Der Plan, die Gemeinschaftsausbildungsstätte der Textilindustrie (Gatex) von Bad Säckingen nach Reutlingen zu verlegen, wird immer konkreter: Bis 2021 möchte der Arbeitgeberverband Südwesttextil den Ausbildungsstandort an die dortige Hochschule angliedern und ein neues Ausbildungskonzept entwickeln, wie Geschäftsführer Peter Haas kürzlich dem SÜDKURIER erklärte.
Einstige Textilhochburg leidet unter Bedeutungsverlust
Haas begründete den Schritt auch mit dem Bedeutungsverlust der Textilbranche am Hochrhein, einst Hochburg auf diesem Gebiet. Für einige Politiker aus der Region kam diese Entscheidung dennoch überraschend.
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD)
Die Bundestagsabgeordnete sieht in der Entscheidung des Arbeitgeberverbandes eine Spätfolge des „harten Strukturwandels“, den die Textilbranche am Hochrhein in den vergangenen Jahrzehnten durchleben musste.
Ihrer Meinung nach trägt die Landesregierung in Stuttgart eine Teilschuld am heutigen Strukturproblem der Region: „Es ist traurig, dass sich die grün-geführte Landesregierung nicht frühzeitig um den Aufbau einer zukunftsfähigen Infrastruktur am Hochrhein kümmert“, so Schwarzelühr-Sutter. Beispiele dafür seien auch die Bahnelektrifizierung oder die Sanierung der Albtalstraße: „Außer warme Worte hat der ländliche Raum aus Stuttgart nichts zu erwarten“, lautet ihr Fazit.
Sabine Hartmann-Müller (CDU)

Die Landtagsabgeordnete hingegen sieht die Region trotz des Standortverlustes gut aufgestellt. „Am Hochrhein haben sich viele mittelständische Produktions- und Dienstleistungsunternehmen angesiedelt.“ Das gelte auch für die ländlicheren Gebiete im Südschwarzwald, wo insbesondere das traditionelle Handwerk verwurzelt sei. Dennoch sei die Verlagerung der Gatex „sehr schmerzlich“ für den Hochrhein: „Insbesondere, weil unsere Region einst als süddeutsches Zentrum der Textilindustrie galt.“
Dass dabei eine Hochschule im Landkreis Waldshut fehlt, um den Hochrhein als Bildungsstandort attraktiver zu gestalten, sieht auch die Landtagsabgeordnete: „Ich würde mir einen regionalen Hochschulstandort wünschen“, sagt Hartmann-Müller, ergänzt jedocht: „Die Bemühungen aus der Vergangenheit zeigen, dass dies kein leichtes Unterfangen ist.“ Tatsächlich zählt der Kreis Waldhut zu den drei Landkreisen in Baden-Württemberg, die entweder nicht im direkten Umland einer Großstadt liegen oder keine eigene Hochschule besitzen.
Felix Schreiner (CDU)

Der Bundestagsabgeordnete hat für eine Hochschule im Landkreis ebenfalls nur wenig Hoffnung: So habe er 2011 als Landtagsabgeordneter erfahren, dass die Zeit der Neugründungen „offenbar vorbei“ sei: „Sämtliche Vorstöße sind damals ins Leere gelaufen, was ich immer stark kritisiert und bedauert habe“, so Schreiner.
Trotzdem ist er sich sicher: „Wenn wir auch in Zukunft junge Menschen in der Region halten möchten, brauchen wir Angebote für die berufliche Aus- und Weiterbildung.“ Von der Entscheidung des Textilverbandes zeigt er sich deshalb überrascht: „Ich hätte mich gerne daran beteiligt, nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir diesen Ausbildungsstandort in Bad Säckingen halten und attraktiv machen können“, sagt Schreiner und stellt gleichzeitig fest: „Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass von der einstigen Textillandschaft Hochrhein nicht mehr viel übrig geblieben ist.“