Bauwagen sind seit Jahrzehnten im ländlichen Raum beliebte Treffpunkte für Jugendliche. Sascha Morath und Rainer Stoll erinnern sich an die 1980er bis 2000er Jahre, als sie selbst aktiver Teil dieser selbst organisierten Jugendtreffs waren.

Inzwischen ist Stoll Leiter des Haupt- und Bauamts im Wutöschinger Rathaus. Ein paar Türen weiter sitzt Sascha Morath in seinem Büro. Hier ist er für das Rechnungsamt zuständig. Das Gespräch über die Bauwagenzeit war für beide eine Zeitreise, zurück in die Vergangenheit, wie beide bestätigen. „Wer dazugehörte, war cool, der Bauwagen war unsere Heimat“, erzählen die beiden mit einem Lächeln.

Heute sind Sascha Morath (links) und Rainer Stoll Amtsleiter im Wutöschinger Rathaus. In den 1980er und 90er Jahren waren sie in der ...
Heute sind Sascha Morath (links) und Rainer Stoll Amtsleiter im Wutöschinger Rathaus. In den 1980er und 90er Jahren waren sie in der Bauwagen-Szene in Wutöschingen und Schwerzen aktiv. Hier stehen beide vor dem Bauwagen Schwerzen. | Bild: Edinger, Gerald

„Unsere Gruppe kam aus allen Ortsteilen zusammen“, erzählt Stoll von den Ursprüngen des „Bauwagens Schwerzen“, der damals auf dem Hof von Familie Jäger stand. Die elf 14- und 15-jährigen Jungs – und es waren ausschließlich Jungs – waren Realschüler aus Schwerzen und Horheim sowie Fußballer der B-Jugend des Jahrgangs 1972/73. Gegründet wurde der Bauwagen am 1. Mai 1988, daran erinnert sich Rainer Stoll genau.

200 Mark für einen baufälligen Bauwagen

Natürlich konnten sich die Schüler keinen neuen Bauwagen leisten. Für 200 D-Mark kauften sie einen baufälligen Wagen von einer Baufirma, der Arbeitern lange als Pausenraum diente. „Mit Nut- und Federbrettern haben wir den Bauwagen ausgebaut, jeder musste 40 Mark für Kauf und Restaurierung beisteuern“, erzählt Stoll. Zwei Tische, ein Holzofen und ein Sofa wurden aus Altbeständen gespendet und machten den Innenraum wohnlich.

Gut zwei Jahre früher waren Sascha Morath und seine Freunde mit einem Bauwagen am Start. Zu Beginn waren es nur fünf Jungs, die den Bauwagen zum gleichen Preis wie die Schwerzener kauften. Der Standort war fast mitten in Wutöschingen, bei Familie Preiser im Trottenweg.

Die Gruppe wuchs auf ein Dutzend an, die das langen Wochenende von Freitag bis Sonntag nutzten, sich den neugierigen Blicken und Ohren der Erwachsenen zu entziehen. „Es waren oft Klassenkameraden, auf jeden Fall alles Leute, die zu uns passten“, betont Sascha Morath.

Etwas eigenes schaffen – ohne Hilfe der Erwachsenen

Klar, strapazierten die Jungs die Nerven der Nachbarn, wenn sie am Wochenende mit ihren knatternden Mofas erst hin-, dann wieder wegfuhren – nicht selten mitten in der Nacht. Es ging um Geselligkeit, das Miteinander, nicht um Saufgelage, sagen die beiden Amtsleiter und widersprechen damit landläufigen Vorurteilen. „Es ging uns darum, etwas eigenverantwortlich zu schaffen – ohne Hilfe von Erwachsenen“, so Morath.

Regeln im landläufigen Sinn gab es weder in der Clique in Schwerzen noch Wutöschingen. „Trotzdem hat es funktioniert, viele was natürlicher Anstand, alle kamen aus guten Elternhäusern“, erklären sie. Zwar gab es einen Präsidenten, er hatte aber keine Funktion“, schmunzelt Stoll.

Meistens einigten sie sich schnell, ob Karten gespielt, einfach nur gequatscht oder ein Film geschaut wurde, manchmal wurde auch im Bauwagen übernachtet. „Wir waren alle im gleichen Alter, das hat vieles einfacher gemacht. Stinker hätten sich bei uns gar nicht wohlgefühlt“, sagen die beiden.

Bis zu 1500 Leute bei den Festen in den 90ern

Die Clique in Schwerzen wuchs irgendwann auf 25 Jungs an. Später wurden jährlich große Feste organisiert, da kamen in den 1990er Jahren bis zu 1500 Leute. 2008 spendierte Bürgermeister Georg Eble sogar ein Fass Bier, das er bei Festbeginn anzapfte.

Auch die Wutöschinger hatten ihr Bauwagenfest auf dem Rastplatz Münz oberhalb von Wutöschingen. „Irgendwann ist uns das aber über den Kopf gewachsen und wir mussten aufhören“, erinnert sich Morath. Glänzende Augen bekommt er, wenn er sich an das Maibaumstellen, das Fest auf der „Ochsenwiese“, dort wo heute das Ärztehaus steht, erinnert. „Das war wie ein Dorffest, da kamen Jung und Alt zusammen.“

Sascha Morath, der heutige Leiter des Rechnungsamts im Rathaus, gehörte 1986 zu den Gründungsmitgliedern der Wutöschinger Bauwagen-Clique.
Sascha Morath, der heutige Leiter des Rechnungsamts im Rathaus, gehörte 1986 zu den Gründungsmitgliedern der Wutöschinger Bauwagen-Clique. | Bild: privat

„Die Bauwagenszene ist für die Gemeinde Jugendarbeit auf dem Silbertablett für lau!“, sagt Hauptamtsleiter Rainer Stoll. Und bis heute werden die jungen Leute von der Kommune bei notwendigen Anschaffungen unterstützt. Wie eng die Bande zur Bauwagenszene sind, zeigt auch der Umstand, dass von den heute 18 Mitgliedern des Gemeinderats, acht selbst einen Bauwagen-Hintergrund haben.

Mitglieder verstehen sich noch genauso wie früher

Als junge Erwachsene machten die beiden Gruppen Ausflüge und Urlaube mit ihren Freunden aus dem Bauwangen. Die Abnabelung vom Bauwagen beschreiben Stoll und Morath als „schleichenden Prozess“. Aber es gibt immer noch Treffen zu Weihnachtsfeiern oder Geburtstagen. „Selbst wenn wir uns länger nicht gesehen haben, verstehen wir uns noch genau so gut wie früher“, erzählt Stoll.

Natürlich beobachten sie die aktuelle Szene und stellen dabei fest. „Heute sind es oft Kinder von unseren Freunden, die selbst einen Bauwagen hatten“, stellen sie fest. Beide Ur-Bauwagen gibt es nicht mehr. Der Wutöschinger stand lange leer, wurde baufällig und deshalb abgerissen. Der in Schwerzen brannte eines Tages nieder.

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