Hoher Besuch beim Weltmarktführer: Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Rahmen seiner Wahlkampftour am Donnerstag bei der Firma Sto an deren Stammsitz in Weizen einen Besuch abgestattet. Doch wer mit einem Gute-Laune-Stelldichein gerechnet hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Dafür sei die aktuelle Lage in der Baubranche einfach zu bedenklich, wie die beiden Vorstandsmitglieder Rainer Hüttenberger und Michael Keller beim Rundgang durch die Produktion und das Infocenter des Unternehmens darstellten. Der Kanzler selbst sagte Verbesserungen zu, bemühte sich aber auch, Optimismus zu verbreiten.

Sto-Vorstandsvorsitzender: „Brauchen bessere Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie“

Es sei ein „Besuch in bewegten Zeiten“, wie der Vorstandsvorsitzende Hüttenberger in seiner Begrüßung sagte. Denn einerseits feiere Sto in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Andererseits drücke die aktuelle konjunkturelle Lage massiv auf die Feierstimmung.

Klare Forderungen: Sto-Vorstandsvorsitzender Rainer Hüttenberger (Mitte) fordert Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Baubranche.
Klare Forderungen: Sto-Vorstandsvorsitzender Rainer Hüttenberger (Mitte) fordert Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Baubranche. | Bild: Baier, Markus

Den denn Abschwung in der Baubranche bekomme Sto massiv zu spüren, so Hüttenberger. Infolge der eingebrochenen Nachfrage hat der Weltmarktführer für Wärmedämm-Verbundsysteme und innovative Farbhersteller schon vor Monaten Kurzarbeit angemeldet. Wie Bundeskanzler Scholz bei einem Rundgang durch das Unternehmen deutlich vorgeführt wurde, spielen Forschung und Entwicklung für Sto eine wichtige Rolle. Dazu zählen auch neue Geschäftsfelder wie serielles Bauen.

Scholz ist in Stühlingen-Weizen bei Sto zu Besuch.
Scholz ist in Stühlingen-Weizen bei Sto zu Besuch. | Bild: Nico Talenta

Doch die wirtschaftliche Lage erfordere Einschnitte, so Hüttenberger. Die bereits beschlossene Investition in einen Innovationscampus mit einem Volumen von 80 Millionen Euro wird vertagt – bis sich die Geschäfte wieder besser entwickeln: „Es ist für uns enorm wichtig, dass die Baubranche wieder Fahrt aufnimmt. Dafür brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen durch den Staat und den Abbau von Bürokratie“, betonte Hüttenberger. Denn die „hohe Regulierungsdichte“ gefährde die Entwicklung, sie gehe auf Kosten der Attraktivität als Arbeitgeber. Gerade mit Blick auf die Konkurrenz durch die Schweiz sei dies fatal.

Bundeskanzler Scholz: An vielen Stellen ist mehr Mut und Pragmatismus gefragt

In Sachen Dämmstoffe ist Sto inzwischen Weltmarktführer. Olaf Scholz (Mitte) konnte sich diesbezüglich einen sehr genauen Eindruck ...
In Sachen Dämmstoffe ist Sto inzwischen Weltmarktführer. Olaf Scholz (Mitte) konnte sich diesbezüglich einen sehr genauen Eindruck verschaffen. | Bild: Baier, Markus

Olaf Scholz präsentierte sich den Vertretern aus Politik und Mitarbeiterschaft gegenüber als sehr zugewandt für die Probleme. „Ich stimme Ihnen da voll zu“, lautete seine Botschaft auf Kritik der Sto-Geschäftsführung. „Unsere Bereitschaft hier Fortschritte zu erzielen ist groß.“ Die Weichen seien an vielen Stellen bereits gestellt: „Jetzt brauchen wir mehr Tempo bei der Umsetzung“, so Scholz, der auf einige Initiativen und Programme, die quasi beschlussfertig seien.

Scholz forderte aber auch mehr Mut und Pragmatismus. Architekten müssten sich trauen, gegen DIN-Vorschriften zu verstoßen. Dadurch sei auch kostengünstigeres Bauen möglich. „Indem wir die Haftung für Ingenieure und Planer verringern, hoffen wir auf mehr Bewegung. Gemeinden müssten mehr Baugebiete ausweisen. Denn es mangle überall an Wohnraum. Dieser müsse ja auch irgendwo entstehen können, so Scholz. Die Steigerung der Produktivität nannte er als wesentlichen Aspekt in allen Bereichen. Hier sei ein Abbau von Bürokratie wichtige Voraussetzung, lasse sich aber auch nicht immer so leicht umsetzen, wie sich das alle wünschen würden.

Immerhin: „Nachdem wir mit der Bekämpfung der Inflation bald durch sind, sind in Kürze Zinssenkungen der Zentralbank zu erwarten.“ Er hoffe sehr, dass sich das vorteilhaft auf den Bausektor auswirke.

Kanzlerbesuch erfordert intensive Vorbereitung

Mit einer Eskorte fuhr Bundeskanzler Scholz auf dem Werksgelände ein.
Mit einer Eskorte fuhr Bundeskanzler Scholz auf dem Werksgelände ein. | Bild: Baier, Markus

Der Besuch des Bundeskanzlers bedeutete Ausnahmezustand für den gesamten Standort Weizen und die 900 Mitarbeiter vor Ort – und dies schon Wochen im Vorfeld, wie die Leiterin der Presseabteilung Anne Ruhrmann im Gespräch mit unserer Zeitung darstellte: „Es steckt einiges an Arbeit dahinter. Es gab einen großen Sicherheitscheck im Vorfeld, ob das Gelände überhaupt geeignet ist.“

Mehrmals haben Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) das Unternehmen besucht. „Wir hatten schon viele Politiker hier, aber einen Bundeskanzler noch nie“, sagt sie. Ungewohnt sei gewesen, dass sich die rund ein Dutzend Journalisten nicht frei auf dem Gelände bewegen duften – eine Anweisung des BKA. Mit einem orangen Spanngurt grenzten die Sprecherinnen Silke Lannthaler und Regina Mahler die Journalisten an den einzelnen Stationen vom Kanzler und seinem Gefolge ab, zu dem Vertreter der Unternehmensführung und des Betriebsrats, aber auch die Waldshuter Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter gehörte.

Hohe Sicherheitsstandards: Vor dem Besuch wurde das Gelände wie auch die Ausrüstung der Reporter von der Hundestaffel untersucht
Hohe Sicherheitsstandards: Vor dem Besuch wurde das Gelände wie auch die Ausrüstung der Reporter von der Hundestaffel untersucht | Bild: Nico Talenta

Auch Stephan Frei, Leiter des Polizeireviers Waldshut-Tiengen, und sein Team waren in die Vorbereitungen des Besuchs des Bundeskanzlers eingebunden. „Es gab vorher Planungen mit dem Personenschutz des BKA. Bestimmte Bereiche wurden vorher mit Hunden abgesucht“, so Frei. So musste unter anderem vorher getestet werden, ob die Hunde durch den Geruch der Farbe und Lacke von ihrer Fährte abgelenkt werden können.

Zudem galt es zu klären, über welche Grenze der Kanzler einreisen wird. Nach der Landung in Zürich und der Einreise über den Grenzübergang Schleitheim wurde er von Lotsenkräften übernommen und auf das Werksgelände in Stühlingen-Weizen geführt.

Kanzler greift zu Pinsel und Farbe – und ist volksnah

Bei seinem Besuch bei Sto musste der Kanzler auch mitmachen. In der Produktionshalle 5 (Farben) wartete Michele Nanavecchia auf den Besuch aus Berlin. Der Italiener arbeitet seit 31 Jahren bei Sto und hat Erfahrungen mit Besuchern, egal ob prominent oder nicht.

Bild 6: Bundeskanzler Olaf Scholz bei Sto: Hoher Besuch in bewegten Zeiten
Bild: Baier, Markus

Extra für Olaf Scholz wurde ein roter Farbton produziert, den der Kanzler auch gleich ausprobieren durfte. Und wie hat der Kanzler den Pinsel gehalten? „Ich denke, er kann es besser mit dem Kugelschreiber“, antwortet Nanavecchia mit einem verschmitzten Lächeln. Er selbst habe sich gefreut, dem Kanzler zu zeigen, wie die Farbtöne hergestellt werden. Aufgeregt war er nicht. „Ich war ganz entspannt.“

Nach knapp 1:45 Stunden steigt der Kanzler wieder in den schwarzen Mercedes und winkt den Mitarbeitern ein letztes Mal zu, die nach dem Kantine-Besuch hinter der Absperrung gewartet haben, um noch einen Blick auf den hohen Besuch aus Berlin zu erhaschen.

Echt rot: In der Produktionshalle durfte der Kanzler selbst den Pinsel schwingen
Echt rot: In der Produktionshalle durfte der Kanzler selbst den Pinsel schwingen | Bild: Baier, Markus

Seinen engen Zeitplan hat er um 30 Minuten überzogen. Die Gespräche mit den Mitarbeitern hatten ihn länger beschäftigt als erwartet. Das beeindruckte Thade Bredtmann, Personalchef der Sto-Gruppe, besonders. „Er hat sich lange Zeit genommen und auch Autogramme gegeben, ein Mitarbeiter hat ihm auch sein Parteibuch gezeigt“, sagte Bredtmann.

Die Mitarbeiter kamen von den unterschiedlichen Standorten und hatten unterschiedliche Funktionen, darunter auch einige Betriebsratsmitglieder. Vor dem Besuch war laut Personal-Chef große Spannung. Und danach? „Es war eine Auszeichnung, dass er gekommen ist und ein tolles Erlebnis.“

Der Besuch des Kanzlers zum Nachlesen:

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