Bestimmt automatisiertes Fahren die Zukunft der Mobilität? Die Macher der Forscher- und Entwicklerinitiative Swiss Transit Lab (STL) und der Kooperationspartner Swiss Association for Mobility (SAAM) sind sich sicher – ja. Mit dem im Herbst 2019 abgeschlossenen Pilotprojekt „Linie 12“, wo ein selbstfahrender Bus zwischen Neuhausen-Zentrum und dem Rheinfallbecken verkehrte, hat das STL einen ersten Schritt unternommen.
Mit dem Start der „Linie 13“ folgt im Frühjahr 2022 die nächste Etappe in der Entwicklung der automatisierten Mobilität im öffentlichen Verkehr. Ein automatisiertes Fahrzeug mit neuer Technologie soll zwischen Bahnhof Schaffhausen und der Stahlgießerei pendeln.
Weltpremiere: Integriert in das Leitsystem
Als das Swiss Transit Lab das Projekt „Linie 12“ erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, wusste noch keiner so richtig, wohin die Reise geht. Ein selbstfahrender Bus verkehrte ab Frühjahr 2018 zuerst im Ortszentrum von Neuhausen, später bis hinunter zum Rheinfall. Eingebettet in den öffentlichen Straßenverkehr und integriert in das Leitsystem der Verkehrsbetriebe Schaffhausen. „Eine Weltpremiere“, wie es das STL im Dezember 2019 in einer Medienmitteilung schrieb.

Dabei sieht der Bus in etwa aus wie eine Gondel auf vier Rädern. Klein und putzig. Er bietet Platz für elf Personen. Der Trapizio-Bus der „Linie 12“ fuhr alleine, wie von Geisterhand gesteuert, ohne Busfahrer. Lediglich eine Begleitperson war dabei, die im Notfall hätte eingreifen können.
Ausgestattet mit Laserscannern suchte sich das Shuttle des französischen Herstellers Navya selbstständig den Weg. Auf einem Kilometer steuerte er sieben Haltestellen an, bewältigte eine Höhendifferenz von 60 Metern und einer Steigung von bis zu 15 Prozent.
Über 35.000 Passagiere in eineinhalb Jahren
Über 35.000 Menschen, hauptsächlich Touristen, transportierte der Shuttle-Bus während der eineinhalbjährigen Projektphase. „Die sehr anspruchsvolle Strecke war herausfordernd für die Technik“, sagt STL-Projektleiter Patrick Schenk am Rand der Vorstellung des neuen Projekts rückblickend. Es sei nicht alles nur reibungslos verlaufen. Unterm Strich überwogen allerdings die positiven Erfahrungen. Es sei wichtig gewesen, mit der Technologie zu lernen.
Eine Studie der ETH Zürich bescheinigte dem Projekt eine hohe Akzeptanz. In der Medienmitteilung von 2019 schreibt das STL: „Je länger das Projekt dauerte, desto größer wurde die Befürwortung zum autonomen Fahren in der Region. Ebenso hatte das Projekt einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung der Region Schaffhausen sowie auf die am Projekt beteiligten Mitglieder des Swiss Transit Lab.“

Hohe Akzeptanz als Motivation für nächsten Schritt
Warum aber wurde die Linie 12 nicht fest etabliert und sogar ausgeweitet? Schenk erklärt: „Die Technologie ist noch nicht voll ausgereift für einen Massengebrauch oder Regelbetrieb.“ Nach der Pilotphase habe man sich dafür entschieden, nicht mehr mit dem gleichen Fahrzeug weiterzumachen, sondern auf eine neue Technologie zu setzen.
Schenk weiter: „Die positive Resonanz hat uns motiviert, den nächsten Schritt anzugehen.“ Mit den Erfahrungen der „Linie 12“ geht das STL in enger Kooperation mit der Swiss Association for Autonomous Mobility in eine neue Test-Runde. Mit der „Linie 13“ wird zum ersten Mal in der Schweiz ein automatisiertes Fahrzeug mit Dual-Mode-Technologie ausgerüstet und in einem Pilotprojekt eingesetzt.
Initiatoren und Kooperationspartner für Mobilität der Zukunft:
Elektrofahrzeug mit Sensortechnologie
Die Kooperation- und Projektpartner haben ein Fahrzeug, wie es ab Frühjahr vom Bahnhof bis zur Stahlgießerei fährt, vorgestellt. Noch mit einem Dieselmotor ausgestattet. Wenn es so weit ist, soll ein Elektrofahrzeug der Marke Toyota, nachgerüstet mit Sensortechnologie für automatisiertes Fahren, eingesetzt werden.
Über die Zukunft der Mobilität sind sich die Partner einig: „Die Vision ist eine automatisierte Technologie zum Wohl der Allgemeinheit“, erklärt Martin Neubauer, Geschäftsführer des Vereins SAAM. STL-Präsident Matthias Rödter weiß, dass Individualverkehr und öffentlicher Verkehr in Zukunft tiefer verschmelzen. „Es geht darum, dass wir besser verstehen, was funktioniert und was nicht. Die Technologie soll erlebbar sein, damit die Akzeptanz steigt.“
Schenk spricht von einem hochautomatisierten Fahrzeug, das fähig sei, schwierigen Situationen auszuweichen. Allerdings funktioniere es noch nicht ohne Sicherheitsfahrer. Das vollautomatisierte Fahren liege noch in der Zukunft.
Anbindung der Bewohner in der Stahlgießerei
Waren auf der „Linie 12“ mit dem Trapizio hauptsächlich Touristen unterwegs, sollen mit dem neuen Projekt die Bewohner im Komplex der Stahlgießerei angebunden werden – ergänzend zum regulären Angebot der Verkehrsbetriebe. Schenk: „Dort wohnen in naher Zukunft 1000 Menschen.“ Rödter spricht von einem Rund-um-die-Uhr-Angebot.
Mit dem Projekt wollen die Betreiber des STL Erkenntnisse zur Erschließung der ersten und letzten Meile im öffentlichen Verkehr sammeln. Das Fahrzeug sei gleichzeitig ein Anwendungsobjekt für weitere Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle rund um das automatisierte Fahren. Es biete interessierten Unternehmen und Forschenden die Möglichkeit, eigene Technologien auf dem Fahrzeug einzusetzen.
Anwendungsregion für neue Technologien
Diese Möglichkeit habe das STL bereits erfolgreich im ersten Projekt „Linie 12“ geboten und umgesetzt. „Das Projekt ergänzt mit diesem Ansatz die Standortstrategie des Kantons Schaffhausen als Anwendungsregion für neue Technologien“, erläutert Christoph Schärrer, Delegierter für Wirtschaftsförderung.