Einst gehörte die Papierfabrik Albbruck zu den größten Arbeitsgebern in der Region. „Zum Schreiben und zum Druck – Papiere von Albbruck“, hieß der Slogan im zu Ende gehenden 20. Jahrhundet. Damit wurde auch der Name Albbruck nicht nur in ganz Deutschland bekannt, sondern auch über die Grenzen hinausgetragen.

Die Papierfabrik im Oktober 2009, nur drei Jahre vor ihrer Schließung. Dichte Dampfschwaden über dem Werksgelände zeigen an, dass hier ...
Die Papierfabrik im Oktober 2009, nur drei Jahre vor ihrer Schließung. Dichte Dampfschwaden über dem Werksgelände zeigen an, dass hier produziert wird. | Bild: Ellen Simon

Die Papierfabrik und Albbruck waren nach außen hin eins. Ganze Generationen von Familien verdienten in der „Papieri“ ihr Geld. Dort wo der Großvater einst arbeitete folgte der Vater und später dessen Kinder egal im Produktionsbereich, den Werkstätten und der Verwaltung. Als die Papierfabrik, die 1870 auf dem Gelände des ehemaligen Eisenhüttenwerks östlich der Alb gegründet wurde, noch ein Teil der Holzstoff AG Basel war, schien alles noch in Ordnung. In besten Zeiten war der Mitarbeiterstand auf über 800 Personen angestiegen.

Das weitgehend leegeräumte Areal der Papierfabrik im April 2019. Im Bildzentrum ist der noch komplett stehende gewaltige Bau des ...
Das weitgehend leegeräumte Areal der Papierfabrik im April 2019. Im Bildzentrum ist der noch komplett stehende gewaltige Bau des Kraftwerks zu erkennen, der im Augenblick zurückgebaut wird. Ganz unten der Rheinkanal. | Bild: Gerry Thönen

Als im Mai 1990 die Papierfabrik an den neuen finnischen Eigner Myllykoski überging, konnte sich niemand vorstellen, dass es diesen gewaltigen Industriekomplex einmal nicht mehr geben könnte. 1995 wurde das 125-jährige Jubiläum groß gefeiert. Voller Zuversicht blickten Vertreter aus Politik und Wirtschaft gemeinsam mit der Belegschaft in die Zukunft.

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Gewaltige Investitionen in Produktionsanlagen waren getätigt und immer wieder Veränderungen realisiert worden. Aus der ursprünglichen Ölversorgung der Energiezentrale kam die Umstellung auf Kohle. Waren es vorher die Ölzüge, die den Weg zu den nördlich der Bahnlinie gestandenen Öltanks nahmen, so waren es später die Kohlewaggons, die vom „Bähnle“, wie die Firmenlokomotive im Ort genannt wurde, zum Kohlebunker auf dem Betriebsareal südlich der Bahnunterführung gezogen wurden. Auch außerhalb des Firmengeländes war es zu Veränderungen gekommen. Die Hasengasse mit ihren Werkswohnungen wurde in den 1990er Jahren dem Erdboden gleichgemacht und das Gelände einer privater Bebauung zugeführt.

Bald schon wird auch der Rest des Kesselhaus esder ehemaligen Papierfabrik verschwunden sein und auch der 72 Meter hohe Kamin, lange so ...
Bald schon wird auch der Rest des Kesselhaus esder ehemaligen Papierfabrik verschwunden sein und auch der 72 Meter hohe Kamin, lange so etwas wie das Albbrucker Wahrzeichen, der der Vergangenheit angehören. | Bild: Doris Dehmel

Kaum mehr etwas in noch übriggeblieben von der Papierfabrik. Mit ihrem Verschwinden sei das Herz von Albbruck herausgerissen worden, so Bürgermeister Stefan Kaiser. Bis die letzten Teile des ehemaligen Kraftwerks verschwunden sind, dominiert immer noch der 72 Meter hohe Schornstein. Doch auch dieser wird bald der Vergangenheit angehören und mit seinem Verschwinden bei den ehemaligen Mitarbeitern weitere Erinnerungen auslöschen.

Mathias Munko wollte bis zum Eintritt in der Papierfabrik arbeiten, doch bereits nach 20 Jahren erlebte er wie seine Kollegen und ...
Mathias Munko wollte bis zum Eintritt in der Papierfabrik arbeiten, doch bereits nach 20 Jahren erlebte er wie seine Kollegen und Kolleginnen das endgültige Aus. | Bild: Doris Dehmel

So auch bei Matthias Munko, der 1991 von Berlin kommend in Süddeutschland die Basis für ein gutes Auskommen sah und in der Papierfabrik einen Arbeitsplatz fand. „Eigentlich wollte ich bis zum Eintritt in den Ruhestand in der Papierfabrik arbeiten“, war damals seine Vorstellung. Doch es kam alles anderes. Munko wollte sich auch nicht darauf verlassen 2012 aus der Auffanggesellschaft heraus einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Wie viele seiner Kollegen orientierte er sich sofort nach der Ankündigung der Werksschließung neu, wechselte zur Bahn und hat als Lokführer in wenigen Monaten sein Rentenalter erreicht.

Die Hasengasse mit den beiden Laborantenhäuser und dem zentralen Waschhäuschen wurden in den 1990er Jahren dem Erdboden gleichgemacht.
Die Hasengasse mit den beiden Laborantenhäuser und dem zentralen Waschhäuschen wurden in den 1990er Jahren dem Erdboden gleichgemacht. | Bild: Kurt Hoffmann/Gemeinde Albbruck

Über ein Jahrzehnt ist vergangen, seit die Papierfabrik aufgegeben wurde und in den Besitz der Karl-Gruppe überging. Das Areal entwickelte sich vom Produktionsstandort in eine Industriebrache zurück.

Das bevorstehende Jahrzehnt soll erneut Veränderungen bringen. Der bereits aufgestellte Entwurf für einen Bebauungsplan sieht an dieser Stelle ein neues Wohnquartier vor, das verschiedene Haustypen ebenso enthält wie Platz für die Gastronomie, eine entsprechende Anbindung an den Ortskern und an den Ortsteil Alb.

Das frühere Betriebsrestaurant, von allen Kantine genannt, war das erste Gebäude, an das die Karl-Gruppe nach 2012 die Spitzhacke ...
Das frühere Betriebsrestaurant, von allen Kantine genannt, war das erste Gebäude, an das die Karl-Gruppe nach 2012 die Spitzhacke anlegte. Eben werden die Schranken der Betriebsbahn geschlossen. | Bild: Kurt Hoffmann

Eine Verbindung zur ehemaligen Papierfabrik bleibt allerdings weiterhin bestehen. Die ehemalige mechanisch-chemische Kläranlage der Fabrik, in der auch kommunale Abwässer aus Albbruck, Görwihl, Dogern und dem schweizerischen Schwaderloch gereinigt wurden, wird derzeit zu einer der modernsten Anlage im Land umgebaut.

Bis dies allerdings in Gang kam, kamen die Verhandlungen zwischen der Gemeinde und der Karl-Gruppe immer wieder ins Stocken. Umso erfreulicher war dann im letzten Jahr die Zusage der Landesregierung, mit über 7 Millionen Euro das Projekt zu fördern. So will Albbruck im Abwasserbereich für den Bevölkerungszuwachs dann ebenso gut gerüstet sein wie für den Gesundheitspark am Rheinufer Richtung Albert.