Es ist die vergleichbar kleinste Sternfahrt der letzten Tage im Landkreis Waldshut gewesen. Und doch war es diejenige mit der längsten Kundgebung, als sich die Landwirte am Freitag, 12. Januar, im Gewerbegebiet Kaitle in Waldshut-Tiengen sammelten. Eigentlich sollten die Gespräche auf der Bühne um 11.30 Uhr starten – um 12.30 Uhr rollten immer noch Traktoren an.

450 Fahrzeuge und rund 600 Menschen nehmen an der Abschluss-Kundgebung im Gewerbegebiet Kaitle teil.
450 Fahrzeuge und rund 600 Menschen nehmen an der Abschluss-Kundgebung im Gewerbegebiet Kaitle teil. | Bild: Rebecca Kunz

Nachdem mit Verspätung alle vor Ort waren, war es für die Bauernproteste im Landkreis Waldshut das erste Mal, dass Vertreter der Parteien CDU, SPD, Grünen und des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) zusammen auf der Bühne standen. Die Standpunkte dementsprechend verschieden. Oswald Tröndle, Kreisvorsitzender des BLHV Waldshut: „Im Dialog muss es Fronten geben, sonst ist es langweilig.“

Auch kommunale Politiker anwesend

Die erste Ansprache gehörte Oberbürgermeister Martin Gruner, der den Landwirten seine Solidarität und die seitens der Doppelstadt aussprach. Er wisse, dass der Beruf immens wichtig sei – auch wenn er nicht viel davon verstehe.

Oberbürgermeister Martin Gruner.
Oberbürgermeister Martin Gruner. | Bild: Rebecca Kunz

Landrat Martin Kistler war nach eigener Aussage vor allem gekommen, um zuzuhören. Er selbst sei auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Großeltern großgeworden und fühle sich dadurch mit den Bauern verbunden: „Das weckt immer schöne Erinnerungen an die Kindheit und Jugend.“

Er kenne die Probleme der Landwirte, die sich unter anderem über zu viel Bürokratie in ihrem Berufsalltag beschweren und versprach zu leisten was ihm als kommunaler Vertreter möglich sei. Kistler sprach die Bauern direkt an: „Wir brauchen Sie.“ Die letzten Wort seiner Ansprache, um es in seinen Worten zu umschreiben „auf der Zielgeraden“, waren ein Appell an die anwesenden Bauern: „Den Unmut über Demonstrationen zu äußern ist gut und wichtig. Es braucht aber im Interesse aller immer eine gewisse Kompromissbereitschaft.“

SPD und Grüne bekommen Buh-Rufe

Alfred Winkler war stellvertretend für die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) an der Kundgebung. Während seiner Ansprache sprach er davon, dass die Probleme in der Landwirtschaft schon länger währen würden und „nicht der Ampel-Regierung zuzurechnen seien.“ Auch sei er der Ansicht, dass Bauern mehr Überzeugungsarbeit in der Bevölkerung leisten müssten, teurere aber dafür regionalere Lebensmittel zu kaufen. „Das kann die Politik nicht leisten“, sagte Winkler wörtlich. Die anwesenden Landwirte reagierten mit Buh-Rufen und Pfiffen.

„Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“, als Zeichen gegen Rechts.
„Landwirtschaft ist bunt, nicht braun“, als Zeichen gegen Rechts. | Bild: Rebecca Kunz

Als der Kreisvorsitzende des BLHV Waldshut Martina Braun, Abgeordnete der Grünen im Landtag Baden-Württemberg, das Mikrofon übergab, kamen wieder vereinzelt Buh-Rufe aus dem Publikum. Die Grünen-Politikerin wusste allerdings schnell, wie sie die Rufe unterbinden konnte und sagte: „Ich will vor allem eines – miteinander reden. Ich bin selbst Bäuerin und stand heute Morgen schon im Stall, um Kühe zu melken.“

Vielerorts – wie hier am Mowag-Kreisel in Tiengen – kontrollierte die Polizei des Verkehrsgeschehen.
Vielerorts – wie hier am Mowag-Kreisel in Tiengen – kontrollierte die Polizei des Verkehrsgeschehen. | Bild: Müller, Gregor

Ihren Ausführungen zu Folge spiele vor allem der Handel eine wichtige Rolle, für die niedrigen Preise, die die Landwirte für ihre Produkte bekommen würden. Unter anderem deshalb gebe es seit etwa eineinhalb Jahren den Strategiedialog Landwirtschaft, bei dem die Politik mit Beteiligten aus Landwirtschaft, Naturschutz, Handel, und Gesellschaft über die Zukunft der Landwirtschaft in Baden-Württemberg spreche. Ihr Fazit: „Nur ausbuhen bringt nichts, man muss sich schon gemeinsam an einen Tisch setzen.“

Martina Braun (Grüne).
Martina Braun (Grüne). | Bild: Rebecca Kunz

Der letzte Politiker am Mikrofon war der Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (CDU). Er war der Auffassung, dass sich ein Bundeslandwirtschaftsminister im Kabinett durchsetzen können müsse und sprach damit den Versuch Cem Özdemirs an, die Subventionsstreichungen für Bauern zu stoppen. Denn: „Zur Wahrheit gehört doch, wenn alles super liefe, wären wir alle jetzt nicht hier.“ Das Grundproblem sehe er darin, dass in der gesamten Debatte zu viele Menschen mitreden würden, die „keine Ahnung haben.“ Die Landwirte dürften sich jetzt nicht entmutigen lassen.

Das könnte Sie auch interessieren