40 Jahre Austausch mit der Broughton High School – das wird am letzten Wochenende im März die Realschule am Bildungszentrum Bonndorf mit englischen Gästen feiern. Es dürfte eine der am längsten bestehenden Partnerschaften zwischen einer englischen und einer baden-württembergischen Schule sein. Der Termin für die Feier ist derweil schicksalhaft. Just an jenem Wochenende ist nämlich der Brexit vorgesehen. Großbritannien verlässt dann, wie auch immer, die Europäische Union. Ob und wie sich das auf den Austausch auswirkt, vermag derzeit niemand zu sagen. Englischlehrerin Theresia Schwenninger schildert im Gespräch die Entwicklung des Schüleraustauschs.
Austausch schon in den 70er Jahren
Tatsächlich reicht der Schüleraustausch zwischen Preston und Bonndorf sogar länger als 40 Jahre zurück. Der einstige Realschulrektor Ludwig Kaul war mit englischen Kollegen befreundet, die er dereinst beim Studium in England kennen gelernt hatte. Seine anglophile Begeisterung führte dazu, dass Ludwig Kaul bereits Mitte der 1970er Jahre gemeinsam mit einer ehemaligen Studienkollegin einen ersten Austausch mit der Moor Park Highschool in Preston organisierte. In welchem Jahr dies genau war, ist nicht bekannt. Hauptsächlich für die englischen Eltern war der Austausch zu jener Zeit eine sehr kostspielige Angelegenheit. Daher hielt sich deren Interesse an dergestalt internationaler Freundschaftspflege wohl in Grenzen.

Polly Parker, die damals den Austausch auf englischer Seite organisierte, wechselte einige Zeit später zur Broughton High School. Das sollte der Beginn einer Jahrzehnte währenden Partnerschaft sein. Ludwig Kaul hatte für seine Schüler immer interessante Programmpunkte parat, schließlich war Großbritannien so etwas wie seine zweite Heimat. Sogar nach Gretna Green, dem schottischen Ort, der während der Hippie-Zeit als Heiratseldorado bekannt war, fuhr er mit den Schwarzwäldern. Und auch die Stippvisite in London war für die Bonndorfer immer wieder Höhepunkt ihrer Reise nach England. Eine Zeitlang war der Besuch des Stadtteils Camden-Town der Knüller, kannten die Bonndorfer Schüler diesen doch aus dem Englischbuch.
Lehrer und Schulleiter wechselten im Lauf der Zeit auf beiden Seiten mehrfach, doch am Schüleraustausch wurde festgehalten. An Stolpersteinen fehlte es währenddessen nie, der Austausch stand mehr als einmal auf der Kippe, erinnert sich Theresia Schwenninger. Mal war er durch die Rinderwahnsinn-Hysterie gefährdet, mal durch die Sorge, die Gäste aus England könnten großflächig den Maul-und-Klauenseuche Erreger im Schwarzwald verteilen. Schreckliche Bilder von Tierkadavern seien 2001 in Zeitungen und im Fernsehen gezeigt worden, da hätten die Landwirte in der Region Angst bekommen, die Seuche könnte hierher übertragen werden.
Losen, wer nach England darf
Aber auch der Verwaltungsaufwand auf englischer Seite ufert immer mehr aus. Mit zunehmenden Auflagen will man behördlicherseits die Sicherheit der Schüler garantieren. Polizeiliche Führungszeugnisse der Gastfamilien sollen gewährleisten, dass die Teenager dort nicht Gefahr laufen, sexuell missbraucht zu werden. Zeitweilig schien der Austausch aber auch am mangelnden Interesse der Schüler zu scheitern. Zuweilen wollte kaum mehr als ein Dutzend englische Gäste in den Schwarzwald. In Bonndorf hingegen musste manchmal ausgelost werden, wer überhaupt nach England durfte.
In den Anfangsjahren fuhren die Bonndorfer Schüler noch mit dem Zug oder Bus nach Preston. Busunternehmerin Karin Vesenmayer erinnert sich noch gut die erste Fahrt nach England. Als Zweitfahrerin begleitete sie ihren Mann Heinz, als der 1984 zum ersten Mal mit dem Bus in Großbritannien war. Mit dem Linksverkehr sei ihr Mann rasch zu Recht gekommen. Ihr hingegen nahm man bei einer Routinekontrolle partout nicht ab, dass auch sie den Busführerschein hat und ihren Mann als Zweitfahrerin ablösen könnte. Sie erinnert sich noch daran, dass die Reisegruppe vom damaligen Bürgermeister Peter Folkerts sowie dessen Frau Regina begleitet wurde und deren beider guter Freund Lord Dahrendorf die Bonndorfer in London begrüßte. Dass Karin und Heinz Vesenmayer kein Englisch konnten, erwies sich nur einmal als Problem, als sie sich nämlich verlaufen und den Anschluss an die Gruppe verloren hatten.
Erst mit dem Bus, dann mit dem Flugzeug
Für die begleitenden Lehrkräfte hatten die Fahrten mit dem Bus derweil den Vorteil, dass sie großzügig Einkäufe tätigen konnten. In früheren Jahren war nämlich vieles in England noch deutlich günstiger zu haben als hier, seien dies Antiquitäten oder edle Maßanzüge. „Mit der Bahn hingegen war die Planung immer extrem schwierig. Die Fahrt dauerte, je nachdem wie schwer die Herbststürme während des Übersetzens mit der Fähre tobten, bis zu 27 Stunden“, schildert Theresia Schwenninger ihre Erfahrungen.
Irgendwann stieg man aufs Flugzeug um. Doch auch mit den Billigfluglinien gab es so manche Unwägbarkeiten. Allein das Zeitfenster, bis 25 Passagiere online eingebucht waren, sei viel zu kurz bemessen gewesen. Einmal vergaß eine Fluggesellschaft mitzuteilen, dass der Flug gestrichen worden war. „Das war mir mit der Zeit zu nervenaufreibend. Jetzt buchen wir über ein Reisebüro“, sagt die Englischlehrerin.
Bei einem Besuch bleibt es nicht
Die lang anhaltende Partnerschaft zwischen den Schulen lebt freilich in erster Linie von den persönlichen Beziehungen. Etliche Lehrer der Realschule pflegten und pflegen heute noch engen Kontakt mit ihren englischen Kollegen, auch wenn sie längst pensioniert sind. Freundschaften fürs Leben sind so entstanden. Ganz bewusst wurden immer wieder auch Kollegen in den Austausch integriert, die gar kein Englisch unterrichteten. Manche davon waren aus ihrer eigenen Schulzeit altsprachlich geprägt, konnten sich also gar nicht englisch verständigen.
Doch der Austausch war damit auf sehr viele Schultern verteilt, die im gemeinsamen Bemühen sämtliche Klippen meisterten, die das Projekt zwischenzeitlich gefährdeten. Auch manche Austauschteilnehmer pflegen ihre Kontakte dauerhaft. Zwei Familien verbrachten sogar gemeinsame Urlaube in Griechenland, da ihre Kinder und auch die Eltern sich auf Anhieb gut verstanden. Immer wieder kam es auch vor, dass Schüler ihren Aufenthalt verlängerten oder nach dem ersten Besuch ein weiteres Mal in ihre Gastfamilie wollten.
Austausch auch nach dem Brexit
Auch wenn Großbritannien die Europäische Union nun verlässt, steht für die Pädagogen auf beiden Seiten außer Frage, dass die Begegnung zwischen englischen und deutschen Jugendlichen weiter erhalten und gefördert werden muss. „Die Engländer sind ganz anders als wir und genau diese Erfahrung brauchen die Jugendlichen. Das fördert Toleranz und Freundschaft zwischen den Nationen“, ist Theresia Schwenninger überzeugt. Sinnträchtig wird zum Jubiläum ein Freundschaftsbaum im jeweils anderen Schulgarten gepflanzt.
Aufruf
Wer noch alte Fotos oder interessante Geschichten vom Englandaustausch hat, wird gebeten, diese für die 40-Jahr-Feier des Schüleraustauschs zur Verfügung zu stellen. Kontakt per E-Mail (schwenninger.theresia@bzbonndorf.de) oder Telefon 07703/935 81 00.