„Windkraft in Herrischried. Das geht uns alle an“ – unter diesem Slogan hatten die acht Aktivisten der Bürgerinitiative Ödland in Herrischried zu einer Informationsveranstaltung über Gefahren und Risiken von Windkraft am Samstagabend in die Rotmooshalle geladen. Über 200 Interessierte folgten dem Aufruf der Windkraftgegner und wurden Zeugen einer denkwürdigen Veranstaltung.

Worum ging es bei der Informationsveranstaltung?

Deren Hintergrund bildete der am 23. Februar bevorstehende Bürgerentscheid über einen Beschluss des Gemeinderates Herrischried vom 22. Juli 2024. Darin hatte das Gremium einem sogenannten Flächenpooling zugestimmt – also dem Zusammenschluss privater und öffentlicher Eigner von Flächen in sogenannten Vorranggebieten für die Errichtung von Windkraftanlagen. Beim Bürgerentscheid können die Stimmberechtigten darüber abstimmen, ob auch Flächen der Gemeinde Herrischried in diesen Pool eingebracht werden.

Tobias Berger (links) und Manuel Gerspach aus Herrischried besuchen die Informationsveranstaltung, „da man viel hört und wissen möchte, ...
Tobias Berger (links) und Manuel Gerspach aus Herrischried besuchen die Informationsveranstaltung, „da man viel hört und wissen möchte, worum es bei dem Bürgerentscheid geht“, erklärt Berger. | Bild: Alexander Jaser

„Ich möchte mich informieren, man hört viel und ich möchte wissen, worum es beim Bürgerentscheid geht“ – mit diesen Worten begründete Tobias Berger aus Herrischried seine Teilnahme an der Veranstaltung – wer jedoch eine ausgewogene Darstellung von Pro und Contra zum Einsatz der Windenergie erwartet hatte, sah sich bald enttäuscht. Gab doch bereits der Moderator des Abends, der Chemiker Dirk Cremer aus Herrischried, mit einem Statement die Richtung vor: „Irgendwann sickerte es durch, dass aus unserem Luftkurort so etwas wie ein Industriepark werden soll. Da habe ich begonnen, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, erklärte er bei der Begrüßung des Publikums.

Eine Stoßrichtung, der sich der erste Referent des Abends, der Jurist Werner Wojtascheck aus Schluchsee, anschloss. Mit zahlreichen Bildern illustrierte er die Rodungs- und Baumaßnahmen zur Errichtung von Windkraftanlagen, postulierte die Gefahr eines von ihnen ausgehenden Infraschalls und den „Lärm-Terror auf dem Land.“ Mit seinem Zweifel an einer nachhaltigen Senkung der CO2-Emissionen durch Windkraftanlagen oder der Klage über scheinbar fehlende Konzepte für Energiespeicheranlagen setzte er seinen Parforceritt gegen die Errichtung von Windkraftanlagen fort – und ließ seine einleitenden Worte wahr werden: „Ich gehe nicht sehr in die Tiefe, sondern gebe nur einen Überblick.“

Die beiden Referenten auf der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative Ödland: Werner Wojtascheck (links) und Dieter Böhme.
Die beiden Referenten auf der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative Ödland: Werner Wojtascheck (links) und Dieter Böhme. | Bild: Alexander Jaser

Einen anderen Ansatz wählte der zweite Referent des Abends, der Diplom-Physiker Dieter Böhme aus Thüringen. „Ich betrachte das Thema von der Physik her, also anders als es die Medien machen, denn wenn man rechnet, schaut man als Physiker in einen Abgrund“, führte er einleitend aus.

Mit einer Großzahl von Schaubildern etwa zu Stromerzeugung und Stromlast, Dunkelflauten und Blackout-Gefahren, den „gigantischen Flächenbedarf von Windkraft“ oder Formeln zu kinetischer Energie bewegter Luft ließ auch er keinen Zweifel an seinem Urteil aufkommen – gipfelnd in der These, „pro Quadratmeter Oberfläche eines Windrades können Sie eine 40 Watt-Glühbirne betreiben. Dann steht Deutschland voller Windräder, um die Energiewende zu machen.“

Auch Gemeinderat Manfred Krüger aus Herrischried gehört zu den Besuchern der Veranstaltung der Bürgerinitiative Ödland. „Als Gemeinderat ...
Auch Gemeinderat Manfred Krüger aus Herrischried gehört zu den Besuchern der Veranstaltung der Bürgerinitiative Ödland. „Als Gemeinderat möchte ich mir nicht den Vorwurf machen lassen, ich hätte mich nicht informiert“, erklärte er. | Bild: Alexander Jaser

Dass an seinen Erkenntnissen kein Zweifel bestehe, ließ er das Publikum ausdrücklich wissen: „Das wird ihnen sonst niemand sagen, außer mir, und ich nehme kein Geld dafür.“ Böhme warf einen Blick in die USA: „Es wird dort mit der neuen Regierung Trump keinen Ausbau der Windkraft mehr geben.“

In der Fragerunde setzt sich der Populismus durch

Eine Botschaft, die auf den abschließenden Teil des Informationsabends abfärbte – die Fragerunde für das Publikum. Die wenigen Fragen nutzten Wojtascheck und Böhme, nunmehr unterstützt von dem aus Thüringen angereisten Osteopathen und Windkraftgegner Andreas Schuster, zu einem fein abgestimmten Wechselspiel der Polemik gegen Politik, Wirtschaft und Medien.

Wer hier auf die Anerkennung politischer Mehrheiten oder einen konstruktiven Dialog gehofft hatte, sah sich von Wojtascheck anders belehrt: „Keine Gemeinde muss das Einverständnis zu Vorranggebieten erteilen. Aber die nicken das ab. Der Mensch unterscheidet sich aber vom Tier nicht nur durch den Verstand, sondern auch durch den aufrechten Gang, aber dafür braucht man Rückgrat“, erklärte der Jurist unter großem Beifall des Publikums.

Herrischrieds Bürgermeister Christian Dröse besuchte ebenfalls die Veranstaltung der Bürgerinitiative. Eine Stellungnahme zu den ...
Herrischrieds Bürgermeister Christian Dröse besuchte ebenfalls die Veranstaltung der Bürgerinitiative. Eine Stellungnahme zu den schweren Vorwürfen gegen die Verantwortungsträger in der Kommunalpolitik gab er nicht ab. | Bild: Alexander Jaser

Worum es bei der Errichtung der Windräder auf dem Hotzenwald eigentlich gehe, schob er sogleich nach: „Wenn jemand eine Fläche verpachten möchte, kann er das ja machen. Aber dann soll er auch sagen, worum es geht, nämlich ums Geld.“ Eine Stimmungslage, die Schuster nutzte, um mit überschlagender Stimme die Rolle der kommunalen Ämter und Gremien im politischen Prozess neu zu definieren: „Ein Bürgermeister ist nur Botschafter des Bürgerwillens und mehr nicht, und für den hat er zu sorgen – von unten nach oben funktioniert Demokratie und nicht von oben nach unten!“

Andreas Schuster, Osteopath und Windkraftgegner aus Erfurt, greift spontan in die Fragerunde auf der Informationsveranstaltung ein – und ...
Andreas Schuster, Osteopath und Windkraftgegner aus Erfurt, greift spontan in die Fragerunde auf der Informationsveranstaltung ein – und muss von Moderator Dirk Cremer zur Mäßigung aufgerufen werden. | Bild: Alexander Jaser

Ein Zuspiel, das Böhme gerne annahm: „Das Wort Ökostrom ist ein reiner Marketingbegriff. Die Politik sagt, wir machen weiter, bis es kein zurück mehr gibt.“ Eine Entwicklung, die nur ausgehebelt werden könne, wenn bei den nächsten Bundestagswahlen jene gewählt würden, die einhielten, was sie versprächen – was von den aktuellen Akteuren nicht zu erwarten sei. Eine Argumentationskette, die den Physiker schließlich zur Gleichsetzung der Festnahme des Corona-Leugners Michael Ballweg in Deutschland mit der Inhaftierung politischer Gefangener in China führte.

Wer kritisch nachfragt, wird zurechtgewiesen

Wer sie dennoch kritisch nachfragte, wie Elena Butz, die sich zu alternativen Energiequellen bekannte und nach sinnvollen Energieformen jenseits fossiler Energieträger fragte, wurde von Wojtascheck glatt abgebügelt: „Ich bin ja eigentlich ein ziemlich ruhiger Typ, aber ich erwarte schon, dass Sie Erkenntnisse, die ich hier mitteile, auch wahrnehmen“, beschied er der Frau aus Haltingen gereizt.

Peter Kermisch, Gemeinderat aus Rickenbach, hat bereits im Vorfeld der Veranstaltung der Bürgerinitiative Ödland deren ...
Peter Kermisch, Gemeinderat aus Rickenbach, hat bereits im Vorfeld der Veranstaltung der Bürgerinitiative Ödland deren Informationspolitik kritisiert. | Bild: Alexander Jaser

Ein Auftreten, das auch Gemeinderat Peter Kermisch aus Rickenbach gegenüber dem SÜDKURIER deutlich werden ließ: „Meine Vermutung ist, dass bei diesem Thema weniger auf der Sachebene diskutiert wird, sondern dass es sich eher um Ideologien handelt. Doch falsche Thesen werden auch durch mehrmaliges Wiederholen nicht richtig.“

Wie geht es auf dem Hotzenwald beim Thema Windkraft weiter?

Eine Veranstaltung also, die ein sorgsames Abwägen der Argumente für und gegen Windenergie in einem offenen Dialog vermissen ließ. Sie bot vielmehr zwei Windkraftgegnern mit ihren hinlänglich bekannten Vorträgen eine Bühne gegen alternative Energien und für populistische Parolen – die mancher Besucher zuletzt wohl als unappetitlich empfand, wie die sich immer weiter lichtenden Stuhlreihen zeigten. Eine Veranstaltung, die aber auch einen Ausblick auf die Zukunft gab: Verkündete doch Moderator Dirk Cremer zum Abschluss der Veranstaltung, dass auch in Rickenbach und Görwihl Bürgerinitiativen gegen die Errichtung von Windkraftanlagen in Planung seien.

Maikel Schmähling, mit Bernd Kühnel Sprecher der Bürgerinitiative Ödland, hält diese für gänzlich unpolitisch – zu Rückfragen des ...
Maikel Schmähling, mit Bernd Kühnel Sprecher der Bürgerinitiative Ödland, hält diese für gänzlich unpolitisch – zu Rückfragen des SÜDKURIER nach seiner politischen Ausrichtung gibt er keine Auskunft. | Bild: Alexander Jaser

Eine abschließende Erklärung von Maikel Schmähling, einem der Sprecher der Bürgerinitiative Ödland, gab einen Ausblick auf deren weiteres Vorgehen: „Wenn die Windräder dennoch gebaut werden sollen, macht die Bürgerinitiative weiter. Wir setzen auf eine Verzögerungstaktik und es weiteren weitere Bürgerbegehren folgen, zum Beispiel gegen den Ausbau von Zufahrten zu den Anlagen“, erklärte er gegenüber dem SÜDKURIER.