf

Andreas Schauer, Investor und Betreiber von zehn Thermen und Freizeitbädern mit rund 800 Mitarbeitern: „Toll, dass so eine Veranstaltung in so einem Rahmen gemacht wird. Es haben viele Leute darauf gewartet.“ Der Vortrag über Kakteen sei ja nett gewesen. Er habe sich von dem Abend aber einen intensiveren und direkteren Austausch mit OB und Wirtschaftsförderer versprochen. Und dass danach gefragt wird, wo den Unternehmern der Schuh drückt. „Ich habe acht Firmen, sehe Herrn Schneider heute aber zum ersten Mal“, sagte Schauer.

Andreas Schauer: „Ich sehe Herrn Schneider heute zum ersten Mal.“ (Archivbild)
Andreas Schauer: „Ich sehe Herrn Schneider heute zum ersten Mal.“ (Archivbild) | Bild: Hilser, Stefan

Ein Wirtschaftsförderer müsse von sich aus auf die Firmen zugehen, sie in der täglichen Arbeit vernetzen, nach ihren Sorgen und Wünschen fragen. „Die Stadt entwickelt sich gut, man kann es aber immer auch ein bisschen besser machen.“ Er wisse von vielen Unternehmern, die die Einladung Zeitlers zu dem Abend ausgeschlagen hätten. „Sie finden es komisch und sagen, jetzt, am Ende seiner Amtszeit, entdeckt er uns. Jetzt helfen wir ihm nicht auch noch beim Wahlkampf.“