Bernau „Wo ich nahe, wo ich lande…“ heißt die Ausstellung im Hans Thoma-Museum in Bernau. Nicolas Poignon, 1963 in Nancy geboren, studierte in Paris und Brüssel und lebt und arbeitet heute in Berlin. Er malt hauptsächlich Landschaften, auch Stadtlandschaften und Stillleben, mit Kohle, Silberstift und Ölfarben, zudem fertigt er Zeichnungen und Linolschnitte. Menschen wird man in seinen Bildern vergeblich suchen.

Für die Bernauer Ausstellung wurden ausschließlich Kohle- und Silberstift-Zeichnungen ausgewählt, in denen Naturstimmungen vorherrschen. Für seine Zeichnungen fertigt Nicolas Poignon Skizzen an, die er im Atelier ausarbeitet. Dabei gehe es ihm nicht um Realismus, um möglichst wirklichkeitsgetreue Abbildungen der Landschaft, obwohl seine Zeichnungen durchaus auch als gekonnt belichtete Schwarz-Weiß-Fotografien durchgehen könnten. Sondern darum, wie Jürgen Glocker es bei der Vernissage ausdrückte, „im Mittelpunkt steht Verzauberung“. Poignons Blick verschränkt Außen und Innen. Die Konfrontation mit einem Stück Natur und die vor Ort entstandenen Skizzen geben den Impuls für innere Bilder, die im Künstler aufsteigen und die er am Ende aufs Papier bringt – letztlich Seelenlandschaften.

Faszinierende Mystik

Damit steht sein Werk quer zur technisierten, digitalisierten, von Hektik geprägten Welt. Poignon spürt dem Lebensgefühl nach, drückt die Sehnsucht nach einem unverfälschten Dasein aus. Er knüpft nicht nur an die Bildwelt des 19. Jahrhunderts an, entscheidend ist das meditative Moment im Schaffen. Er konzentriert sich auf wenige Motive. In der Bernauer Präsentation sind dies Wege, Bäume und Wasser. Diese teilweise mystischen Motive würden ausgezeichnet zu Bernau passen, so Museumsleiterin Margret Köpfer. Die sanft ansteigenden, von Bäumen gesäumten Wiesen könnten überall auf dem Weidberg sein und manches ist tatsächlich auch wiederzuerkennen, etwa der Weg zum Bödele.

Licht spielt eine entscheidende Rolle bei Poignon und nicht selten scheint sich ein leichter Schleier zwischen Bild und Betrachter zu legen, der eine verzauberte Atmosphäre schafft. Aus diesen Unschärferelationen, so Glocker, resultiere der ästhetische, der poetische Reiz, das Staunenswerte und Faszinierende an Poignons Werken, das über die Brillanz seines handwerklichen Könnens Hinausgehende.

„Die numinosen Schleier und das genial in Szene gesetzte Halblicht signalisieren, was zu verlieren droht. Und weisen zugleich Wege zu uns selbst“, wie es Jürgen Glocker im Flyer zur Ausstellung formuliert. So entstehen Bilder wie die große Kohlezeichnung eines Waldes, in der der Künstler zur Erhöhung des Kontrastes Pastellkreiden mit einbezieht und deren hell leuchtender Bildhintergrund einen geheimnisvollen Sog entwickelt, der den Betrachter förmlich in das Bild hineinzieht – ganz im Sinne des Titels der Ausstellung.

Manche Darstellungen streifen das Abstrakte, die Landschaften werden quasi unkörperlich. Dieser Zug von Poignons Werken wird besonders deutlich in den im Kabinett gezeigten Silberstiftzeichnungen. Das ist eine besondere Technik, die Poignon als einer von ganz wenigen Künstlern heute noch beherrscht. Bereits in der Antike bekannt, erlebte diese Technik eine Blüte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, aufgegriffen wurde sie wieder im 20. Jahrhundert bei Vertretern der neuen Sachlichkeit.

Poignon stellt seine Silberstifte aus altem Silberbesteck her, indem er den Zinken einer Gabel auf einen Bleistifthalter montiert. Der Zinken wird abgerundet, um das Papier nicht zu verletzen, und aus demselben Grund wird das Papier mit Gouache grundiert. So entstehen duftig leichte, nebelumwobene Landschaften.

Die Ausstellung geht bis 6. Juli. Öffnungszeiten: mittwochs bis freitags, 10.30 bis 12¦Uhr und 14 bis 17 Uhr, Samstag/Sonntag/Feiertage von 11.30 bis 17 Uhr.