Für ihn sei es von Anfang an klar gewesen, dass er den Pkw-Führerschein macht, sagt Ivan Rapisarda. Er warte nur noch auf die Freigabe, damit er sich für die praktische Prüfung anmelden könne. Der 19-Jährige ist in Öflingen und Wehr aufgewachsen. Derzeit ist er im zweiten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Fachlogistiker und besitzt deshalb bereits einen Gabelstapler-Schein. „Mit dem Auto-Führerschein habe ich erst spät angefangen, da ich in der Schule kein Geld hatte und die Fahrstunden selbst bezahlen wollte.“
Die Finanzierung sei auch der Grund, dass bereits über ein Jahr seit der theoretischen Prüfung vergangen sei: „Ich musste immer wieder aussetzen, bis ich erneut genügend Geld beisammen hatte.“ Insgesamt rechnet er mit rund 1800 Euro für den Führerschein. Dass er diesen steinigen Weg auf sich genommen hat, bereut Rapisarda aber nicht, denn: „Ein Führerschein muss sein, unbedingt.“
Mit dieser Überzeugung scheint Rapisarda in unserer Region nicht allein zu sein
Das zeigt eine Anfrage beim Straßenverkehrsamt des Landkreises Waldshut. Die Anzahl Ersterteilungen von Pkw-Führerscheinen pro Jahr im Kreis sind seit 2015 mehr oder weniger stabil. Sie variieren nur leicht zwischen dem höchsten Wert im Jahr 2017 mit 2046 ausgestellten Fahrerlaubnissen und dem tiefsten Wert im Jahr 2015 mit 1944 Führerscheinen.
Seit Anfang 2019 haben bereits 928 Personen erstmals den Pkw-Führerschein erhalten. „Für uns bewegen sich die Zahlen über den erwähnten Zeitraum auf einem Niveau, der eine Trendaussage nicht zulässt“, schreibt der Pressesprecher des Landratsamtes, Michael Swientek, auf Nachfrage.
Damit widersprechen die Zahlen für den Landkreis Waldshut dem allgemeinen Trend in Deutschland
Laut der aktuellen Studie „Mobilität in Deutschland“ des Bundesverkehrsministeriums ist der Anteil der Personen, die einen Führerschein besitzen, an der über 17-jährigen Bevölkerung von 2008 bis 2017 um insgesamt zwei Prozent auf 87 Prozent zurückgegangen. Vor allem bei den unter 30-Jährigen habe sich der Anteil verringert, so die Studie weiter.
Das bestätigt auch ein Blick auf die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes. Im Vergleich zu 2008 hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der 18 bis 24-Jährigen, die einen Führerschein ausgestellt bekommen haben, deutschlandweit mehr als halbiert: Von rund 608 000 im Jahr 2008 auf rund 353 000 im Jahr 2018.
Ivan Rapisarda gehört zu dieser kleiner gewordenen Gruppe, die den Führerschein vor ihrem 24. Lebensjahr macht. Der Grund: „Mit dem Auto kann ich mich besser bewegen. Meine Schule ist in Lörrach und ich muss immer den Bus und die Bahn nehmen. Und wenn wir mit dem Fußballverein ein Auswärtsspiel haben, muss mich mein Vater oder jemand anderes hinfahren. Man ist einfach abhängig.“
Die Unterschiede sind vor allem zwischen Stadt und Land groß
Die Studie des Bundesverkehrsministeriums bestätigt, dass die Feststellung, junge Erwachsene seien weniger „Auto-orientiert“ als frühere Generationen primär ein groß-städtisches Phänomen sei. Allgemein stehe „einer vielfältigeren Mobilität in den Städten“ eine „noch immer wachsende Automobilität in den ländlichen Räumen“ gegenüber.
Beispielhaft sind dafür die Zahlen für Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin, wo im Schnitt nur 36 (Hamburg) respektive 33 Prozent (Berlin) der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden – als Fahrer oder Beifahrer. Für Baden-Württemberg liegt dieser Wert bei 59 Prozent und für ländliche Regionen wie den Hochrhein bei bis zu 70 Prozent.
Entscheidend für die geringere Nutzung des Autos in großen Städten sind laut Studie die Alternativen zum Auto
Deutschlandweit sei der Anteil der mit dem ÖPNV zurückgelegten Wege zwischen 2008 und 2017 von acht auf zehn Prozent gestiegen. Auch im Landkreis Waldshut hätten die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr in den letzten Jahren erheblich zugelegt, schreibt Pressesprecher Michael Swientek: „Werktäglich sind rund 22 000 Menschen mit Bus und Bahn im Kreis unterwegs.“ Allerdings ging die Anzahl ÖPNV-Fahrgäste pro Jahr von 2017 auf 2018 zurück: Von rund 14 Millionen auf rund 13,89 Millionen. „Der Rückgang ist besonders der Schlechtleistung der DB Regio auf der Hochrheinbahn geschuldet“, so Swientek.
„Ich werde auch in Zukunft mit dem Zug fahren, wenn er billiger ist als das Auto“
Auch Ivan Rapisarda ist bis jetzt oft mit Bahn und Bus unterwegs. Obwohl er bald den Pkw-Führerschein hat, will er auf das Zugfahren ebenso wenig verzichten wie auf das Fahrrad, mit dem er kürzere Strecken zurücklegt. „Vor allem bei längeren Distanzen, nach Freiburg oder Mannheim, werde ich auch in Zukunft mit dem Zug fahren, wenn es billiger ist als das Auto“, so der 19-Jährige. Mit dem ÖPNV-Angebot in der Region sei er eigentlich zufrieden, nur eines stört ihn: Die hohen Preise. „Wenn ich mit Bus und Bahn nach Lörrach zur Schule fahre, bezahle ich für einen Weg 6,80 Euro. Wäre es billiger, würde ich auch in Zukunft, trotz Führerscheins, ab Schopfheim mit dem Zug fahren.“