Polizisten und ihre Arbeit werden in der Öffentlichkeit zur Zeit extrem kontrovers diskutiert. Bilder, die die Polizei prägen, könnten nicht unterschiedlicher sein: Polizeigewalt wie in Frankfurt auf der einen Seite, Szenen von Stuttgart auf der anderen, wo ein durchgeknallter Mob die Beamten massiv attackiert und Geschäfte plündert. Dann einerseits Polizisten, die mutmaßlich ein rechtes Netzwerk unterhalten und andererseits Beamten, die das Reichstagsgebäude mutig vor rechten Demonstranten schützen. Der Ruf, den die Polizei aktuell genießt, ist derart zwiespältig wie kaum zuvor. Und dazu schleicht sich noch ein anderes Phänomen ein: Der Respekt vor der Polizei erodiert.
Belastet das die Kollegen?
Eine Situation, die auch an den Beamten selber nicht spurlos vorübergeht, die sie teilweise auch verunsichert. Es betrifft ihren ganzen Berufsstand und beschäftigt die Frauen und Männer in Uniform deshalb – auch hier bei uns in der Region. Drei Beamte des Reviers Bad Säckingen waren bereit, ganz offen über die aktuelle Situation mit uns zu sprechen. Polizeikommissarin Lisa Schubert, 33 Jahre alt, Polizeihauptkommissar Ralf Eichkorn, 54 Jahre alt, und Revierleiter Albert Zeh, 59, berichten über das, was sie an dieser Diskussion auch über den Dienstschluss hinaus noch umtreibt.
Ist die Aggressivität gegen Polizisten gestiegen?
Alle drei sind nicht erst seit gestern bei der Polizei, Eichkorn und Zeh seit den 1980er Jahren, Lisa Schubert immerhin auch schon seit 14 Jahren. In einem sind sie sich einig: Ihre Arbeit hat sich stark verändert und das nicht in jedem Fall zum Besseren. Beispiel Wochenende: War früher Samstagnacht der Verkehrsunfall das Hauptgeschäft, sind es heute Ruhestörungen, Sachbeschädigungen, Randale, häusliche Gewalt. Das Problem: All dies sind Situationen, wo vor Ort bereits eine aggressive Atmosphäre herrscht. „Wir haben heute eine ganz andere Einsatzlage“, beschreibt Eichkorn. Früher sei ab 2 Uhr nachts Ruhe gewesen, „heute geht‘s da erst richtig los.“
Wo ist der Respekt geblieben?
Dass die Kommissare Schubert und Eichkorn auf Streife dann vor Ort zuweilen auf Anfeindungen und Respektlosigkeiten treffen, ist nicht ungewöhnlich. „Da hat sich in der Gesellschaft etwas komplett verändert“, resümiert Revierleiter Zeh. Das fange schon bei Jugendlichen an, ergänzt Eichkorn. „Sprichst Du mit einem alleine, dann ist das der Allerliebste“, aber im Rudel gehe jegliche Kinderstube verloren. Dazu kommt: Mit zunehmendem Alkoholpegel werde der Einsatz komplizierter, da werde auch schon mal die weibliche Kollegin aus der Gruppe heraus frauenfeindlich beleidigt oder hinter dem Rücken eine Flasche nach den Polizisten geworfen. „Aber dann will es keiner gewesen sein“, ergänzt Revierleiter Zeh.
Ist die Debatte über Polizeigewalt ein Thema unter den Kollegen?
Für die Beamten auf Streife sind aggressive Situationen nicht einfach: Beruhigend einwirken, deeskalieren und gleichzeitig Beleidigungen schlucken. Können da einem Kollegen mal die Nerven durchgehen? Die Bad Säckinger Beamten diskutieren natürlich intern auch über Polizeiübergriffe wie in Hamburg oder Frankfurt. Die Vorgänge selber wollen die Kommissare freilich nicht beurteilen. Aber aus ihrem eigenen Erfahrungskreis sagte Lisa Schubert: „In unserer Uniform steckt ein Mensch, wir gehen doch nicht mit der Absicht ran, einen Einsatz zu überziehen.“ Im Gegenteil sei sie selber ein „harmonischer Mensch“. „Wir wollen doch die Ruhestörung beenden und hoffen dabei auf die Einsicht der Personen.“
Da diese Einsicht offenbar nicht immer vorhanden ist, müssen auch Bad Säckinger Beamte mitunter unmittelbaren Zwang anwenden, also körperliche Gewalt. Lisa Schubert berichtet von einem Beispiel aus ihrer Einsatzerfahrung: Ein Betrunkener pöbelt Passanten an. Die Polizei kommt und will seine Personalien aufnehmen. Er weigert sich und wird immer aggressiver. Die Situation wird lauter, andere werden aufmerksam und solidarisieren sich mit dem Mann, obwohl sie keine Ahnung haben, um was es geht. „Da steht der Polizist plötzlich einer größeren Menge gegenüber. Und dann ist da immer noch einer, der sein Handy zückt und filmt“, berichtet Schubert.
Wie kommen Videos von Polizeizugriffen ins Netz?
Natürlich tauchten solche Videos auch online auf, sagt Eichkorn. Allerdings zeigten sie dann immer nur einen kleinen Ausschnitt und vermittelten einen falschen Eindruck, fügt Lisa Schubert hinzu. Es zeige nicht den Zeitraum, in dem die Beamten auf den Ruhestörer einredeten, versuchten zu beruhigen, es zeige nur den Moment der Eskalation – dann wenn der Mann überwältigt, fixiert und festgenommen wird. „Die ganze Entstehung der Situation wird nie gezeigt“, so Schubert, „das ist bei den so genannten sozialen Medien heute ein großes Problem.“
Die öffentliche Diskussion über Polizeigewalt sei für die Kollegen schwierig, schildert Revierleiter Zeh. Gerade jüngere Kollegen seien teils verunsichert und fragten sich: Was darf ich und was darf ich nicht? Zeh: „Das Schlimmste wäre, wenn dies dazu führt, lieber gar nicht einzuschreiten als sich möglicher Kritik auszusetzen.“ Natürlich sei die öffentliche Diskussion auch ein Thema im Revier. „Kollegen haben da auch schon mal das Gefühl, man kann es keinem mehr recht machen.
Für Lisa Schubert ist indessen klar: „Wenn ein Kollege in einem Einsatz überzieht, muss er dafür gerade stehen.“ Wenn so etwas vorkomme, dürfe dies aber nicht zu einem Generalverdacht gegen die Polizei als Ganzes führen. „Wir fühlen bei allem, was wir tun, einen permanenten Rechtfertigungsdruck. Dass Beamten schon vorab ein dauerndes Fehlverhalten unterstellt werde, sei für Menschen im Polizeidienst belastend. „Man darf ruhig etwas mehr Vertrauen in uns haben“, lächelt Lisa Schubert und Kollege Eichkorn fügt optimistisch hinzu: „Ich denke, die Mehrheit der Bevölkerung steht durchaus hinter uns.“
Ordnungspolitik muss auch in der politischen Mitte wieder mehr Ansehen genießen
Gleichwohl wünschen sich die Polizisten in der öffentlichen Diskussion und auch von der Politik mehr Rückhalt. Suspekt ist ihnen dabei, dass es am ehesten noch Lob aus der ganz rechten Ecke gibt. Deshalb dürfe das Thema Ordnungspolitik nicht dem rechten Parteienspektrum überlassen werden, sagen sie. Wertschätzung der polizeilichen Arbeit dürfe gerne auch häufiger aus der politischen Mitte und der anderen Ecke kommen.
Denn der Job werde zusehends schwieriger – wobei dies nicht nur die Polizei, sondern auch andere Einsatzkräfte betreffe, gibt Ralf Eichkorn zu bedenken. Der erodierende Respekt treffe heute auch Rettungssanitäter, Notärzte oder Feuerwehrleute. Aber grundsätzlich sei die Situation hier im Vergleich zu Ballungsräumen noch vergleichsweise ruhig. Gleichwohl seien die Veränderungen spürbar. Zeh: „Denn die Polizei ist an jenem Ende der Gesellschaft, an dem man solche Veränderungen als erstes spürt.“