Brigitte Chymo

Die Erzdiözese Freiburg verlangt ihren Gläubigen in den letzten Jahren große Flexibilität ab. In einem ersten Schritt hatten sich die knapp über 1000 Pfarreien in den letzten Jahren in 224 Seelsorgeeinheiten/Kirchengemeinden zusammengefunden. Jetzt ist ein noch radikalerer Einschnitt geplant. Die 224 Seelsorgeeinheiten sollen in 40 große Pfarreien umgewandelt werden. Das Projekt heißt Pastoral 2030 und ist die Antwort der Erzdiöse auf die Folgen von Priestermangel und steigenden Kirchenaustritten. Diese Antwort verunsichert die Gläubigen.

Welche Konsequenzen hat Pastoral 2030 für die Kirchenlandschaft am Hochrhein?

Im Jahr 2030 könnte das räumlich so aussehen:

Vorschlag 1: Das jetzige Dekanat ist eine einzige große Pfarrei. Das würde der Variante 1 in der Raumplanung Pastoral 2030 entsprechen.

Bild 1: Pastoral 2030: Wie könnte die Struktur der katholischen Kirche am Hochrhein künftig aussehen? Einblick in die Überlegungen der Erzdiözese.
Bild: Schönlein, Ute

Vorschlag 2: Es könnte aber auch sein, dass das Dekanat gemäß Variante 2 in zwei neue Pfarreien mit jeweils sieben Kirchengemeinden geteilt wurde. Westlich von Waldshut bildeten dann die jetzigen Kirchengemeinden Todtmoos-Bernau, St. Blasien, Maria Bronnen (mit oder ohne Pfarrei St. Clemens und Urban Schwörstadt), Hotzenwald St. Wendelinus, Bad Säckingen-Murg, und Laufenburg-Albbruck (43.907 Katholiken) eine neue Pfarrei.

Bild 2: Pastoral 2030: Wie könnte die Struktur der katholischen Kirche am Hochrhein künftig aussehen? Einblick in die Überlegungen der Erzdiözese.
Bild: Schönlein, Ute

Östlich von Waldshut die Kirchengemeinden Bonndorf-Wutach, Oberes Schlüchttal, Eggingen-Stühlingen Heilig Kreuz, Mittlerer Hochrhein St. Verena, Klettgau-Wutöschingen, Küssaberg-Hohentengen St. Christophorus und Jestetten (41.151 Katholiken) eine zweite, neue Pfarrei.

Vorschlag 3: Dieser sieht eine Umsetzung der zweiten Variante mit zwei Pfarreien, aber ohne Bonndorf-Wutach vor.

Was aber wollen die Seelsorgeeinheiten im Dekanat?

Laut Dekan Peter Berg gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. „Da ist schon Angst vor einer gewissen Größe“, so Berg. Dennoch gehe der Trend dahin, das Dekanat als Pfarrei zu belassen, also zu Variante 1.

„Die Seelsorgeeinheiten in der Mitte des Dekanats wollen nicht auseinanderreißen, was in den letzten zwölf Jahren zusammengewachsen ist“, erklärt der Dekan. Auch Berg favorisiert persönlich eine Pfarrei in Größe des jetzigen Dekanats. Eine Teilung würde nichts bringen, meint Berg, der Vorteile durch die Größe sieht: „Das gibt größere Spielräume.“ In kleineren Einheiten sei das schwieriger, weil das trennende Element stärker sei.

Ein Pfarrer als Leiter der Pfarrei und ein pastorales Zentrum

Die Frage der Raumplanung sei das eine, die Frage der Ausgestaltung der pastoralen Versorgung in der neuen Pfarrei das andere. Letztere ist für Dekan Peter Berg von größter Bedeutung: „Wir brauchen eine gute Verwaltungsstruktur“, meint Berg: „Mir ist es wichtig, diesen Raum zu füllen.“

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Pastoral 2030 sieht einen Pfarrer als Leiter der Pfarrei vor, ebenso einen hauptberuflichen Geschäftsführer. In jeder neuen Pfarrei wird ein pastorales Zentrum eingerichtet. Dort sind auch Pfarrer und Geschäftsführer tätig. Hier wird auch das Hauptsekretariat der Pfarrei angesiedelt sein. Auch eine Zusammenführung der Archive der früheren Pfarreien im Pastoralen Zentrum ist geplant. Es gibt einen Pfarr- und Stiftungsrat.

Wie aber wird es vor Ort in den früheren Pfarreien aussehen?

Auf Ebene der dann sogenannten Gemeinden sollen ehrenamtliche Gemeindeteams eingerichtet und organisieren den pastoralen Alltag vor Ort. „Es ist wichtig, durch pastorale Zentren Nähe zu zeigen“, so der Dekan.

Auch in den Gemeinden braucht es eine Leitung. Ob ehrenamtlich oder hauptberuflich. Klar ist aber schon jetzt: „Ohne die Ehrenamtlichen wird es nicht gehen“, meint Berg. Das zeige deutlich die Stellung der Laien in der Kirche: „Sie werden in leitende Funktionen mithineingenommen.“

Personalschlüssel ist noch unklar

In welchem Ausmaß weitere Hauptberufliche wie Priester, Diakone und pastoralen Mitarbeiter in den jeweiligen neuen Pfarreien tätig und die Ehrenamtlichen begleiten, ist momentan nicht zu sagen: „Wir haben noch keinen Personalschlüssel“, erklärt Berg. Derzeit komme auf 3000 Seelen 1 hauptamtlicher Mitarbeiter. Berg geht aber davon aus, dass sich das ändern wird.

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Angesichts des Rückgangs der Gläubigenzahlen ist vor Ort auch davon auszugehen, dass längst nicht mehr alle kirchlichen Gebäude gebraucht werden. Der Dekan geht davon aus, dass einiges an Pfarrhäusern oder Gemeindezentren veräußert wird.

Was die Gotteshäuser angeht, meint er aber: „Es wäre schade, wenn man die Kirche aus dem Dorf nimmt.“ Kirchen hätten eine gewisse Integrationsfunktion. Berg kann sich vorstellen, dass auch andere Gottesdienste in den jeweiligen Kirchen stattfinden.

Viele Fragen zu den künftigen Strukturen sind offen.

Für Dekan Peter Berg ist in dieser Situation das wichtigste, den neuen Pastoralraum so zu gestalten, dass Kirche dem Gläubigen sehr nahe ist, und er meint: „Ich sehe das durchaus als Chance.“ Berg verweist auf die Umbruchphase unserer Gesellschaft und sagt: „Die Kirche bekommt ein anderes Gesicht.“

Gläubige werden aktiv, äußern Unmut und Sorgen

Der Pfarrgemeinderat der katholischen Kirchengemeinde St. Wendelin Hotzenwald richtete einen offenen Brief an Erzbischof Stephan Burger, in dem sich die gegen eine weitere Zusammenlegung der Pfarreien ebenso wehren, wie gegen die Tatsache, dass Ehrenamtlichen durch und mit dem Projekt 2030 noch mehr abverlangt wird: „Keine neue Wege, keine neuen Perspektiven“, heißt es im Brief. Alternativ soll Priester und Familie möglich sein und auch Frauen der Zugang in alle kirchlichen Ämter ermöglicht werden.

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In Lauchringen legten Karin Hähle, Gertrud Bernauer-Eckert und Ulrike Schirmaier ihre Ehrenämter in der Katholischen Kirche während eines zweiwöchigen Kirchenstreiks im Mai nieder. Die Frauen fordern ebenfalls dazu auf, für die Zukunft der Kirche neue Wege zu gehen, wie den Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern.

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Dekan Peter Berg bewertet diese Reaktionen als positiv. Es sei gut, dass sich die Gläubigen überhaupt mit der Kirche auseinandersetzten und sich Gedanken um Veränderungen machten. Umbruch bringe auch Unsicherheit und Ängste. Aber grundsätzlich sei die Bereitschaft da, Veränderung mitzugestalten.

Die letzte Entscheidung liegt in Freiburg

Die Dekanate geben bis Ende des Jahres ein Votum zur Raumplanung ab, ebenso die Dekanatskonferenz. „Dann gibt es eine Rückmeldung. Die Entscheidung trifft letztlich aber der Bischof“, so Berg zum Prozess der Entscheidungsfindung.