Wie gut sind Kraftwerke und Stauanlagen am Hochrhein vor Gefahren wie Erdbeben oder andere Naturkatastrophen wie Hochwasser geschützt geschützt? Und sind Sabotageakte – mit Blick auf den Ukrainekrieg – hier überhaupt wahrscheinlich? Experten der Schluchseewerk AG und von Energiedienst Holding geben ihre Einschätzungen.

1. Wie wird die Sicherheit der Anlagen gewährleistet? Gibt es regelmäßige Überprüfungen etwa zur Erdbebensicherheit und wie sehen diese aus?

„Grundsätzlich erfolgt die Talsperrenüberwachung mehrstufig“, erklärt Tobias Gebler, Stauanlagen-Experte bei der Schluchseewerk AG. „Es gibt permanente messtechnische Überwachung (rund um die Uhr), regelmäßige visuelle Kontrollen sowie jährliche Sicherheitsberichte über die Zustand der Anlagen und Begehungen mit den Aufsichtsbehörden. Es finden vertiefte Überprüfungen in größeren Abständen statt, wobei sämtliche die Stauanlage betreffenden Aspekte gründlich überprüft und gegebenenfalls Nachweise und Untersuchungen aktualisiert werden. Erdbeben sind dabei ein Teilaspekt.“

Auch die Energiedienst Holding AG, zu der unter anderem das Kraftwerk in Laufenburg gehört, kontrolliert nach eigenen Angaben regelmäßig die Sicherheit der eigenen Anlagen: „Unsere Stauanlagen unterliegen einer behördlich angeordneten jährlichen Überprüfung. Die Überwachung der Anlagen unterliegt der Schweizer Stauanlagenverordnung. Hierzu gehört auch die Erdbebensicherheit. Wir befolgen diese strengen Anforderungen und sind in ständigem Austausch mit den Behörden“, erklärte Pressesprecherin Cassandra Buri auf Nachfrage.

2. Haben die Angriffe auf kritische Infrastruktur im Ukrainekrieg auch den Blick auf mögliche Sabotageakte geändert? Gibt es stärkere personelle Überwachung?

„Unsere Anlagen gehören zur kritischen Infrastruktur und somit haben wir auch in der Vergangenheit die Anlagensicherheit bei Sabotageversuchen als Szenario berücksichtigt“, so Tobias Gebler von Schluchseewerk AG. „Die Ereignisse in der Ukraine führen zu einer Sensibilisierung dieser Thematik und zur Erkenntnis, dass auch in der heutigen Zeit in Europa solche unfassbaren Szenarien leider möglich sind.“

Cassandra Buri von Energiedienst erklärt dazu: „Wir sind im Austausch mit den Behörden und befolgen die geforderten Maßnahmen gemäß Einschätzung der Behörden.“

3. Welches sind die wahrscheinlicheren Gefahren für Anlagen hier in der Region?

Tobias Gebler von Schluchseewerk erklärt zum Thema Sabotage, dass hier eine bestmögliche Überwachung passiere. „In Bezug auf Naturkatastrophen werden im Rahmen einer Risikoanalyse sämtliche denkbaren Szenarien betrachtet und gegebenenfalls betriebliche, organisatorische oder baulich-konstruktive Maßnahmen ergriffen, um Risiken ausreichend zu minimieren“, so Gebler weiter.

„In unserer Region sind Szenarien wie Erdbeben oder Hochwasserereignisse durchaus denkbar und diese Lastsituationen sind in den zu führenden Standsicherheitsnachweisen Standard. Unsere Anlagen verfügen über sehr große Sicherheitsreserven, sodass diese Nachweise problemlos erbracht sind.“

Auch Energiedienst sieht Hochwasserereignisse als Herausforderung für die Anlagen. Sprecherin Cassandra Buri beschreibt die Sicht des Unternehmens auf Nachfrage folgendermaßen: „Eine stetige und wiederkehrende Gefahr am Rhein sind starke Hochwasser. Unsere Anlagen sind hierfür bestens ausgerüstet und vorbereitet, sodass wir diesbezüglich keine größeren Probleme erwarten. Weitere Gefahren und Risiken analysieren und bewerten wir regelmäßig.“

4. Angriffe auf die Infrastruktur: Der Blick in die Geschichte

In Kriegszeiten gab es eine Reihe von Fällen, in denen es am Hochrhein beinahe zur Zerstörung kritischer Infrastruktur gekommen wäre. Hier zwei Beispiele.

  • Geplantes Bombenattentat auf die Lonza bei Waldshut

Der französische Dragonerleutnant Maurice Mougèot plante 1917 – während des Ersten Weltkriegs – ein Bombenattentat auf das damals noch junge Unternehmen bei Waldshut. Doch das geplante Attentat auf das Werk, dessen Erzeugnisse zum Teil als kriegswichtig galten, wurde vereitelt. 59 Sprengkörper, etwa in der Größe einer Dynamitstange und gefüllt mit einer Masse aus hochexplosiver Pikrinsäure, hatten Mougèot und Komplizen Anfang Mai 1917 zur Zerstörung sensibler Anlagen in der Fabrik ausgelegt. Wer hinter dem Anschlag steckte, kam erst im Mai 1918 vor dem Schweizer Bundesstrafgericht heraus. Es verurteilte den französischen Dragonerleutnant in Abwesenheit wegen Spionage und Landesverrats gegen die Schweiz zu zehn Jahren Zuchthaus und lebenslänglicher Landesverweisung. In dem Prozess kam quasi nebenbei heraus, dass er auch, zusammen mit Helfern, versucht hatte, die Lonza in die Luft zu sprengen. (sk/hff)

Historische Ansicht der ehemaligen Lonza aus dem Jahr 1931. 1917 wäre das noch junge Werk beinahe von einem französischen ...
Historische Ansicht der ehemaligen Lonza aus dem Jahr 1931. 1917 wäre das noch junge Werk beinahe von einem französischen Dragoner-Leutnant in die Luft gesprengt worden. | Bild: Archiv: Knut Hammelmann
  • Hitlers „Nero-Befehl“ – Beinahe-Sprengung des Kraftwerks Laufenburg:

Das Kraftwerk Laufenburg, das zur einen Hälfte auf Schweizer, zur anderen auf deutschem Staatsgebiet liegt, wäre im Zweiten Weltkrieg beinahe gesprengt worden. Am 19. März 1945 erließ Adolf Hitler den „Nero-Befehl“ zur Zerstörung aller Brücken und Kraftwerke im Reichsgebiet. Bald bemerken Schweizer Grenzsoldaten unter Leutnant Louis Lang, dass Sprengstoff eingelagert wird. Der Offizier pflegt Kontakt mit dem stellvertretenden Leiter des militärischen Hilfsdienstes Zelewski. In der Nacht zum 25. April treffen sich Lang und Zelewski, der vor dem Abmarsch seiner Truppe den Schlüssel übergibt. Als gegen Morgen die Sprengabteilung eintrifft, sind die zwei Tonnen Sprengstoff schon längst an die Schweizer Armee übergeben worden – und somit konnte die Zerstörung des Werks noch verhindert werden. (sk/mbl)

Das Wasserkraftwerk in Laufenburg wäre im Zuge des „Nero-Befehls“ 1945 beinahe gesprengt worden.
Das Wasserkraftwerk in Laufenburg wäre im Zuge des „Nero-Befehls“ 1945 beinahe gesprengt worden. | Bild: Energiedienst Holding AG