Der Kreistag wehrt sich gegen die Forderung aus Berlin, die Rückerstattung der Mehrwertsteuer an Schweizer Einkäufer in Deutschland auf Beträge über 175 Euro zu beschränken. Ohne Gegenstimme wandten sich die Kreisräte gegen eine solche „Bagatellgrenze“ und forderten eine rasche Digitalisierung der Rückerstattung, um so den vom Rechnungshof beanstandeten Verwaltungsaufwand beim Zoll zu minimieren. Kreispolitiker betonten die wirtschaftliche Bedeutung des Kaufkraftzuflusses für den Arbeitsmarkt und für die Gemeindefinanzen in der Region.
Mit dem Beschluss – bei zwei Enthaltungen – wenden sich die Kreisräte vor allem gegen die Höhe der sogenannten Bagatellgrenze, unterhalb derer für Schweizer Kunden künftig die Erstattung der sieben Prozent (bei den meisten Lebensmitteln) beziehungsweise 19 Prozent deutscher Mehrwertsteuer entfiele. Landrat Martin Kistler beruft sich auf Erhebungen des Handels, dass etwa 80 Prozent der Einkäufe von Schweizern unter die 175-Euro-Bagatellgrenze fallen würden und geht davon aus, dass sich das Einkaufsverhalten der Eidgenossen verändern würde.
Sorge um die Kaufkraft aus der Schweiz
Der Landrat will damit auch die Initiativen von Handel, Nachbargrenzkreisen und Abgeordneten stützen. Bundestagsabgeordneter Felix Schreiner (CDU) fürchtet bei einer Begrenzung ab 175 Euro eine „erhebliche Gefährdung der Existenz kleinerer Einzelhändler innerorts“, so Schreiner. Ohne den schweizerischen Einkaufstourismus würde in der Randlage Deutschlands „ein großer Teil der Kaufkraft wegbrechen“.
„Wir leben und sterben mit der Schweiz„, stellte im Kreistag Volker Jungmann (SPD), Altbürgermeister und Ex-Zollbeamter, fest, und plädierte für die Resolution des Landkreises. 175 Euro Bagatellgrenze gingen an der Realität vorbei. Seine Ratskollegin Ira Sattler äußerte sich für die Mehrheit der Freien Wähler ähnlich. Das Wohl der Betriebe wirke sich über die Gewerbesteuer auch auf die Gemeinden aus. Sylvia Döbele (SPD) erwähnte den Effekt der vielen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Handel, vor allem auch bei kleineren Geschäften.
Auch kritische Stimmen
Dagegen mahnte Harald Würtenberger (FW) die Kreisräte, sich „nicht als Vasallen der Schweizer zu verstehen“. Zum Abstempeln müssten 75 Zollbeamte Dienst tun, die Schweiz umgekehrt erstatte die Umsatzsteuer erst ab 300 Franken Warenwert. Der Hauptvorteil für die Schweizer Käufer liege ohnehin im Währungskurs. Würtenberger vermutet außerdem massiven Steuerbetrug durch die Erstattung. Erst gestern sei er mit Hinweis auf einen Ausfuhrschein in einem Waldshuter Geschäft gefragt worden, ob er „keinen Verwandten in der Schweiz„ habe. Auch sein Fraktionskollege Josef Klein glaubt, dass die derzeitige Praxis „nicht zu überwachen“ sei.
Kreisrätin Antonia Kiefer wäre nicht grundsätzlich gegen eine Bagatellgrenze, hält aber auch eine Gebühr pro Zettel für den Verwaltungsaufwand für denkbar. Ihre Grünen-Kollegin Ruth Cremer-Ricken sieht als Kehrseite des Einkaufstourismus eine Abhängigkeit von der Schweiz. „Wenn das mal kippt, haben wir ein Riesenproblem.“
Verkehrsprobleme und Stempelbürokratie
Küssabergs Bürgermeister Manfred Weber (CDU) wies auf die Verkehrsprobleme für die Grenzorte durch die Stempelbürokratie hin. Für den Landrat ein Argument, gegenüber dem Bund die Forderung nach einer digitalen Regelung in den Vordergrund zu stellen. Leider, so Weber, sei man da nach Jahren noch „keinen Schritt vorangekommen“. Er habe ein solches Engagement vermisst, wenn es um die Verluste deutscher Landwirte durch Schweizer Landpächter gegangen sei, kritisierte Kreisrat Joachim Tröndle (CDU), dem Landwirts-Kollege Erhard Graunke (FDP) umgehend beipflichtete.
Umsatzsteuer retour
Nicht-EU-Bürger haben bei einem Besuch in Deutschland Anspruch auf eine Mehrwertsteuererstattung für Waren, die sie während ihres Aufenthalts in der EU gekauft haben. Dafür müssen sie die Waren dem Zoll bei der Ausreise mit den Mehrwertsteuer-Erstattungsformularen vorlegen und die Ausfuhr nachweisen. Die Formulare werden in der Regel vom Verkäufer ausgefüllt, bei ihm erhält der Käufer auch die erstattete Summe.