Wenn am Sonntag, 9. März, das 6-Uhr-Geläut des Münsters zur Fridolinsprozession in Bad Säckingen ruft, wird auch die 1752 in Waldshut gegossene Fridolinsglocke zu hören sein – gemeinsam mit sechs weiteren Glocken, die seit 1952 im Nordturm der Kirche hängen. Sie ersetzen dort vier Glocken, die 1913 und 1938 von der Glockengießerei Grüninger in Villingen gegossen wurden. Im Zweiten Weltkrieg mussten diese für die Zwecke der Rüstungsindustrie abgeliefert werden und wurden eingeschmolzen.

Kirchenglocken und Denkmäler als Rohstoff für die Kriegsführung
Den Hintergrund bildete eine Anweisung des NS-Regimes in Berlin vom 15. März 1940, dass sämtliche Kirchenglocken im Land als Rohstoff für die Kriegsführung auszuliefern seien. Alleine das Erzbistum Freiburg musste rund 2600 Glocken abliefern, 84 Prozent davon gingen verloren – sie wurden hauptsächlich in zwei Hüttenwerken in Hamburg eingeschmolzen. Doch nicht nur der Verlust zehntausender von Glocken war in ganz Deutschland zu beklagen – aufgrund einer Anordnung Hermann Görings vom 23. Februar 1940 fielen auch zahlreiche Denkmäler und Kunstwerke dem „Zwecke der Kriegsführung“ zum Opfer.

Für die katholische Kirchengemeinde in Säckingen bedeutete dies, dass sie am 11. Mai 1940 ihre Münsterglocken der Kirchenbehörde mitzuteilen hatte. Die Stadt Säckingen wiederum meldete am 6. August 1940 neben dem 1900/1901 geschaffenen Scheffeldenkmal des Künstlers Joseph Wilhelm Menges (1856-1916) auf dem Münsterplatz das ebenfalls von Menges geschaffene Kriegerdenkmal aus dem Jahre 1896 – im November 1941 wurden sie auf Anordnung von Bürgermeister August Kuner im Rahmen einer „Metallspende des deutschen Volkes“ abgerissen. Einzig die erhaltene Scheffelbüste sollte im Laufe des Winters im Schlosspark aufgestellt werden, die Trompeterstatue ging hingegen verloren.

Nur eine Glocke blieb 1942 im St. Fridolinsmünster zurück
Die Sammlung kriegswichtiger Metalle durch den Kreishandwerksmeister begann auf Anordnung von Landrat Franz Schühly (1887 bis 1961) im Landkreis Säckingen im Dezember 1941. Laut erhaltenen Kirchenunterlagen ging am 18. Dezember 1942 ein Waggon mir drei Glocken aus dem Nordturm sowie der nur 100 Kilogramm schweren Glocke aus dem Dachreiterturm des Münsters über die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Zimmermeister nach Hamburg – im Nordturm verblieb als sogenannte „Läuteglocke“ vermutlich die 450 Kilogramm schwere Glocke aus dem Jahre 1913.

Am 10. Januar 1943 wurde dann die als künstlerisch wertvoll eingestufte Fridolinsglocke an einen Glockenfriedhof in einem Holzlager im Hamburger Freihafen gesandt, die übrigen gingen direkt an ein Hüttenwerk in Hamburg und wurden dort eingeschmolzen.
Was geschah mit der Fridolinsglocke im Krieg?
Das weitere Schicksal der Glocke über den Krieg hinaus schildert ein Brief des in Hamburg-Billbrook ansässigen Wergfabrikanten Josef Röslin an Stadtpfarrer Hugo Herrmann (1893 bis 1985) vom 3. März 1948. Der aus einer Bad Säckinger Gastwirtsfamilie stammende Röslin nennt in diesem im Bad Säckinger Kirchenarchiv überlieferten Schreiben die Kunsthistorikerin „Fräulein Dr. Rotthauwe, eine Dame in den 50iger-Jahren“ als Retterin der Glocke – und müsse der Aussage widersprechen, „die Rückkehr der Glocke sei mein Verdienst“. Als Beauftragte des Kultusministeriums in Berlin habe sich vielmehr Rotthauwe „in den letzten sechs Jahren viele Mühen um die Glocken gemacht“. Sie sei in Hamburg „trotz Wind und Wetter, selbst bei großen Luftangriffen, unverdrossen um ihre Glockenkinder besorgt“ gewesen – nach dem Kriegsende habe sie „hungernd und frierend, weil ausgebombt, für die Glocken weiter gesorgt“.

Tatsächlich, so Röslin weiter, sei es ihr sogar schon 1944 gelungen, die Glocke für die Rückführung an den Hochrhein freizubekommen, was jedoch an den mangelhaften Transportmöglichkeiten im Kriege gescheitert sei. Dank gebühre zudem den Geschäftsführern des Holzlagers im Freihafen, hätten diese die Glocke doch aus dem großen Glockenfriedhof herausgenommen und separat gelagert – bei den schweren Bombenangriffen auf Hamburg im Jahre 1943, die auch den Glockenfriedhof trafen, wäre sie sonst „vernichtet worden.“
1948 kehrt die Fridolinsglocke in den Südturm des Münsters zurück
Dass Münster und Fridolinsglocke für die Menschen am Hochrhein eine Einheit bilden, zeigt eine Äußerung von Stadtpfarrer Hugo Herrmann gegenüber dem Südwestfunk von 16. Dezember 1946. Darin beschreibt er das Münster als „das schönste Kleinod kirchlicher Architektur am Oberrhein“ – mit seinem „wunderbaren Geläute“ habe es bis zum 18. Dezember 1942 die Stadt und ihre Umgebung vom Schweizer Fricktal bis zu den Höhen des Hotzenwaldes erfreut. Nun harre sie in der Nähe von Hamburg auf ihre Rückkehr.

Nach der Freigabe der Kirchenglocken durch die Militärbehörden Anfang 1947 übernahm ein im selben Jahr gegründeter Ausschuss die Arbeiten für die Rückführung von rund 14.000 erhaltenen Glocken. Schon am 14. Februar fragte Stadtpfarrer Herrmann besorgt nach den Aussichten für die Rückführung: „Die Kirchenbehörde hat Nachricht, dass unsere große Glocke bei Hamburg liegt; aber sonst regt sich nichts.“ Am 23. Dezember teilte ihm schließlich das Erzbischöfliche Dekanat in Rheinfelden-Baden mit, dass die Fridolinsglocke in Bälde im Umschlaghafen in Karlsruhe einträfe: „Möchten Sie doch bald nach dem Fest in den Besitz der Glocke gelangen und möchte diese als Friedensglocke über Berg und Tal schallen.“

Ein Wunsch, der schon bald in Erfüllung ging – bereits am 26. Januar 1948 konnte Herrmann die „Quittung für den Empfang unserer Fridolinsglocke“ ausstellen. In einem feierlichen Akt, begleitet von Stadtmusik und Münsterchor, wurde sie am 15. Februar 1948 zum St. Fridolinsmünster gebracht – um rechtzeitig am 7. März zur Fridolinsprozession mit ihrem vertrauten Klang zu läuten.

Für den Nordturm wurden 1952 sechs neue Glocken gegossen
Schon Ende des Jahres 1949 begannen in der Kirchengemeinde um Pfarrer Herrmann die Planungen für die Anschaffung neuer Glocken für den Nordturm. Wurde zunächst noch die Anschaffung von drei neuen Glocken erwogen, bot die beauftragte Glockengießerei Heidelberg von Friedrich Wilhelm Schilling im Jahre 1950 bereits die Lieferung von fünf neuen Glocken an – am 16. Juli 1952 erteilte ihm Stadtpfarrer Herrmann schließlich den Auftrag für den Guss von sechs Glocken.

Schilling konnte dem Katholischen Pfarramt bereits am 24. September mitteilen, „dass die sechs Glocken für das St. Fridolinsmünster in Ton und Guss ausgezeichnet gelungen seien“ – am 26. Oktober wurden sie im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes durch den einstigen ungarischen Armeebischof Stephanus Hàsz (1884 bis 1973) geweiht. Die im Nordturm erhaltene Glocke aus dem Jahr 1913 wurde im Dezember 1952 an die Glockengießerei Heidelberg übersandt. Vermutlich wurde sie dort für den Guss neuer Glocken eingeschmolzen.