Verena Wehrle

Folgendes Szenario passiert häufig: Seit mehreren Stunden ist ein Wanderer am Hochrhein unterwegs. Plötzlich stürzt er über eine Baumwurzel und verletzt sich schwer. Mitten im Wald. Allein. Er weiß nicht genau, wo er ist. So wie ihm, ging es schon vielen. Denn ein bis zwei Mal im Monat müssen die Retter des Roten Kreuzes im Kreis Waldshut ausrücken, um einen Verunglückten in freier Natur zu orten. Doch wie kann man in einer solchen Situation gefunden werden? Wie die Rettungsdienste hier vorgehen und was Wanderer zusätzlich für ihre eigene Sicherheit tun können, beschreiben uns Leitstellen-Leiter Patrick Frey und Bergwacht-Chef Manfred Maier.

Wie oft kommt es vor, dass Verunglückte nicht wissen, wo sie sind?

Laut Patrick Frey, Leiter der Leitstelle des DRK-Kreisverbandes Waldshut, kommt dies zehn bis 20 Mal im Jahr vor. „Im Winter sind es Skifahrer, die den falschen Hang runter fahren, im Sommer Wanderer, Mountainbiker oder Reiter im Wald„, so Frey. „Überwiegend sind davon Touristen betroffen, die sich nicht auskennen“, sagt Frey.

Nach einer Ortung erscheint die Position des Verunglückten direkt auf dem Bildschirm der Leistelle.
Nach einer Ortung erscheint die Position des Verunglückten direkt auf dem Bildschirm der Leistelle. | Bild: Verena Wehrle

Hingegen orte die Bergwacht Todtmoos nur selten Personen, so deren Vorsitzender Manfred Maier. Und das trotz ihres großen Dienstgebiets von 330 Quadratkilometern von Herrenschwand bis nach Laufenburg und Albbruck sowie bis nach Wallbach und Bad Säckingen. Auf dem Feldberg ist das Problem hingegen bekannter: Dort kommt es laut Bernhard Steinebrunner, Vorsitzender der Bergwacht Todtnau, aufgrund von Nebel mehrmals vor, dass Wintersportler gesucht werden müssen.

Markus Baumgartner, Einsatzleiter der Bergwacht Todtmoos, zeigt die Geräte, mit denen Verunglückte gefunden werden.
Markus Baumgartner, Einsatzleiter der Bergwacht Todtmoos, zeigt die Geräte, mit denen Verunglückte gefunden werden. | Bild: Verena Wehrle

Was können Ausflügler tun, um gefunden zu werden?

Die Rettungsdienste nutzen das System Rescue Track, eine Ortung per GPS. Somit ist es laut Frey vor allem wichtig, das der Wanderer mit einem GPS-fähigen Gerät unterwegs ist. Denn nur dann könne er seine Koordinaten übermitteln und schnell gerettet werden. Doch Frey hat noch mehr Tipps: „Ganz wichtig ist, dass man vor einem Ausflug jemandem sagt, wo man hingeht“. Und das Banalste: „In einem Notfall sollte man die 112 wählen – das wissen viele nicht“. Die 112 funktioniert auch unabhängig vom eigenen Handynetz. Sie wählt sich automatisch in das Netz ein, das vor Ort am stärksten ist. Doch ist keines der Netze verfügbar, ist man verloren. Hat der Verletzte kein GPS, kann er dem Rettungsdienst beschreiben, wo er sich befindet. Dabei helfen ihm die rund 10 000 Wanderschilder des Schwarzwaldvereins. Denn mit dem Namen des nächstgelegenen Schildes, können die Retter die Koordinaten schnell herausfinden.

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Was mache ich ohne Handynetz?

Ist kein Handynetz verfügbar, kann man zwar seine GPS-Koordinaten herausfinden, diese aber nicht weitergeben. Und gerade im Schwarzwald gibt es viele schwarze Löcher – also Orte ohne Handyempfang. Markus Baumgartner von der Bergwacht kennt diese nur zu gut, etwa zwischen Freiwaldkapelle Todtmoos bis zur Wehrhalde. „Ohne Handyempfang hat man ganz schlechte Karten, gefunden zu werden“, sagt Baumgartner. Denn dann könne man nicht einmal einen Notruf absetzen. Ist ein Verletzter in einem solchen Funkloch, müsse er – falls es ihm noch möglich ist – aus dem Tal herauslaufen bis er wieder Netz hat.

Markus Baumgartner und Manfred Maier (von links) von der Bergwacht Todtmoos wissen, dass bei einem Einsatz jede Minute zählt.
Markus Baumgartner und Manfred Maier (von links) von der Bergwacht Todtmoos wissen, dass bei einem Einsatz jede Minute zählt. | Bild: Verena Wehrle

Gibt es auch bei häuslichen Notfällen Probleme mit der Standortbestimmung?

Auch, wer zuhause einen Notruf absetzt, muss dafür sorgen, schnell gefunden zu werden. Denn: Jede Minute zählt. „Je besser die Angaben sind, je schneller die Hilfe“, sagt Patrick Frey vom DRK, der auch selbst Einsätze fährt. „Das fängt schon dabei an, dass die Hausnummer gut sichtbar ist.“ Er erzählt von Verspätungen der Einsatzkräfte, weil Hausnummern verdreckt, nachts nicht beleuchtet oder gar nicht vorhanden waren. „Vieles wird bei einem Notruf von der Leitstelle abgefragt, aber es wäre gut, wenn manches auch gleich gesagt wird“. Als Beispiel dafür nennt er einen Einsatz, bei dem es in einem Haus zwei voneinander getrennte Treppenhäuser gab und die Retter erst das eine und dann das andere hochliefen – jeweils bis in den vierten Stock. Das kostete unnötige Minuten.

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Apps und weitere Hilfen im Notfall

Im App-Store tummeln sich zahlreiche Notfall-Apps. Doch laut Markus Frey, Leitstellenleiter des DRK-Kreisverbands Waldshut, gebe es vom Land Bestrebungen, sich für eine oder zwei Apps zu entscheiden und diese auszubauen. Auch das DRK und die Bergwacht bieten Apps an. Darüber hinaus gibt es noch weitere Hilfen. Hier eine Auswahl:

  • Rescue Track: Das ist das System, das die Rettungsdienste nutzen. Ruft der Patient mit seinem Handy Retter zu Hilfe und weiß seinen genauen Standort nicht, schickt die Leitstelle ihm eine SMS. Bestätigt er diese, zeigt es auf dem Bildschirm der Leitstelle die Koordinaten des Patienten an. Und das bis auf zehn Meter genau. Ist der Standort an der Leitstelle angekommen, wird dieser direkt an das Navigationssystem des Einsatzfahrzeugs geschickt. Zusätzlich zu dieser GPS-Ortung kann der Verunglückte auch ein Foto von seinem Standort und von seiner Verletzung machen, damit die Einsatzkräfte sich ein Bild von der Situation machen können.
  • Whattsapp: Mit dieser Nachrichtenapp kann der aktuelle Standort verschickt werden.
  • Google Maps: Auch mit Google Maps können der Standort und eine Karte verschickt werden.
  • „Hilfe im Wald“ – App der Bergwacht: Diese App kann nicht nur die eigene GPS-Position weitergeben, sondern zusätzlich auch die Nummer der in der Nähe befindlichen Rettungspunkte, das sind die Anfahrtsstellen für Rettungsfahrzeuge.
  • DRK-Mobilruf: Im Notfall kann der Verunglückte „per Knopfdruck“ die DRK-Notrufzentrale alarmieren und erhält sofort Sprechkontakt. Sollte er nicht sprechen können, sieht die Zentrale den exakten Aufenthaltsort anhand der mitgesendeten Positionsdaten. Dann machen sich die Retter auf den Weg. Jeder hat die Möglichkeit, für einen Notfall auch seine medizinischen Daten zu hinterlegen.