Wegen Betrugs in 219 tateinheitlichen Fällen wurde eine 56-jährige Bad Säckingerin vom Amtsgericht Bad Säckingen zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zusätzlich muss sie eine Geldbuße in Höhe von 1000 Euro zugunsten des Tumorzentrums der Uniklinik Freiburg zahlen.

Was war geschehen?

Anfang 2022 hatte die gelernte Bankkauffrau einer unter anderem für den SÜDKURIER tätigen Journalistin eine mitleidsheischende Krankheitsgeschichte vorgegaukelt: Die Uniklinik Freiburg habe bei ihr Leukämie im Anfangsstadium diagnostiziert. Weil sie aber bereits bei einer Wirbelsäulen-OP Titan-Implantate bekommen habe, sei eine Knochenmarkspende ausgeschlossen, so die 56-Jährige damals.

Ärzte hätten ihr eine verbleibende Lebenszeit zwischen zwei Monaten und zwei Jahren diagnostiziert. Letzte Hoffnung sei nun ein Forschungsprojekt der Uni Basel, verbunden mit einer alternativen Therapie, die ihre Überlebenschancen um 80 Prozent erhöhe. Der Haken: Voraussetzung für die Teilnahme sei eine finanzielle Eigenbeteiligung von 8000 Schweizer Franken. Geld, das die berufsunfähige Frau nicht hatte.

Die Journalistin schrieb einen Artikel über die vermeintliche Notlage, verlangte von der 56-Jährigen aber Belege für die schlimme Diagnose sowie die verbindliche Zusage zum Basler Therapieangebot. „Anfangs hieß es, das sei kein Problem. Auf mehrere Nachfragen wurden die Ausreden immer komplizierter“, so die Journalistin, die im Prozess als Zeugin aussagte. „Mal hieß es, die Daten seien auf der Gesundheitskarte gespeichert und könnten nicht heruntergeladen werden, mal lagen sie bei der Uniklinik in Freiburg.“

Weil einige Details der Krankengeschichte aber durchaus plausibel waren – zumindest die Wirbelsäulen-OP hatte tatsächlich stattgefunden – und die Zeit bis zum Beginn der Therapie drängte, erschien Anfang Februar 2022 ein Artikel im Hochrheinanzeiger und auf SÜDKURIER Online über die vermeintliche Erkrankung der Frau und ihren Hilferuf. Innerhalb von nur zehn Tagen gingen auf einem eigens eingerichteten Spendenkonto insgesamt 219 Überweisungen ein – im Gesamtwert von satten 22.458 Euro.

Immer mehr Zweifel kommen auf

Erste Zweifel kamen der Journalistin, als ihr die 56-Jährige in der Folge mehrere widersprüchliche Geschichten auftischte, die sich bei eingehender Recherche als falsch herausstellten. Die Journalistin hakte daraufhin auch bei der Uni Basel nach und stellte fest, dass es ein solches Forschungsprojekt nicht gab und für Krebstherapien auch bewusst keine finanzielle Eigenbeteiligung verlangt werde.

SÜDKURIER Online und der Hochrheinanzeiger berichtete umgehend von den erheblichen Zweifeln. Um einen finanziellen Schaden bei den Spendern abzuwenden, wurde veranlasst, dass die Spendengelder sofort eingefroren wurden.

„Ich hatte nie die Absicht, jemanden zu betrügen“, behauptete die Angeklagte vor Gericht und tischte – wie Amtsrichter Jan Meents es nannte, eine weitere „abenteuerliche Geschichte“ auf. Sie habe zum Zeitpunkt des Interviews tatsächlich eine Leukämie-Diagnose gehabt, allerdings nicht von ihrem Hausarzt oder der Uniklinik, sondern von einer angeblichen Ärztin, die sie beim Spazierengehen kennen gelernt habe. Diese soll angeblich in einer Säckinger Klinik gearbeitet haben, wo sie sie die Angeklagte auch zu einer Blutentnahme einbestellt habe. Erst viele Wochen später habe sie festgestellt, dass es diese Ärztin gar nicht gibt, behauptete die Angeklagte vor Gericht.

Reihe von Widersprüchen

„Da stimmt vieles vorne und hinten nicht“, so der Richter, der in der Vernehmung der Frau eine ganze Reihe Widersprüche aufdeckte: Weder habe sie eine Krankenkassenkarte vorlegen müssen, noch habe es einen Arztbrief oder schriftliche Blutwerte gegeben. Dass die Frau die Klinik ohne Corona-Test betreten haben will und auch der Empfang nicht besetzt gewesen sei, sorgte beim Richter für weiteres Kopfschütteln. Auch ein Motiv der angeblichen Ärztin fehle. „Die Geschichte ist so schlecht, dass sie schon wieder gut ist“, so Meents. „Das ist in keiner Weise nachvollziehbar“, so das Fazit des Richters im Urteil.

„Wollen Sie es nicht einfach zugeben? Das würde sich strafmindernd auswirken“, hatte der Amtsrichter noch vor den Plädoyers an die Angeklagte appelliert, ein Geständnis abzulegen. Doch davon wollte die 56-Jährige nichts wissen: „Ich möchte es jetzt nur noch aus der Welt haben. Da muss ich jetzt in den sauren Apfel beißen und mich Betrügerin nennen lassen.“ Den Schuldspruch akzeptierte sie noch im Gerichtssaal.

Mit seinem Urteil von acht Monaten auf Bewährung ging Amtsrichter Meents sogar noch zwei Monate über das geforderte Strafmaß von Staatsanwalt Fleiner hinaus und begründete dies, wie die Angeklagte selbst im Gerichtssaal noch bewusst die Unwahrheit gesagt habe und „von einer Diagnose berichtet, die es nie gab“. Sie habe die Gutmütigkeit und das Mitleid von ahnungslosen Menschen ausgenutzt, so der Richter.

Spender erhalten ihr Geld zurück

Für die 219 hilfsbereiten Spender hatte der Richter in seinem Urteil eine gute Nachricht: Sie bekommen ihre Überweisungen in den nächsten Wochen zurückerstattet. Der Schaden kann wieder gutgemacht werden, da durch das frühzeitige Einfrieren des Kontos die gesamte Summe noch vorhanden ist.