Pilotprojekt am Hochrhein: Energiedienst erzeugt in Wyhlen künftig Wasserstoff und will in der grünen Zukunft mitmischen
Der regionale Energieversorger nimmt neben dem Wasserkraftwerk Wyhlen eine hochmoderne Power-to-Gas-Anlage in Betrieb. Mit Ökostrom wird hier ein bestimmtes Gas hergestellt: Wasserstoff. Das ist das aktuelle Zauberwort der grünen Energiebranche und gilt als Treibstoff für die Zukunft in der Mobilität.
Hier im Inneren der Anlage entsteht Wasserstoff: Stefan Ficht, Leiter der Power-to-Gas-Anlage des Energiedienstes beim Wasserkraftwerk Wyhlen, erklärt die Funktionsweise.
| Bild: Gerber, Andreas
Der Energiesektor wird in den kommenden Jahrzehnten auf den Kopf gestellt. Klimawandel und Energiewende werden kaum einen Stein auf dem anderen lassen, vermuten Experten. Auch lokale Akteure auf dem Energiemarkt treibt das Thema um – wie zum Beispiel den Energiedienst.
Einzigartiges Projekt in der Region
Direkt neben seinem Wasserkraftwerk in Grenzach-Wyhlen hat der ED kurz vor Weihnachten eine Power-to-Gas-Anlage in Betrieb genommen. Wasserstoff, das ist derzeit das Zauberwort in der Energiebranche.
Mit dem in der Region einzigartigen Projekt testet das Unternehmen gewissermaßen den nächsten Schritt die grüne Zukunft. Denn wer auf dem Energiesektor stehenbleibt, werde am Ende verlieren – da sind sich Stefan Ficht und André Büssers vom Energiedienst sicher.
Ficht ist Leiter des Power-to-Gas-Projektes und Büssers arbeitet in der Kommunikationsabteilung. Und beide wollen eines ganz bestimmt nicht: nämlich stehenbleiben. Im Gegenteil haben sie doch schlechte Beispiele vor Augen. „Deutschland hat schon den Elektroantrieb verschlafen, so etwas sollte nicht wieder passieren“, sagt Ficht.
Das Bild zeigt das Energiedienst-Wasserkraftwerk Wyhlen. Neben dem langgestreckten Kraftwerksgebäude, das die Turbinen beherbergt, steht der Neubau der Wasserstoff-Anlage in der Bildmitte. Sie wurde kurz vor Weihnachten in Betrieb genommen. Beim nicht-überdachten Teil handelt es sich um die Andock-Boxen für die Lastwagen.
| Bild: Energiedienst
Wasserstoff: Eine Strategie fehlt bislang
Genau deshalb testet der Energiedienst schon jetzt den Umgang mit einer Technik, die Deutschland auf möglichst allen Bereichen in die energetische Zukunft leiten soll: Wasserstoff.
Noch sind Ficht und Büssers aber über die Zögerlichkeit der Politik enttäuscht. Im Herbst kündigte Wirtschaftsminister Peter Altmaier eine deutsche Wasserstoffstrategie an. Wasserstoff soll einer der großen Energiespeicher und Energieträger werden. Passiert ist bisher nichts.
Wasserstoff – das Zaubergas von morgen?
Deshalb wissen Investoren nicht genau, wie es weitergeht und vor allem, wo und wie künftig gefördert wird. Dennoch ist ED unabhängig davon in Vorleistungen getreten. Die Entscheidung für die Ein-Megawatt-Anlage in Wyhlen fiel schon vor mehreren Jahren. Vor Weihnachten ging sie in Betrieb. Kosten sechs Millionen, das Land schoss 1,7 Millionen Euro zu, informiert Büssers.
Was gab den Ausschlag für die Investition?
Im Grunde war es eine ganz kurioses Situation: Bei Stromüberüberkapazitäten im Netz verlangt der Markt einen Minus-Strompreis, quasi wie Negativ-Zinsen. Das bedeutet: Stromlieferanten müssen entweder draufzahlen oder sie nehmen ihr Kraftwerk vom Netz. „Für einen Energieerzeuger ist das nicht akzeptabel“, sagt Ficht, „deshalb war der Bau der Anlage eine wirtschaftliche Entscheidung.“
So funktioniert eine Power-to-Gas-Anlage, in der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
| Bild: Müller, Cornelia
Das Ziel: Das Kraftwerk produziert auch bei Überkapazitäten weiter Strom, aber ED verwendet ihn zur Herstellung von „grünem Wasserstoff“ – grüner Wasserstoff deshalb, weil er aus reiner Wasserkraft hergestellt wird. Die ED-Anlage ist keine Pilotanlge, sie ist aus dem Laborstadium raus, ED will damit Geld verdienen.
„Deutschland hat schon den Elektroantrieb verschlafen, so etwas sollte nicht wieder passieren“, sagt Stefan Ficht, Leiter der Power-to-Gas-Anlage des Energiedienstes beim Wasserkraftwerk Wyhlen.
| Bild: Gerber, Andreas
Von den vielen Möglichkeiten, die Wasserstoff als Energieträger bietet, sieht der Energiedienst in erster Linie die Mobilität als künftigen Markt. Ficht und Büssers wissen jedoch beide, dass die Abnehmer auf diesem Markt noch rar sind. Dennoch glaubt man beim ED an diese strategische Ausrichtung. Denn an der Mobilität mit ausschließlich batteriegestütztem Elektroantrieb hegt man erhebliche Zweifel.
Brennstoffzellen – also wasserstoffgetrieben – seien für eine massentaugliche Mobilität unerlässlich, meint Ficht, und deshalb auch als Technologie gerade für das Autoland Baden-Württemberg. ED sieht hier für sich den Markt der Zukunft. Mit der früheren Entscheidung zum Bau der Power-to-Gas-Anlage wollte das Unternehmen den Fuß in der Tür schieben, um künftig als Versorger auftreten zu können.
Gleichzeitig hat das Projekt in Wyhlen auch einen Forschungsaspekt. Angedockt an die große Anlage ist ein weitere, kleinere mit 300 KW. Sie wird betrieben vom Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff (ZSW). Das ZSW ist eine gemeinnützige Stiftung, gegründet vom Land Baden-Württemberg mit den Universitäten Stuttgart und Ulm, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und mehreren Unternehmen wie Daimler und Bosch. Durch die direkte Nachbarschaft der beiden Anlange gibt es erhebliche Synergien in Betrieb wie auch im Erkenntnisprozess.
Wirkungsgrad soll verbessert werden
Das Ziel der ZSW ist die permanente Verbesserung und Verfeinerung des Elektrolyse-Prozesses. Denn nach wie vor ist der sogenannte Wirkungsgrad ein Aspekt, an dem geforscht und gearbeitet wird. Wirkungsgrad heißt: Wenn ich 100 Anteile Strom in die Produktion von Wasserstoff stecke, wieviel Prozent der Energie steckt dann im Wasserstoff.
Bei der Anlage in Wyhlen sind es laut Ficht immerhin 85 Prozent. Aus den restlichen 15 Prozent entsteht zum großen Teil Wärme – aber auch diese Abwärme will der ED nutzen. Mit der Gemeinde Grenzach-Wyhlen ist deshalb eine Fernwärmeleitung für ein künftiges Wohngebiet geplant. Dort soll künftig die Abwärme der Power-to-Gas-Anlage und auch die des Wasserkraftwerkes genutzt werden.
Kann die Anlage eine Blaupause für andere ED-Standorte am Hochrhein sein?
Immerhin betreibt das Unternehmen mit Rheinfelden und Laufenburg noch weitere Wasserkraftwerke. Prinzipiell sei das denkbar, meinen die beiden. Im Moment liege der Fokus aber auf der Anlage in Wyhlen.
Und ein weiteres Engagement hängt natürlich davon, ob Wasserstoff tatsächlich die Energiebranche Deutschlands in Zukunft revolutionieren wird. „Wir erwarten, dass noch dieses Jahr die Weichen gestellt werden“, sagt Ficht.
ED ist ein regionaler Energieversorger mit Sitz in Laufenburg. Er ist aus der Fusion von Kraftwerk Laufenburg (KWL) und Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) hervorgegangen. ED betreibt die Wasserkraftwerke Laufenburg, Rheinfelden und Wyhlen. Gleichzeitig hat es Anteile an den Partnerwerken in Ryburg-Schwörstadt, Säckingen und Albbruck-Dogern. Zudem betreibt ED 17 Kleinwasserkraftwerke wie etwa das Kraftwerk Hottingen oder zahlreiche im Wiesental. ED-Netze übernimmt als Netzbetreiber einen großen Teil der Stromversorgung in der Region. Das Unternehmen ist zudem beteiligt an mehreren Stadtwerken.