Direkt vor den Türen von Jestetten/Altenburg, wenige Schritte über die Schweizer Grenze hinweg, liegt ein Kleinod mitten im Rhein. Bei einem Spaziergang entlang der Felder oberhalb des Gewerbegebiets Jestetten kann bei guter Sicht nicht nur die Alpenkette bewundert werden, sondern auch die Spitzen der beiden mächtigen Türme der Klosterkirche Rheinau, die durch die Baumwipfel blinken, zu entdecken sind. Es ist ein imposanter Anblick.
Über eine Holzbrücke gelangen die Besucher von Altenburg aus in die Schweizer Gemeinde Rheinau des Kantons Zürich. Umflossen vom Rhein liegt die Klosteranlage idyllisch auf einer Insel. Das Kloster wurde im Jahr 778 als Benediktinerabtei gegründet und von Herzog Wolfhardt, Sohn Ruthards und Schwiegervater des Karolingerherrschers Ludwig des Frommen, errichtet. Einer Sage nach kam es an diesem Ort mitten im Rhein zur Gründung der Anlage aus Dankbarkeit eines Edelmannes, der beim Fischen einschlief, am Rheinfall durch das Tosen des Wassers erwachte, zugleich vor Schrecken und Todesangst in Ohnmacht fiel und, wie durch ein Wunder mit seinem Boot in ruhige Gefilde getrieben, genau an dieser Stelle wieder zu sich kam.
Einst nur als kleine Einsiedelei bestehend, kam es mit Wolfhardts Enkel Wolfenus und seinem ihm zur Seite stehenden Berater, dem Schottenmönchen Fintan, zur Neubesiedlung mit Mönchen von St. Gallen sowie der Reichenau, und damit etwa im Jahr 837 zu einer Neugründung und folgender Blüte als religiöse Bildungsstätte.
Wechselvolle Geschichte
Über die Jahrhunderte hinweg erlebte auch die Klostergemeinschaft eine wechselvolle Geschichte. Prägend waren die Einflüsse jeweils herrschender Persönlichkeiten und Herrscher, wie der König der Franken und späterer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Karl der Große (768 bis 814) sowie die Habsburger als bedeutende Landesherren im Mittelalter. Napoleons Besetzung, Helvetische Republik 1798, sowie die Säkularisation, ab 1803, führten zur Enteignung und Aufhebung aller Klöster, zum Verkauf kostbarer Ausstattungen und Bibliotheken. Das Kloster Rheinau wurde endgültig 1862 geschlossen. Es kam zu Umnutzungen der Gebäude – 1867 als Heil- und Pflegeanstalt sowie später als kantonale psychiatrische Klinik, welche erst im Jahr 2000 geschlossen wurde.
Die Beziehungen des Klosters waren also geprägt von einem Zusammenspiel zwischen religiöser Autorität, politischem Einfluss und wirtschaftlichen Interessen, die sich über Jahrhunderte hinweg entwickelten und den Wandel des religiösen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens der umliegenden Region einschloss. Belege aus den Blütezeiten des Klosters sind wertvolle Manuskripte, die in verschiedenen Bibliotheken aufbewahrt werden, insbesondere in der Schweiz. Die Mönche des Klosters waren bekannt für ihre sorgfältige und kunstvolle Abschrift von Texten, insbesondere von religiösen Schriften, aber auch von klassischen Werken der Antike. Sie bieten Einblicke in die mittelalterliche Buchkunst und das geistliche Leben des Klosters.
Die Nutzung heute
Heute beherbergt das Kloster sowie die Klosterkirche die Pfarrei Liebfrauen, das Musikzentrum, Stiftung „Musikinsel Rheinau“ mit Proberäumen und Unterkunft für interessierte Künstler sowie die „Spirituelle Weggemeinschaft“ mit dem Angebot als „Haus der Stille“. Die kantonale Hauswirtschaftsschule nutzt Räume als Kurszentrum des „Strickhofs“.

Im ehemaligen Gästehaus betreibt die Stiftung „Fintan“ das „KAFI“ als Hofladen und Begegnungsstätte. Der Rheinauer Konzert & Orgelkreis lädt zu klassischen oder sakralen Konzerten ein – ein historisches Denkmal also, welches viele Besucher anzieht.