Nicolai Kapitz

Die Tage waren vermutlich etwas stressig für Sie, Herr Frey. Am Dienstag waren Sie mit Ihrer Lebensgefährtin Azadeh Falakshahi in Stuttgart beim SWR live im Fernsehen, um über das Thema Brexit zu sprechen, gleichzeitig entschied sich das britische Unterhaus gegen den von der Regierung vorgeschlagenen Brexit-Deal mit der EU...

Ja, wir hatten viel zu tun. Wir waren viel unterwegs. Jetzt sind wir gerade in Lörrach.

Wie läuft denn der Food-Truck, den „Herman ze German“ im März 2018 in Lörrach eröffnet hat?

Das läuft wirklich sehr gut. Und wir sind gerade sehr froh, dass wir hier Fuß gefasst haben. Denn je nachdem, was auf der Insel mit dem Brexit auf uns zukommt, ist das Geschäft in Südbaden, das wir auch ausbauen wollen, ein weiteres Standbein. Wir müssen uns natürlich bei einem Brexit mit seinen Folgen überlegen, ob wir in England eine Zukunft haben. Und wir machen uns schon Gedanken darüber, ob wir unsere weiteren Expansionspläne mit „Herman ze German“ in England, oder doch in Süddeutschland und in der Schweiz verfolgen. Das wäre natürlich schade, weil wir uns in den letzten zehn Jahren in London alles aufgebaut haben, wir haben hier unsere Freunde und unser Umfeld. Eigentlich wollen wir nicht zurück – aber wir müssen uns vorbereiten.

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Nun wurde Theresa Mays Brexit-Deal mit der EU vom Parlament deutlich abgelehnt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Wir waren eigentlich ganz froh darüber. Denn jetzt gibt es nur noch zwei Optionen: Entweder es gibt einen harten Brexit oder keinen Brexit. Und weil wir hoffen, dass der Brexit ausfällt, sind wir mit der Ablehnung dieses Deals eigentlich nicht unglücklich. Jetzt ist der Weg frei für Neuwahlen und vielleicht ein zweites Referendum. Ich denke, dass auch die Brexit-Befürworter einen geregelten Austritt wollen. Nur die richtigen Hardliner wollen auf Teufel komm raus den unbedingten Brexit. Wir hoffen, dass es da eine Lösung gibt und der Austritt noch einmal verzögert oder sogar verhindert wird.

Wie nehmen Sie denn die Stimmung unter Bekannten und unter Bewohnern in London wahr?

Aus unserem englischen Freundeskreis will niemand den Brexit. Aber witzigerweise wollen ihn die Eltern vieler Freunde. Da gibt es Geschichten über Weihnachtsfeiern, die im Streit und mit Geheule geendet haben, weil jemand wütend gegangen ist. Es ist wirklich ein totaler Gegensatz zwischen der jungen und der älteren Generation. Freunde von uns berichten, wie sie darunter leiden, dass ihnen die ältere Generation mit dem Brexit die Zukunft versaut. Das ist schon brutal. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es noch sehr lange dauert, bis die Auswirkungen eines Brexits spürbar werden. Da sind viele, die den Austritt jetzt unbedingt wollen, gar nicht mehr am Leben.

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Nehmen Sie als in London lebender Deutscher und EU-Bürger irgendeine Veränderung im Verhalten Ihnen gegenüber wahr?

Nein, überhaupt nicht. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass wir in London leben, die Stadt ist absolut multikulturell. Wären wir in Liverpool oder auf dem Land zuhause, würden wir das vielleicht spüren.

Je nach Art des Brexits wird es für EU-Bürger Folgen geben. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Wir haben uns beworben für die „Residency Card“, die kann man beantragen, wenn man fünf Jahre in England gelebt hat. Das ist der erste Schritt für den englischen Pass. Wir wollen uns einbürgern lassen.

Bleibt das auch Ihr Plan, wenn der Brexit für „Herman ze German“ zum Problem wird? Auf welche Schwierigkeiten bereiten Sie sich vor?

Es wird oft der Import genannt. Ich glaube nicht, dass wir mit der Einfuhr von Waren – zum Beispiel von Bratwürsten, die wir aus Steinen beziehen, – ein Problem bekommen. England ist eine Insel, die wird immer vom Import abhängen. Wenn da Zölle erhoben werden, dann muss unsere Konkurrenz mit dem gleichen Problem leben, der Konkurrenzkampf bleibt eigentlich der gleiche.

Was für uns wirklich zum Problem wird, ist die Personalsituation. Vor dem Brexit-Referendum hatten wir auf eine offene Stelle, zum Beispiel im Service, schnell um die 50 Bewerber. Da konnten wir uns gute Leute aussuchen. Inzwischen bekommen wir noch zehn Bewerber, und von diesen zehn hätten wir vor drei Jahren niemanden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Viele sprechen weder Englisch noch Deutsch oder wollen in der Jogginghose zur Arbeit kommen. Darunter leidet der Service und die Reklamationen häufen sich.

Wenn es jetzt einen harten Brexit gibt, verschärft sich das nochmal. Und natürlich hätte ein Brexit Auswirkungen auf die Wirtschaft in England, gerade auf den Bankensektor. Wenn die Kaufkraft schwindet, dann sehen auch die Perspektiven für uns nicht mehr so gut aus.

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Wie reagieren Sie darauf?

Wir spielen verschiedene Varianten durch. Eine davon ist, in London nur noch einen gut laufenden Laden zu behalten und uns komplett auf das Geschäft in der Schweiz und in Süddeutschland zu konzentrieren. Wir haben momentan fünf Filialen, vier in London und eine in Birmingham. Wir planen erst einmal keine weiteren Läden in England, auch weil wir hier mit hohen Mieterhöhungen zu tun haben. Gut möglich, dass die nächsten Läden in Süddeutschland eröffnet werden. Wir haben in Lörrach mit dem Food-Truck ein sehr gut funktionierendes Konzept und suchen weitere Läden, im Dreieck zwischen Stuttgart, Konstanz und Zürich.

Gibt es irgendwann mal einen „Herman“ in Schopfheim?

(lacht): Erst einmal wahrscheinlich nicht.