
Die aktuellen Zahlen sind eindeutig: Die zweite Welle, von der lange Zeit die Rede war, ist am Hochrhein angekommen und sie übertrifft alle Befürchtungen. Wobei: Von einer „Welle“ kann auf der Grafik kaum die Rede sein, es ist vielmehr eine „Wand“, so steil steigen die Kurven an. Und zwar auf beiden Seiten des Rheins. Wir haben die die Daten der Landkreise Lörrach und Waldshut sowie der Kantone Basel (Stadt), Baselland, Aargau und Schaffhausen zusammen getragen. Um sie vergleichbar zu machen, haben wir jeweils den 7-Tagen-Inzidenzwert errechnet.
Unsere Grafik zeigt die Entwicklung der 7-Tage-Inzidenz seit Beginn der Pandemie Anfang März:

Vor allem im Vergleich zur ersten Welle im März/April wirkt der aktuelle Anstieg bedrohlich – allerdings ist dieser Vergleich mit Vorsicht zu genießen: Gerade zu Beginn der Pandemie war die Testkapazität sehr beschränkt, eine unbekannte, aber vermutlich große Zahl von symptomlosen Infektionen blieb deshalb unentdeckt. Wie hoch diese Dunkelziffer war, lässt sich nur schwer abschätzen. Ein Indikator könnte die Zahl der schweren Verläufe und Todesfälle sein, die der ersten Infektionswelle aber erst mit einiger zeitlicher Verzögerung folgte.

Hier könnte die Entwicklung der nächsten Wochen Aufschluss geben. Aus der Grafik lassen sich dennoch einige Erkenntnisse ableiten.
1. Deutsche Landkreise erreicht die Infektionswelle mit zehntägiger Verzögerung
Sowohl im Frühling als auch im Herbst ist der Anstieg der Infektionszahlen zunächst in der Schweiz spürbar, erst mit einem Abstand von zehn bis 14 Tagen steigen die Zahlen auch in den Kreisen Lörrach und Waldshut an.
Zum Vergleich: Der Höhepunkt der „ersten Welle“ wurde in der Stadt Basel am Mittwoch, 25. März, erreicht, in den Landkreisen Lörrach und Waldshut knapp zwei Wochen später, am Montag, 6. April. Ähnlich im Herbst, als der – in Deutschland maßgebliche – wichtige Inzidenz-Grenzwert von 50 in der Stadt Basel am 12. Oktober erstmals überschritten wurde. Es folgten die Kantone Aargau (12. Oktober), Baselland (13. Oktober) und Schaffhausen (17. Oktober). Erst zehn, beziehungsweise 13 Tage nach Basel wurde der Schwellenwert in Lörrach (22. Oktober) und Waldshut (25. Oktober) gerissen.

Dass sich die Infektionen zunächst in der Schweiz häuften, bedeutet aber nicht zwingend, dass die Welle von der Schweiz nach Deutschland schwappte oder gar, dass die Infektionswelle von Schweizern nach Deutschland getragen wurde.
Die Verzögerung ist vielmehr mit einem Stadt-Land-Gefälle erklärbar, wie er auch in deutschen Großstädten feststellbar ist: In der Stadt Basel als internationaler Metropolregion und Handelszentrum verbreitet sich ein Virus natürlich viel leichter als im ländlichen Raum. Ein lebendiger Kulturbetrieb und ein großes Gastronomie- und Freizeit-Angebot sorgen dafür, dass die persönlichen Kontakte jedes einzelnen vielfältiger sind als in kleineren Orten. Es ist eine Binsenweisheit: Die Wahrscheinlichkeit von Superspreader-Events in einer Discothek oder einem Club sinkt natürlich erheblich, wenn es, wie in den Orten am deutschen Hochrhein, nur wenige Clubs gibt.
2. Die Zahlen werden wohl zunächst weiter ansteigen
Aus der zeitlichen Verzögerung der Infektionsfälle zwischen Kantonen und Landkreisen lässt sich durchaus die künftige Entwicklung prognostizieren.

Um es plakativ zu sagen: Wer wissen will, wie es in zwei Wochen am deutschen Hochrhein aussieht, muss auf den heutigen Inzidenzwert von Basel schauen. Daraus folgt die nächste Erkenntnis:
3. Es ist dringend notwendig, die persönlichen Kontakte einzuschränken
Auch wenn die Fälle mit schweren Symptomen derzeit noch die Ausnahme sind: Mit dem Anstieg der positiven Tests werden auch sie wieder zunehmen. Der Inzidenzwert steigt auf beiden Seiten des Rheins derzeit so stark an, dass die Situation auch für die Krankenhäuser bald wieder bedrohlich werden kann, weil die Fallzahlen und schwere Krankheitsfälle außer Kontrolle geraten.
Es muss sich also etwas ändern. Sonst brechen wir nicht die Welle, sondern fahren an die Wand.
Die gute Nachricht zum Schluss:
4. Die Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben zeigen Wirkung
Gerade das schnelle Abklingen der Infektionskurve im Frühling macht Hoffnung: Anfang Mai, also gerade einmal sechs Wochen nach dem ersten „Lockdown“, wurden sowohl in den Kantonen als auch in den Landkreisen kaum noch Neuinfektionen registriert. Die Welle war gebrochen. Welche Maßnahmen letztlich die Welle eindämmten, lässt sich allerdings nur schwer sagen.