Wenn die Bahn baut, wird‘s meistens kompliziert und umständlich. Die Strecke ist gesperrt, die Menschen wollen trotzdem an ihr Ziel kommen. Schienenersatzverkehr (SEV), also Busse, kommen seit 11. Oktober zwischen Albbruck und Bad Säckingen zum Einsatz. Fahrgäste müssen eine längere Reise in Kauf nehmen. Und dann noch die ganze Umsteigerei: Raus aus dem Zug, marsch, marsch zur Bushaltestelle. Manchen geht das auf die Nerven, andere sehen es eher gelassen.

Der Test beginnt

Selbstversuch: Unser Reporter Michael Neubert im überfüllten Bus. Hier auf dem Weg von Bad Säckingen nach Albbruck.
Selbstversuch: Unser Reporter Michael Neubert im überfüllten Bus. Hier auf dem Weg von Bad Säckingen nach Albbruck. | Bild: Neubert, Michael

8 Uhr in Singen: Der Interregio-Express (IRE) aus Laupheim hat Verspätung – drei Minuten. In Erzingen muss er auf den Gegenzug warten – jetzt sind es acht Minuten. Bis er in Albbruck ankommt, ist er bereits zehn Minuten zu spät.

Information: Die Anzeigentafel auf dem Bahnhof Singen weist auf die nächste Verbindung hin. Endstation Albbruck.
Information: Die Anzeigentafel auf dem Bahnhof Singen weist auf die nächste Verbindung hin. Endstation Albbruck. | Bild: Michael Neubert

9 Uhr in Albbruck: Zwei Gelenkbusse warten an der Haltestelle. Geplante Abfahrt: 8:54 Uhr. Jetzt muss es schnell gehen. Die Fahrgäste eilen die Treppe hinauf, manche mit schweren Koffern, andere sind nicht so gut zu Fuß. Über die Brücke, rüber zum Bus.

Bahnhof Albbruck: Der Zug hat zehn Minuten Verspätung. Jetzt muss es schnell gehen, um den Ersatzbus gegenüber zu erreichen.
Bahnhof Albbruck: Der Zug hat zehn Minuten Verspätung. Jetzt muss es schnell gehen, um den Ersatzbus gegenüber zu erreichen. | Bild: Michael Neubert

„Jetzt muss ich 30 Minuten auf den nächsten Bus warten“, befürchtet ein Reisender, der nach Basel will. Eine Berufspendlerin berichtet vom ersten Tag der Sperrung: „Da war der Zug 20 Minuten zu spät, ich war dann erst um 10 Uhr am Arbeitsplatz.“ Durch den Ersatzverkehr verliere sie, wenn alles glatt läuft, 30 Minuten. Damit könne sie leben.

Schienenersatzverkehr: Das steckt dahinter

Der „Reisendenlenker“ hält die Busse auf

Der so genannte „Reisendenlenker“ steht bei den Bussen. Er soll dafür sorgen, dass die Reisenden beim Umstieg von der Schiene auf die Straße keine Unannehmlichkeiten haben. Er hat mitgedacht: „Ich habe die Busse aufgehalten, damit die Leute nicht stranden.“ So geht es mit etwas Verspätung nach Bad Säckingen.

Es klappt: Der Ersatzbus an der Haltestelle bei der ehemaligen Papierfabrik hat gewartet.
Es klappt: Der Ersatzbus an der Haltestelle bei der ehemaligen Papierfabrik hat gewartet. | Bild: Michael Neubert

„Am ersten Tag hatten wir ein Problem, als einmal alle Busse schon weg waren“, berichtet Nikolaus Albiez von der Südbadenbus GmbH (SBG) von Startschwierigkeiten. Einer sei überfüllt gewesen, einige Fahrgäste hätten zurück bleiben müssen. Am Wochenende habe ein Fahrer verschlafen, eine Tour sei ausgefallen.

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Laut Albiez sind zehn zusätzliche Gelenkbusse mit 18 Fahrern (zehn von der SBG, acht von externen Unternehmen) für den Schienenersatzverkehr im Einsatz. Zwei Ersatzfahrzeuge stehen bereit. „Wenn wir sehen, dass es nicht reicht, können wir nachsteuern und weitere Busse anfordern“, sagt Albiez.

Schüler müssen früher aufstehen

12.45 Uhr in Waldshut: Eine kleine Gruppe Schülerinnen wartet. Sie besuchen die Justus-von-Liebig-Schule.

Busbahnhof Waldshut: Fahrgäste steigen in den Ersatzbus nach Bad Säckingen ein.
Busbahnhof Waldshut: Fahrgäste steigen in den Ersatzbus nach Bad Säckingen ein. | Bild: Michael Neubert

„Ich musste heute Morgen eine halbe Stunde früher aufstehen, die Busse waren überfüllt, wir mussten den ganzen Weg von Bad Säckingen stehen“, erzählt die 17-jährige Michelle. Sie ist auf dem Weg nach Hause. Heute ist das kein Problem. „Wenn ich bis nachmittags Schule habe, wird es problematisch, dann schaffe ich den Bus in Bad Säckingen auf den Berg nach Egg nicht.“ Normalerweise fährt sie mit RB oder IRE. „Da brauche ich höchstens 25 Minuten, mit dem Bus 40 bis 50 Minuten.“ Sie holt kurz Luft, lächelt und sagt: „Ich bin froh, wenn das zu Ende ist.“

Abends in Bad Säckingen: Reisende mit schweren Koffern steigen vom Interregio-Express in den Ersatzbus ein.
Abends in Bad Säckingen: Reisende mit schweren Koffern steigen vom Interregio-Express in den Ersatzbus ein. | Bild: Michael Neubert

Manche profitieren allerdings sogar von den zusätzlichen Bussen: Eine Stunde später fällt ein IRE aus. „Glücklicherweise fährt ein Bus“, sagt ein Berufspendler. Er fährt nach Albbruck. Ihn betrifft die Sperrung nicht. Drei Stationen, und er ist am Ziel.

17 Uhr in Bad Säckingen: Schüler und Berufstätige wollen nach Hause. Einige kommen mit dem IRE an. Auf dem Bahnsteig wird es voll. Drei Busse stehen bereit.

Umsteigen in Bad Säckingen Video: Michael Neubert

Bei manchen Fahrgästen herrscht ein wenig Verwirrung. „Wo soll ich einsteigen?“ Zwei fahren ohne Zwischenhalt zeitversetzt nach Albbruck, der andere nach Waldshut – mit Zwischenhalten in Murg, Laufenburg, Albbruck und Dogern. Doch auch hier steht ein „Reisendenlenker“, er weist alle ein, beantwortet geduldig Fragen.

Einweisung: Der so genannte Reisendenlenker (will nicht namentlich erwähnt werden) zeigt den Fahrgästen, in welchen Bus sie steigen müssen.
Einweisung: Der so genannte Reisendenlenker (will nicht namentlich erwähnt werden) zeigt den Fahrgästen, in welchen Bus sie steigen müssen. | Bild: Michael Neubert

Auch Bertram Amann aus Stühlingen muss sich erst orientieren. Er arbeitet in Bad Säckingen. Sein Auto steht in Lauchringen. Von dort hat er am Morgen die RB genommen, in Albbruck ist er mit einem Kollegen mitgefahren. Jetzt will er den Bus nehmen. Wie es klappt? „Weiß ich noch nicht, es ist ja das erste Mal“, sagt er. Pünktlich um 17.30 Uhr kommt der Bus in Albbruck an.

Umsteigen in Albbruck Video: Michael Neubert

Bertram Adam steigt in die RB um – für ihn läuft alles glatt.

Abends in Albbruck: Der IRE kommt diesmal pünktlich an, Reisende marschieren zum Bus. Im Hintergrund die Kräne auf der Brückenbaustelle.
Abends in Albbruck: Der IRE kommt diesmal pünktlich an, Reisende marschieren zum Bus. Im Hintergrund die Kräne auf der Brückenbaustelle. | Bild: Michael Neubert

Zu den Stoßzeiten sind die Busse voll

Zu den Stoßzeiten am Morgen und Abend sind die Busse voll. Viele müssen stehen. 90 Personen passen in einen Gelenkbus. „Dann steht man aber beengt“, sagt Albiez. Generell sei es eine große Herausforderung, in den Spitzenzeiten alle unterzubringen. Wenn ein voll besetzter IRE ankommt, müssen schon mal weit über 100 Reisende bedient werden.

Stehplätze: Während der Stoßzeiten sind die Busse voll. Einige müssen stehen.
Stehplätze: Während der Stoßzeiten sind die Busse voll. Einige müssen stehen. | Bild: Michael Neubert

Bisher habe es bei der SBG keine Beschwerden gegeben. Albiez: „Der Mehraufwand an Zeit ist immer da, keine Frage. Ich denke, es wird sich alles einspielen und normalisieren.“ Dass einige währen der sieben Woche lieber aufs Auto umsteigen, schließt er nicht aus.

Das Fazit unseres Reporters: Ein Tag ist zu Ende. Wenn man mitfährt, fühlt sich alles hektisch an, es schlaucht. Der Schienenersatzverkehr funktioniert jedoch im Großen und Ganzen, so der Eindruck. Aber eben nur so gut, wie die Züge pünktlich sind. Dafür gibt es eine neue Brücke, und ab dem 29. November soll alles wieder normal laufen.