4,8 Promille! So hoch war der Alkoholwert bei einem 53-Jährigen aus Überlingen Ende März. Polizisten wurden auf den Mann aufmerksam, weil er beleidigende Worte in Richtung der Beamten von sich gab. Er wurde schließlich zur Entgiftung ins Krankenhaus gebracht. Doch wie ist ein so hoher Promille-Wert überhaupt möglich?
Normalerweise kann es bereits ab vier Promille zum Atemstillstand kommen, wie Abdulwahab Hassan bestätigt. Er ist Chefarzt für Innere Medizin am Helios-Spital in Überlingen. Und er sagt deutlich: „Alkohol ist Gift.“ Dabei betont Hassan jedoch auch, dass die Dosis das Gift macht. Je mehr Alkohol also, desto mehr Schaden trägt der Körper davon.
Alkohol beschädigt das Nervensystem
Der Schaden kann ganz unterschiedlich ausfallen. „Alkohol beschädigt das Nervensystem und kann ursächlich für eine Demenz sein“, nennt der Chefarzt ein Beispiel. Weiter können Krankheiten wie Gicht, Anämie und Herzrhythmusstörungen auftreten sowie auch Krankheiten der Leber. „Alkohol erhöht außerdem das Risiko für Krebserkrankungen“, ergänzt Hassan.
Gewohnheitstrinker vertragen mehr Alkohol
Um die Frage zu klären, wie ein Mann mit 4,8 Promille noch in der Lage ist, Polizisten zu beleidigen, muss man wissen: Alkohol wirkt bei Menschen unterschiedlich. Für die reine Promilleanzahl kommt es darauf an, „ob man schnell oder langsam trinkt, welche Getränke man konsumiert, ob man währenddessen isst und wie groß beziehungsweise schwer man ist“.
Doch was die Promillezahl mit den verschiedenen Menschen macht, kommt insbesondere auf die Gewöhnung an, betont Abdulwahab Hassan. „Wer regelmäßig und viel trinkt, der verträgt auch deutlich mehr. Er kann also mit drei Promille noch ganz andere Sachen bewerkstelligen als Menschen, die wenig und unregelmäßig trinken“, erklärt der Chefarzt.
„Es muss ein hochgradiger Spiegeltrinker sein, anders kann ich mir das nicht erklären.“Chefarzt Abdulwahab Hassan über den Mann mit 4,8 Promille
Aus seiner Sicht muss es sich bei dem 53-jährigen Mann, der mit 4,8 Promille Polizisten beleidigte, um einen „Heavy-Trinker“ handeln. „Es muss ein hochgradiger Spiegeltrinker sein, anders kann ich mir das nicht erklären.“ Spiegeltrinker sind Menschen, die täglich und über den Tag verteilt Alkohol trinken, um einen bestimmten Spiegel beizubehalten.
Hassan erklärt: „Trotzdem kann man bei solchen Leuten kaum Anzeichen eines Rauschs erkennen.“ Wird die Alkoholzufuhr unterbrochen, werden diese Menschen durch körperliche und psychische Entzugserscheinungen auffällig.
Spricht man über einen Rausch, kommt man schnell zu den verschiedenen Stadien der Alkoholvergiftung. Als erstes Stadium bezeichnet man den Bereich von 0,2 und 2 Promille. Es kann bereits nach einem Getränk eintreten. „Anzeichen sind Enthemmung, gute Laune und eine lockere Zunge“, erklärt Chefarzt Hassan. Außerdem verlangsamt sich die Reaktionsgeschwindigkeit, es kann zu Sprach- und Gleichgewichtsstörungen kommen.
Im zweiten Stadium der Alkoholvergiftung (2 bis 2,5 Promille) fällt es den Betroffenen zunehmend schwerer zu sprechen. „Es kommt zur Sehstörung und zu Koordinationsproblemen“, sagt Hassan. Viele Betrunkene leiden in diesem Stadium außerdem unter Übelkeit oder Erbrechen. Auch das Erinnerungsvermögen lässt nach – und sorgt für Gedächtnislücken am nächsten Tag. Der Chefarzt betont: „Spätestens jetzt muss man mit dem Alkohol aufhören. Der Körper setzt genügend Warnsignale.“
Drittes Stadium liegt zwischen 2,5 und 4 Promille
Wer doch weitertrinkt, landet im dritten Stadium der Alkoholvergiftung. Von diesem sprechen Experten bei einem Promillewert zwischen 2,5 und 4. Hier sind die Anzeichen einer Alkoholvergiftung unverkennbar. „Der Betroffene wird bewusstlos, man muss ihn wegen Aspirationsgefahr in die stabile Seitenlage bringen und sofort den Notarzt rufen“, erklärt Hassan deutlich.
Das vierte und letzte Stadium der Alkoholvergiftung tritt bei mehr als 4 Promille ein. „Es wird auch das tödliche Stadium genannt. Der Atemtrieb wird weniger und es kommt schließlich zum Atemstillstand.“ Viele Menschen mit Alkoholvergiftung landen auch im Überlinger Helios-Spital – meist im Stadium zwei. „Das kommt ein paar Mal pro Woche vor“, weiß der Chefarzt der Inneren Medizin. „Meistens schicken wir sie wieder nach Hause, wenn sie in Begleitung sind.“
Dringend ärztliche Betreuung brauchen Patienten mit Alkoholvergiftung im Stadium drei oder vier. „Sie müssen intensiv überwacht und am Leben gehalten werden.“ Solche Patienten gibt es im Helios-Spital jedoch selten, etwa ein bis zwei Mal im Monat. Hassan betont: „Damit so etwas nicht passiert, ist ein vorsichtiger Umgang mit Alkohol sehr wichtig.“