Landwirte sprechen von finanziellen Schäden in sechsstelliger Höhe und einem kompletten Ernteausfall nach den Unwettern der vergangenen Tage. Bereits jetzt steht fest, dass Futter und Stroh zugekauft werden müssen, wobei auch auf diesem Markt die Preisspirale steil nach oben zeigt.
Vor allem Felder bei Boll, Richtung Münchingen und Bonndorf, aber auch am Galgenbuck und Lindenbuck sowie Richtung Wellendingen sind betroffen. Nicht alle geschädigten Landwirte haben eine Hagelversicherung. Doch es wäre ein Irrglaube, dass diejenigen, die Versicherungsschutz haben, ihren tatsächlich entstandenen Schaden komplett ersetzt bekommen. Bei den meisten Landwirten waren mittlerweile Schätzer der Versicherungsgesellschaften zur Begutachtung vor Ort.
„Der Schaden wird erfahrungsgemäß nicht auf 100 Prozent geschätzt“, sagt Fridolin Dietsche aus Wellendingen. Zudem verhält es sich so, dass Landwirte beim jeweiligen Abschluss der Versicherung im Frühjahr selbst den Versicherungswert angeben. „Im März waren die Preise für Futtermittel deutlich niedriger als jetzt. Seither sind die Märkte preislich explodiert und die Preise exorbitant gestiegen.
Felder werden begutachtet
Auch wenn man großzügig gerechnet hat, ist man unterversichert“, beschreibt Philipp Käppeler aus Boll die Situation. Die Versicherungen gehen überdies davon aus, dass Mais, der bis zum 20. Juni zerstört wird, nachgesät wird. Nun wird jedes Feld einzeln begutachtet, ob diese Option besteht. In tiefen Höhenlagen wäre das gar nicht so kritisch.
In den Höhenlagen des Schwarzwalds indes ist nicht unbedingt gewährleistet, dass Mais, der erst Ende Juni gesät wird, überhaupt noch in guter Qualität erntereif wird – ganz abgesehen vom zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand für eine zweite Saat. Philipp Käppeler bestellte erneut Maissaatgut zu einem fünfstelligen Geldbetrag, ohne sicher sein zu können, dass der überhaupt noch erntereif wird.
Boll wurde besonders hart getroffen. Die Getreideernte wurde komplett vernichtet. Auch Energiepflanzen und Grünland, ja, sogar Gebäudeteile der Familie Käppeler wurden zerstört. Die Tiere seien wild brüllend im Stall herumgerast, als der Hagel auf das Dach prasselte.
„100 Hektar Ackerkulturen waren mit einem Schlag weg, ebenso der zweite Schnitt. Dadurch fehlen uns 100 Kubikmeter Grassilage. So etwas hat Boll noch nie erlebt.“ Aus den Worten des Landwirts klingen Mutlosigkeit, Trauer und Wut. Denn eigentlich waren die Aussichten auf eine Rekordernte so gut wie lange nicht mehr. Sowohl Temperaturen als auch Niederschlagsmenge waren nach trockenen Jahren erfolgversprechend. Binnen einer Viertelstunde war dieser Traum zerstört – nur wenige Wochen vor der Ernte.
Fridolin Dietsche aus Wellendingen schätzt, dass die Hälfte bis drei Viertel seiner Jahresernte zerstört wurde. Der junge Landwirt ist nach diesem Unwetter reichlich konsterniert. „Es macht einen traurig, wenn man kämpft und oftmals bis in die Nacht hinein schafft, sich auf eine gute Ernte freut und am Ende so etwas erlebt.“ Auf Dietsches Feldern wurden Weizen, Winter- und Sommergerste, Triticale, Futtererbsen, Mais und Ackerfutter zerstört. Dinkel ist ein Totalausfall.
Für Biolandwirte ist indes der Zukauf von Futter schier unbezahlbar. Ein anderer Landwirt hatte bisher gar keine Hagelversicherung. Sein Vater und Großvater meinten, das brauche es nicht, da nie alle Felder gleichzeitig getroffen würden. Bisher hatten die beiden recht. Nun hat dieser Landwirt auf mehreren Feldern 90 Prozent Ausfall. Er wird wohl eine Hagelversicherung abschließen.
Zerstörerische Wucht ist neu
Hagelschäden gab es gleichwohl immer schon. Dass sie aber so großflächig und mit solch zerstörerischer Wucht auftreten, ist neu. Nach diesem Hagel können Landwirte geknicktes Getreide noch nicht einmal stehen lassen, um Stroh zu ernten. Pilzbefall und Fäulnis drohen.
Was geht, wird also gehäckselt und unter das Silofutter gemischt. Manches wird jedoch untergepflügt werden müssen. Wobei die Äcker und Wiesen im Moment derart nass sind, dass sie kaum befahren werden können.

Mit nicht geplantem Kosten- und Arbeitsaufwand werden demnächst Ackerfutter, Gründünger oder Bienenweiden angesät. Denn die Felder müssen allein schon aus Gründen des Erosionsschutzes bepflanzt werden.
„Es wird leider immer wieder vergessen, dass Landwirte aufs Wetter angewiesen sind. Natürlich interessiert es an den weltweiten Börsen nicht, ob in Bonndorf die Getreideernte verhagelt wurde. Aber man muss davon ausgehen, dass in der Region das Futter knapp wird und die Preise steigen“, bilanziert zerknirscht Philipp Käppeler. Auch wenn das Unwetter für jeden einzelnen Betroffenen ein Fiasko ist, es muss weitergehen. Unmittelbar vor dem Gespräch hatte Philipp Käppeler denn auch 60 Hektar Getreidestroh bestellt.