Albbruck – Sie trafen sich ein letztes Mal im „Bahnhöfle“, doch der Zug für die historische Eisenbahnbrücke über die Alb ist längst abgefahren und ihr Abriss besiegelt. Artur Werner, der Sprecher der Bürgerinitiative für den Erhalt der 163 Jahre alten Bogenbrücke, hatte ein Scherflein von sieben Mitstreitern um sich geschart, um einen Schlussstrich unter den zwei Jahre währenden Kampf für den Fortbestand des Baudenkmals zu ziehen.
Mitglieder des Petitions-Ausschusses des Bundestags hatten sich nach ihrer Visite vor Ort im Juli 2018 für den Erhalt der Brücke ausgesprochen. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses war das Votum jedoch einhellig zugunsten des Brücken-Abrisses ausgefallen. Dies sorgt bei der Bürgerinitiative für völliges Unverständnis: „Ich kann nicht glauben, dass unsere guten Argumente für den Erhalt einfach vom Tisch gewischt wurden!“
Wie es zur Kehrtwende kam
Der Vorsitzende des Petitions-Ausschusses, Marian Wendt (CDU), war mit mehreren Kollegen beim Vor-Ort-Termin in Albbruck dabei. „Wir hatten dort den Eindruck gewonnen, dass der Abriss zu verhindern ist.“ Im September und Oktober hätten dann in Berlin Gespräche mit Vertretern des Landesdenkmalamtes und der Bahn stattgefunden. „Dabei wurden uns unsere Grenzen aufgezeigt“, so Wendt. „Das Landesdenkmalamt wäre unser wichtigster Ansprechpartner gewesen; doch von dort war kein Wille zum unbedingten Erhalt der Brücke erkennbar.“ Und die Bahn-Vertreter seien nicht bereit gewesen, ein neues Planfeststellungsverfahren zugunsten einer Sanierung des Baudenkmals zu starten. Schließlich habe Bürgermeister Stefan Kaiser dargelegt, dass es sich bei der Brücke im Ortswappen aus dem Jahr 1924 nicht um die Eisenbahnbrücke, sondern um die alte Straßenbrücke über die Alb handle. „Hätten wir das alles im Juli gewusst, wären wir vor Ort nicht so euphorisch gewesen“, so Wendt.

Gründe für Ablehnung der Petition
Anders als die Bürgerinitiative war der 28-köpfige Ausschuss nicht überzeugt, dass die Albbrucker Gewölbebrücke von 1856 eine Rarität und ein wichtiges Zeugnis der Verkehrs- und Ingenieurs-Geschichte ist: „Das Bundes-Verkehrsministerium hat ermittelt, dass die Brücke nicht so rar wie angenommen ist: Es gibt demnach 822 Gewölbe-Brücken diesen oder höheren Alters in Deutschland, von denen 760 in gutem Zustand sind“, heißt es in der Begründung. Und weiter: „Nach intensiver Abwägung aller Fakten und Argumente ist der Ausschuss zu dem Ergebnis gekommen, dass die Petition leider sehr spät eingereicht wurde. Aufgrund des fortgeschrittenen Bauvorhabens und im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz der Bundesmittel sieht der Ausschuss keine Möglichkeit des Einwirkens auf die DB Netz AG im Sinne der Petition. Hinzu kommen sicherheitsrelevante Bedenken.“
Das sagt das Landesdenkmalamt
Die Denkmalschutz-Behörde des Landes (LDA) führte bei dem Treffen in Berlin im Hinblick auf eine Sanierung der Brücke aus: „Die Vorgaben des Eisenbahn-Bundesamtes bedingen, dass der größere Gleisabstand, die Elektrifizierung durch Masten auf der Brücke und die Schaffung von Fluchtwegen auf der Brücke gewährleistet werden müssen. Dies hat zur Folge, dass für einen breiteren Trog der gesamte Oberbau der Brücke entfernt werden müsste. Der Betontrog würde den Rest der Brücke – ohne die drei obersten Steinreihen – um bis zu 1,08 Meter überragen, was das Erscheinungsbild erheblich verändert. Der obere Abschluss der Brücke ist aus denkmalfachlicher Sicht ein entscheidendes Element. Die Troglösung würde so stark in Substanz und Erscheinungsbild eingreifen, dass die Eigenschaft der Brücke als Kulturdenkmal erlöschen würde.“ Es sei diskutiert worden, wie variabel die Anforderungen des EBA bezüglich der Masten und Fluchtwege seien. „Nach Aussagen der DB Netz AG seien diese Anforderungen aber unverzichtbar“, so das LDA.

Das sagt die Bürgerinitiative
„Es blutet mir die Seele bei dem Gedanken, dass dieses Baudenkmal abgerissen wird“, sagt Artur Werner. Ihn ärgert nicht nur die Haltung des Landesdenkmalamtes, sondern vor allem das Vorgehen der Bahn. „Schon bei den Runden Tischen haben die Bahn-Leute eine unheimliche Arroganz an den Tag gelegt und keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, von ihrem Abriss-Vorhaben abzurücken.“ Der technische Berater der Bürgerinitiative, Bernhard Fechtig von der auf Brückensanierungen spezialisierten Firma Fretus in Bad Zurzach, war beim Abschlusstreffen der Bürgerinitiative verhindert, betont aber in einer E-Mail an Werner: „Sie haben für die richtige Sache gekämpft. Der Abbruch der historischen Brücke in Albbruck ist ein Skandal und Spiegel eines bürokratischen Systems, das jeglicher Vernunft entbehrt.“
Das sagen unsere Abgeordneten
Auch Felix Schreiner (CDU) sagte auf unsere Anfrage: „Ich verstehe die Arroganz nicht, mit der die Bahn hier aufgetreten ist. Und die Haltung des Landesdenkmalamtes macht mich fassungslos.“ Es sei der entscheidende Fehler gewesen, dass das LDA im Laufe des Planfeststellungsverfahrens die sanierte Brücke nicht mehr als erhaltenswertes Kulturdenkmal habe einstufen wollen.
Kritisch beurteilt auch Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) die Denkmalschutz-Behörde: „Der für das Schicksal der alten Brücke unglückliche Verlauf hat seinen Ursprung in der Haltung des Landesdenkmalamtes, das mit der Troglösung den Verlust des Denkmalschutz-Status‘ besiegelte. Die hätten kooperativer sein müssen.“ Laut der SPD-Abgeordneten zeigt das Beispiel der Albbrucker Eisenbahnbrücke, wie wichtig es ist, bei Infrastrukturprojekten früh die Öffentlichkeit zu informieren. „Lieber eine Bürgerversammlung mehr als eine zuwenig.“
So geht es weiter
In den nächsten Monaten steht der Abriss der Brücke bevor. In ihrem aktuellen Streckenfahrplan für die Hochrheinstrecke, der an Bahnhöfen ausliegt, kündigt die Deutsche Bahn bereits Brückenarbeiten auf dem Abschnitt zwischen Bad Säckingen und Albbruck an. Zwischen dem 9. September und dem 25. Oktober wird die Bahnstrecke gesperrt und ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet.