In der Zürcher Weinlandgemeinde Rheinau werden seit drei Jahren naturtrübe Biere gebraut. Seit 1893 gibt es in der Jestetter Nachbargemeinde unmittelbar neben dem über 400 Jahre alten Klosterkeller der ehemaligen Benediktinerabtei das Restaurant „Augarten“, das über fünf Generationen von der Familie Fischer geführt wurde.

Weil sich keine Nachfolger mehr fanden, gründete Lukas Riedo vor fünf Jahren die „Augarten AG“ und baute das Gebäude von Grund neu auf. In diesem Zuge wurde auch eine vollautomatische Bierbrauerei eines unterfränkischen Unternehmens eingebaut. Als besondere Attraktion wurde das Sudhaus in den Speisesaal integriert, wo es eine gepflegte Brauhausatmosphäre vermittelt. Seit November 2020 ist der Stühlinger Braumeister Kai Isele für den guten Geschmack des Gerstensafts verantwortlich.

Vor eineinhalb Jahren haben Anica (25) und Nicole (27) Schmid das Restaurant übernommen. Die beiden Schwestern sind auf einem Bauernhof im Appenzell aufgewachsen und setzen nach ihrem Slogan „Jung, frisch, regional und vom eigenen Hof“ ausschließlich auf Schweizer Produkte. Das Rindfleisch kommt aus der Region, Lamm- und Schweinefleisch vom Hof der Eltern.
Der erste Bierbrauer im Braugarten war Marco Maier, ein einheimischer Hobbybrauer. Seit 2017 braute Maier fast professionell etwa 10.000 Liter Bier im Jahr, das über den Schanktisch oder die Rampe verkauft wurde. Der 43-jährige Familienvater konnte sein Hobby auf Dauer mit seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Elektrotechniker aber zeitlich nicht mehr vereinbaren. Mit Kai Isele aus dem Stühlinger Ortsteil Bettmaringen hat die Braugarten AG im November 2020 einen geeigneten Nachfolger gefunden.
Der Brau- und Malzmeister hält sich beim Bierbrauen überwiegend an das alte deutsche Reinheitsgebot, das für Bier lediglich die Rohstoffe Hopfen, Malz, Hefe und Wasser vorsieht.

Der 35-Jährige möchte bei seiner Arbeit die Richtung der jungen Restaurantbetreiberinnen einschlagen und künftig auch einheimische Rohstoffe verarbeiten. Im Gegensatz zu Deutschland ist der Hopfenanbau in der Schweiz mit einer Anbaufläche von weniger als 20 Hektar eine sehr kleine Nische. Laut dem Schweizer Brauerei-Verband kommen nur zehn Prozent des verarbeiteten Hopfens aus dem Inland, beim Malz dürfte es nicht einmal ein Prozent sein.

Kai Isele bemerkte, dass in der unmittelbaren Nachbarschaft in Stammheim (Zürich) und bei der Kartause Ittingen (Thurgau) Hopfen wächst und in Lenzburg (Aargau) die erste große Mälzerei der Schweiz gebaut werden soll.
In Verbindung mit dem „Augarten“ will Isele auch Führungen und Bierseminare anbieten und den in Vergessenheit geratenen Rampenverkauf wieder aktivieren, obwohl die Schweizer Grenzgemeinde eher für ihre lange Weinbautradition bekannt ist. In der ehemaligen Benediktinerabtei wurde nicht wie in anderen Klöster Bier gebraut, sondern Wein getrunken und damit auch im großen Stil gehandelt. Die Mönche lebten nach der alten Benediktinerregel ora et labora, bete und arbeite. Neben der Landwirtschaft wurde für den Unterhalt des Klosters auch Weinbau betrieben.
Die kirchlichen Zinsabgaben wurden in Form von Wein entgegen genommen und der Wein aus Jestetten und Altenburg bezogen, wo im 19. Jahrhundert rund 180 Hektar Reben angebaut wurden. Weil früher mehr Wert auf Quantität als auf Qualität gelegt wurde, entstanden daraus rund 300.000 Liter Wein. Im Jahr 1862 wurde die Abtei aufgehoben. Mit der Aufhebung des Rheinauer Klosters ging der Jestetter Weinbau stetig zurück.

Heute sind die Reben in Jestetten bis auf ein paar Wingert einiger Hobbywinzer vollständig verschwunden. Was geblieben ist, sind die Weintraube und das Rebenmesser im Gemeindewappen.