Es war die Nachricht, die 2020 eine der bedeutsamsten und folgenreichsten in unserer Region war: Am 16. März 2020 wurden die Grenzen zur Schweiz geschlossen. Es folgte eine Zeit, in der deutlicher wurde als wohl jemals zuvor, wie eng die deutsche und die Schweizer Seite des Hochrheins miteinander verwoben sind – wirtschaftlich, infrastrukturell und vor allem auch menschlich. „Eine Region in zwei Ländern“ – die damalige Situation am Hochrhein hat gezeigt, welch radikaler Einschnitt die Entscheidung der beiden Bundesregierungen tatsächlich war.

Absperrungen und Flatterband: Die Grenzen sind zu

Der Grenzübergang von Rheinheim nach Bad Zurzach ist geschlossen.
Der Grenzübergang von Rheinheim nach Bad Zurzach ist geschlossen. | Bild: Edinger, Gerald
Die Holzbrücke ist das Wahrzeichen der Stadt Bad Säckingen. Doch es ist nicht mehr möglich sie zu Fuß oder mit dem Rad zu überqueren um ...
Die Holzbrücke ist das Wahrzeichen der Stadt Bad Säckingen. Doch es ist nicht mehr möglich sie zu Fuß oder mit dem Rad zu überqueren um in die Schweiz zu gelangen. | Bild: Baier, Markus

Die Bilder der abgesperrten Grenzübergänge im Landkreis Waldshut werden wohl unvergessen bleiben, ebenso wie die im Nachbarkreis Lörrach.

Zollamt Riehen-Weilstraße.
Zollamt Riehen-Weilstraße. | Bild: Christof Meyer

Und wie die Grenzübergänge jeweils auf der Schweizer Seite aussahen, können Sie hier noch einmal anschauen.

Unsicherheiten und immer wieder neue Regelungen

Wer darf noch über die Grenze? Was ist ein triftiger Grund? Welche Belege muss man mitführen? Viele Fragen und Unsicherheiten gab es in dieser Zeit. Der SÜDKURIER informierte in dieser Zeit fortwährend über neue Entwicklungen, machte Missstände publik und sorgte für Orientierung, angesichts sich ständig ändernder Regeln und Vorschriften. Und das noch vor dem Tag der Grenzschließung.

Deutlicher als je zuvor rückten zunächst die Grenzgänger in den Blick, für die der Grenzübertritt alltäglich ist.

Grenzgänger Rainer Jehle
Grenzgänger Rainer Jehle | Bild: Neubert, Michael

Rainer Jehle, Thomas Kummer und Wolfgang Gmelin gaben einen Einblick in ihre Situation.

Familien und Paare an der Grenze getrennt

Aber vor allem die Geschichten der Menschen, die nicht zur Gruppe der Arbeitnehmer in der Schweiz zählten, aber dennoch unmittelbar von der Grenzschließung betroffen waren, sorgten für Aufmerksamkeit weit über unsere Region hinaus.

Menschen, die zusätzlich zu all der Unsicherheit, die das Virus brachte, von ihren Angehörigen getrennt worden waren – zunächst ohne Aussicht auf Lösungen. So wie Salvatore Marchiano der in der Schweiz lebt und keine Chance hatte, seine pflegebedürftige Mutter in Deutschland zu sehen.

Salvatore Marchiano aus Stein (CH) darf als Italiener nicht über die Grenze und damit seine Familie nicht sehen.
Salvatore Marchiano aus Stein (CH) darf als Italiener nicht über die Grenze und damit seine Familie nicht sehen. | Bild: Salvatore Marchiano

Lesen Sie hier noch einmal seine Geschichte.

Und es kam noch härter: Sogar Strafen wurden fällig für Besuche, die man zuvor als das Selbstverständlichste der Welt angesehen hatte. Das zeigte die Geschichte von Maik Riedl, der 100 Franken bezahlen musste, weil er seine 10-jährige Tochter in Deutschland besucht hatte. Gemeinsam mit seiner Frau Sabrina startete er eine Petition.

Maik Riedl und seine Frau Sabrina leben in der Schweiz und haben eine Petition gestartet, damit Eltern ihre Kinder im Ausland, ...
Maik Riedl und seine Frau Sabrina leben in der Schweiz und haben eine Petition gestartet, damit Eltern ihre Kinder im Ausland, unabhängig von geschlossenen Landesgrenzen, besuchen dürfen. | Bild: Privat, Riedl

Glücklicherweise gab es ein Happy-End und am 18. April konnte sich die Familie dann endlich wieder in die Arme schließen. Emotionale Momente, die Sie hier nochmals nachlesen können.

Lang ersehntes Wiedersehen: Sabrina Riedl und ihre Stieftochter.
Lang ersehntes Wiedersehen: Sabrina Riedl und ihre Stieftochter. | Bild: privat Riedl

Andere mussten allerdings noch länger warten. Über die zermürbende Situation für binationale Paare sprach Marleen Kurtz im April 2020.

Marleen Kurtz aus Bad Säckingen und ihr Partner Fränzu aus der Schweiz hatten Glück: Das binationale Paar durfte sich trotz der ...
Marleen Kurtz aus Bad Säckingen und ihr Partner Fränzu aus der Schweiz hatten Glück: Das binationale Paar durfte sich trotz der geschlossenen Grenze persönlich treffen. Die Bilder entstanden bereits vor der Grenzschließung. | Bild: Privat: Marleen Kurtz

Sie gab – stellvertretend für so viele andere – einen sehr persönlichen Einblick, was es bedeutet, in solch schwieriger Zeit alleine zu sein, ganz ohne den geliebten Partner. „Zwei Länder, eine Liebe, ein Leben“ – ihre bewegende Geschichte lesen Sie hier.
Doch auch hier wendete sich die Situation schließlich ab Mai glücklicherweise zum Guten, wie Sie hier nachlesen können.

Negative Auswirkungen im östlichen Kreisgebiet

Doch neben den emotionalen Aspekten gab es weitere Einschnitte. Vor allem im östlichen Gebiet des Landkreises Waldshut wurde schmerzlich schnell bewusst, wie eng auch die Zusammenhänge der Infrastruktur sind. In Jestetten rauschten die Züge am Bahnhof durch und der Weg in die nächste größere Stadt Singen wurde – ausschließlich über deutsches Gebiet zur langen Tour.

Davon betroffen waren vor allem Schüler, die deutlich länger unterwegs waren, wie Sie hier nachlesen können.

Schweizer Bahnhof in Jestetten.
Schweizer Bahnhof in Jestetten. | Bild: Thomas Güntert

Erst Mitte Juni 2020 fuhren die Züge dann wieder nahezu wie vor der Pandemie.

Doch auch hinsichtlich der Gesundheitsversorgung mussten sich die Menschen im „Jestetter Zipfel“ umstellen. So erklärte Gerold Schmitt aus Jestetten im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Wenn jemand täglich oder mehrmals wöchentlich nach Singen und wieder zurück muss, ist die Fahrt über Deutschland ein enormer Zeitaufwand.“ Aus einer wurden mindestens drei Stunden Fahrtzeit für den Hin- und Rückweg. Lesen Sie hier die ganze Geschichte.

Mittlerweile nimmt der Jestetter Bäckermeister die Schikane der deutschen Zöllner wieder etwas gelassener.
Mittlerweile nimmt der Jestetter Bäckermeister die Schikane der deutschen Zöllner wieder etwas gelassener. | Bild: Güntert

Und Senior Herbert Schaaf aus Jestetten schilderte beispielsweise, wie er verletzt auf der Fahrt ins Singener Krankenhaus am Zoll aufgehalten wurde. Seine Geschichte können Sie hier nochmals nachlesen.

Und auch die regionale Wirtschaft spürte das Ausbleiben der Schweizer Kundschaft deutlich. Die Einnahmen seien „fallbeilartig und bis zu 100 Prozent“ weggebrochen, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx im April gegenüber dem SÜDKURIER.

Die Öffnung der Grenze

Am 15. Mai wurden zunächst die Barrikaden weggeräumt. Doch die Einschränkungen blieben bestehen und ohne triftigen Grund, war die Einreise ins Nachbarland verboten.

Schweizer Laufenburger vor dem deutschen Grenzaun auf der Laufenbrücke. Im Hintergrund ist zu sehen, wie der Schweizer Grenzzaun ...
Schweizer Laufenburger vor dem deutschen Grenzaun auf der Laufenbrücke. Im Hintergrund ist zu sehen, wie der Schweizer Grenzzaun abtransportiert wird. | Bild: Fotostudio Höckendorff

Ab 15. Juni war die Grenze dann wieder ohne Einschränkungen passierbar wie zuvor.Und die Region wartete gespannt: Würden die Einkaufstouristen zurückkommen?

Doch das Thema Grenzschließung beschäftigte die Menschen weiter und tut es bis heute. „Die Grenzen dürfen nie wieder geschlossen werden“ – ein klare Forderung, die beiderseits des Rheins immer wieder gestellt wurde. Doch die steigenden Infektionszahlen vor allem in der Schweiz sorgen für auch für kontroverse Diskussionen. Denn die Schweiz gilt seit den Sommermonaten aus deutscher Sicht als Risikogebiet. Es gibt derzeit aber klare Vorgaben, wie lange man sich als Einwohner Baden-Württembergs dort aufhalten darf. Und der Grenzübertritt ist weiterhin möglich.

Neue Regel: Einreise-Quarantäne

Diese Vorgaben wurden am 23. Dezember verschärft. In der neuen Corona-Verordnung Einreise-Quarantäne wird geregelt, dass Einreisende aus der Schweiz und Frankreich sich in Quarantäne begeben müssen. Die Regelung gilt für Deutsche, Schweizer und Franzosen gleichermaßen und eine Befreiung von der Quarantänepflicht wird nur bei Grenzübertritten aus triftigem Grund gewährt. Solche Gründe sind etwa Arbeit, Ausbildung, medizinische Behandlungen und familiäre Besuche. Das Einkaufen in Deutschland – und auch umgekehrt in der Schweiz – ist derzeit nicht mehr möglich. Ein herber Rückschlag für den Handel – vor allem für die Metzger, die für das Weihnachtsfest zahlreiche Vorbestellungen aus der Schweiz hatten. Und die – einen Tag vor Weihnachten – zum Großteil storniert wurden. Trotz Ausnahme-Regelung, die einen Tag später kommuniziert wurde, blieben sie auf den Vorbestellungen sitzen.

Und auch wenn es kritische Stimmen gibt – die grundsätzliche Haltung der meisten Menschen in der Region ist wohl eindeutig: Die Grenze zur Schweiz soll offen bleiben. Die Nachbarn brauchen sich nämlich – und das gegenseitig. Zu diesem Schluss kommt auch SÜDKURIER-Lokalchef Andreas Gerber in seinem Meinungsbeitrag, den Sie hier nochmals lesen können.

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