Die Versorgung des Landkreises mit Haus- und Fachärzten wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verschlechtern – wenn die Kommunen nicht gegensteuern. Experten der Universitäten Tübingen und Lübeck haben im Auftrag des Landratsamts Waldshut die aktuelle Situation analysiert. Ihre Studie liefert besorgniserregende Ergebnisse.
- Hausarztversorgung: 90 Hausärzte praktizieren derzeit im Landkreis Waldshut – dies entspricht einer sehr niedrigen Versorgungsquote von 1721 Einwohnern pro Arzt. Im Ranking der Landkreise Baden-Württembergs liegt Waldshut damit am unteren Ende. Fünf Gemeinden im Kreis sind zum Untersuchungszeitpunkt mit einer Quote von über 3000 Einwohnern pro Arzt besonders unterversorgt: Wutöschingen, Rickenbach, Hohentengen, Albbruck und Weilheim. Fünf weitere Gemeinden haben gar keinen Hausarztsitz.
- Altersstruktur: Ebenso besorgniserregend ist die Altersstruktur der Mediziner: Fast die Hälfte der Hausärzte ist schon über 60 Jahre alt, knapp ein Drittel sogar über 65 Jahre. In den nächsten acht Jahren werden zwei Drittel der Ärzte das Rentenalter erreichen. Damit hat der Landkreis Waldshut die zweitälteste Ärzteschaft im Land. 28 der befragten Hausärzte kündigten in der Befragung an, in den nächsten sechs Jahre ihre Praxis aufgeben zu wollen. 24 von ihnen haben aber noch keinen Nachfolger. Die Hausärzte sehen das hohe Alter der Ärzteschaft selbst als großes Problem. Sie befürchten, dass "in naher Zukunft die Versorgung durch die verbleibenden Ärzte nicht in dieser Qualität aufrecht erhalten werden kann", heißt es in der Untersuchung.
- Praxisstruktur: In der ambulanten Hausarztversorgung überwiegen – wie im ländlichen Raum üblich – Einzelpraxen. Aufgrund von Praxisschließungen hat sich der Patientenstamm für die meisten Ärzte vergrößert, was wiederum zu einer höheren Arbeitsbelastung führt. Potential sieht die Studie für den Landkreis bei innovativen Versorgungsformen wie Ärztenetzen oder medizinische Versorgungszentren, die noch ausbaufähig seien. Auch telemedizinische Ansätze spielten bislang nur eine untergeordnete Rolle.
- Spezialisten: Als besonders prekär im spezialistischen Bereich wird die Situation der Gynäkologie bewertet. Offene Kassenarztsitze gibt es aber auch in den Bereichen Dermatolgie, Orthopädie und Kinder-/Jugendpsychiatrie. Befragte Patienten gaben zudem einen Bedarf an Chirurgen, Psychotherapeuten und Kardiologen an. Neben der hohen Altersetruktur der Fachärzte nennt die Studie als weiteres Problem die geographische Verteilung: Die meisten Fachärzte konzentrierten sich an der Rheinschiene sowie an den Randbezirken des Landkreises.
- Apotheken: Auf die Einwohnerzahl berechnet ist der Landkreis Waldshut mit 42 Apotheken leicht besser versorgt als der Landesschnitt, bei der flächendeckenden Versorgung hinkt er aber weit hinterher. Pro Quadratkilometer gibt es nur 0,4 Apotheken – nur halb so viel wie im Landesschnitt.
- Pflege: Die Auslastung der Pflegeheime liegt mit 86 Prozent etwa im Landesschnitt. Insgesamt gibt es im Kreis 27 stationäre Pflegeheime mit insgesamt 1795 Pflegheimplätzen. 2009 galten etwa 2,4 Prozent der Kreisbevölkerung als pflegbedürftig. Bis 2030 wird allerdings ein dramatischer Anstieg von 47 Prozent prognostiziert.
- Standortplanung für Hausarztpraxen: Ausführlich untersucht die Studie, wieviele Hausarztpraxen benötigt werden, damit innerhalb von 15 Minuten von jedem Ort im Kreis eine Praxis erreichbar ist: Mindestens sechs zusätzliche Standorte sind notwendig, die Studie empfiehlt bei sich ändernden Bedingungen eine tiefergehende Analyse.
Empfehlungen der Experten
Aus den Ergebnissen der Analyse wurden folgende Handlungsempfehlungen abgeleitet:
- Planungen sollten kommunenübergreifend stattfinden. Kleinräumigere „Gesundheitskonferenzen“ könnten dabei eine kommunale Gesundheitsplanung unterstützen. Bürgermeister sollten durch den Landkreis unterstützt werden.
- Regionale Initiativen zur Vernetzung und Zentrenbildung sollten durch die Kommunalpolitik ins Leben gerufen werden.
- Gemeinden können die Region für neue Ärzte attraktiver machen, indem z.B. eine Infrastruktur für Neuankömmlinge bereitgestellt wird. Außerdem soll sie Hilfe und Finanzierung bei der Immobiliensuche, günstige Bauplätze, günstige Mieten, Darlehen, Kinderbetreuung / Schulkind-Betreuung bieten.
- Die Kommune kann die Koordinationsfunktion für die regionale Gesundheitsversorgung übernehmen.
- Die Gemeinde kann die Trägerschaft eines medizinischen Versorgungszentrums übernehmen. Eine finanzielle Unterstützung bzw. Anschubfinanzierung kann die Bereitschaft zu Kooperationen und die dafür notwendigen Investitionen bei Ärzten fördern.
- Die Studie empfiehlt die Unterstützung der frühen Kontaktpflege mit Medizinstudierenden, die ursprünglich aus dem Landkreis kommen, sowie mit den Studierenden, die Praktika oder das Praktische Jahr im Landkreis absolvieren, kann den Bezug zum Landkreis erhalten oder herstellen.
- Praxen empfiehlt die Studie die Akkreditierung als Lehrpraxis und/oder PJ-Praxis an den Universitäten Freiburg oder Tübingen.
- Synergien können entstehen durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen (gemeinsames Personal und Praxismanagement, Gerätesharing).