Das Projekt Gesundheitscampus biegt – wider aller Unkenrufe – jetzt doch auf die Zielgerade ein. Dennoch ist das Projekt bis heute, fünf Jahre nach Schließung des Spitals, für viele Menschen noch immer nicht richtig greifbar.
Der Campus, was ist das eigentlich genau? Jeder weiß, da geht es irgendwie um Gesundheitsversorgung, und es kostet eine richtige Stange Geld. Aber was entsteht auf dem Areal des alten Krankenhauses in Bad Säckingen überhaupt? Wir wollen mehr Licht ins Dunkel bringen.
Was bedeutet sektorenübergreifende Versorgung?
Was den Campus auszeichnen soll, ist die „sektorenübergreifende Versorgung“ – ein vielzitiertes Schlagwort, mit dem kaum jemand etwas anfangen kann. Auf eine verständliche Formel gebracht, bedeutet es: Der Gesundheitscampus ist geplant als Einrichtung für ambulante medizinische Versorgung (Arztpraxen), Pflege (St. Marienhaus) und geriatrische Rehabilitation (Reha bei Altersgebrechen) – also drei Sektoren idealerweise unter einem Dach. Diese Sektoren in einer Einrichtung zu bündeln, ist das Neue und Modellhafte an dem Projekt.
Wer ist eigentlich Betreiber des Gesundheitscampus?
Die Gesundheitscampus GmbH betreibt das Campus-Gebäude (ehemaliges Spital), das derzeit für 38 Millionen Euro umgebaut. GmbH-Gesellschafter ist die Stadt Bad Säckingen. Die Campus GmbH verpachtet die Räumlichkeiten nach Baufertigstellung ab Herbst dieses Jahres an medizinische und pflegerische Dienstleister, wie etwa Ärzte, Labore, Apotheken, Pflegeheim etc. Durch die Mieteinnahmen soll der Betrieb kostendeckend laufen. Bei Vollbelegung geht die GmbH von Mieteinnahmen in Höhe von 1,2 Millionen Euro (Kaltmiete) aus.
Was ist ambulante medizinische Versorgung?
Der Gesundheitscampus wird im medizinischen Bereich keine stationären Krankenhausbetten vorhalten. Der Campus ist kein Krankenhaus, die Versorgung ist rein ambulant. Das heißt, es ist wie ein Besuch beim Hausarzt. Das Besondere ist jedoch, dass viele medizinische Fachrichtungen hier zusammengefasst sind. Der Kern dieses Sektors stellt deshalb das Ärztezentrum dar.
Das Ärztezentrum entsteht im Erdgeschoss des ehemaligen Spitals. Es wird sich in Summe auf 3700 Quadratmetern ausdehnen, zwölf Ärzte werden sich um die medizinische Betreuung der ambulanten Patienten kümmern.
Welche Ärzte praktizieren künftig im Campus?
Zu den Mietern im Ärztezentrum im EG gehört das Orthopädische Zentrum Bad Säckingen (OZBS) mit den Ärzten Tobias Noll, Oleg Mironov, Jens Bayer, Andreas Lange und Volodymyr Lopushniak. Diese ziehen aus den beengten Verhältnissen im Marienhaus auf den Campus. Dort entsteht auch ein Operationssaal für ambulante OPs. Dieser dürfte vor allem vom Orthopädischen Zentrum genutzt werden, das regelmäßig operative Eingriffe durchführt.
Ein weiterer großer Mieter wird das Medizinische Versorgungszentrum Bad Säckingen (MVZ). Das MVZ ist gewissermaßen eine Großpraxis, die als GmbH organisiert ist. Gesellschafter ist die Stadt Bad Säckingen. Zum MVZ gehören sieben Ärzte: Die Diabetologin und Internistin Anette Fenske, die beiden Allgemeinmedizinerinnen Alina Moraru und Sabine Johnstone, Rheumatologe Daniel Schlittenhardt (Chefarzt Rehaklinik) sowie die Gynäkologen Hummel, Neuhauser, Birk (derzeit noch externe Praxis).
Wer sind weitere Mieter?
Zu den künftigen Mieter gehören daneben die Park-Apotheke, das Sanitätshaus Schneider, das Labor Blessing, die Rehaklinik mit einem ambulanten Physiotherapie-Angebot sowie im Untergeschoss OM Catering Masur (in der ehemaligen Spitalküche). Neu als Mieter hinzugekommen sind unlängst die Podologiepraxis Müller sowie die Praxis für Hypnose von Kerstin Guhl.
Entgegen ursprünglicher Planung nicht mehr dabei sein werden die Kardiologen Lutz Sinn und Trudbert Layher sowie die Dermatologiepraxis Renkl und die Gynäkologin Sandra Behrndt.
Warum ist die Konzentration ärztlicher Versorgung sinnvoll?
Die Ballung ärztlicher Kompetenzen sorgt für kurze Wege und soll Synergie schaffen – wie beispielsweise einen gemeinsamen Servicepool und gemeinsame Verwaltung, die die Ärzte von Bürokratie entlasten solle. Dies trifft vor allem auf das MVZ zu, das als GmbH organisiert wird. Bedeutet: Die Ärzte im MVZ sind nicht selbstständig, sie sind bei der GmbH angestellt. Stichwort Ärztemangel: Das bringt Vorteile, von denen man sich langfristig die Sicherung ärztlicher Versorgung im Mittelzentrum Bad Säckingen verspricht.
Was sind die Vorteile größerer medizinischer Einheiten?
Experten sehen in größeren medizinische Versorgungseinheiten die Zukunft der ambulanten Gesundheitsversorgung. Die Ein-Personen-Landarztpraxis gilt als Auslaufmodell – schon mangels Interessenten. Das hat seinen Grund: Die Lebensplanung auch des medizinischen Nachwuchses sieht heute anders aus als beim klassischen Landarzt von einst. Der war seinerzeit zur jeder Tages- und Nachtzeit im Einsatz. Heute wollen auch niedergelassene Ärzte verständlicherweise einen geregelten Arbeitstag und ausreichend Zeit für die eigene Familie haben.
Eine Möglichkeit ist hier die Formel „Anstellung statt Selbstständigkeit“. Außerdem nimmt auch der Wunsch nach Teilzeitarbeit immer mehr zu. Ein Medizinisches Versorgungszentrum, wie im Bad Säckinger Fall eine als GmbH organisierte Großpraxis, kann solche Möglichkeiten bieten. Denn in Einheiten mit zahlreichen Medizinern lassen sich bei klaren Dienst- und Vertretungsplänen auch planbare Arbeitszeiten realisieren.
Kommt hinzu: Während selbstständige Mediziner zunehmend über Belastung durch Bürokratisierung klagen, soll das in einem MVZ idealerweise ein Verwaltungsteam um eine Praxismanagerin oder einen -manager übernehmen.
Der Gesundheitscampus. Was zuletzt geschah:
- Auf dem Campus tut sich was – noch dieses Jahr sollen hier wieder Patienten behandelt werden (16. März 2023)
- Hilfe für das Campus-Projekt kommt vom Landkreis (1. März 2023)
- Gesundheitscampus wieder auf dem Gleis (Februar 2023)
- Hausärztliche Notfallpraxis in Gefahr (Januar 2023)
- Jetzt übernehmen zwei Finanzfachleute (Dezember 2022)