Erst schien alles auf einem guten Weg, dann folgte das Zerwürfnis und eine juristische Auseinandersetzung: Was als glückliches Ende einer lange Zeit erfolglosen Suche nach einem Nachfolger einer Arztpraxis seinen Ausgang nahm, wurde zum „Ühlinger Ärztestreit“, in dem jetzt das Landgericht Waldshut-Tiengen zu einer Entscheidung kam.

Hier hatten sich beide Kontrahenten, die Mediziner Ralf Berg und sein einstiger Wunschkandidat für die Übernahme seiner Arztpraxis, Mohamed Jafar gegenseitig wegen Vertragsbruch verklagt und jeweils Schadensersatz eingefordert. Nun liegt eine juristische Entscheidung im so genanntenÜhlinger Ärztestreit vor.

Nach zähem Ringen und monatelangem Zuwarten, ob sich nicht doch noch eine außergerichtliche Einigung finden lasse, hat der Vorsitzende Richter Jürgen Adam die Klagen beider Seiten abgewiesen.

Ob das auch schon das letzte Wort in der nun knapp anderthalb Jahre andauernden Auseinandersetzung zwischen beiden Ärzten sein wird, die weiterhin in Nachbarschaft zueinander eigene Praxen betreiben, bleibt abzuwarten. Zumindest Mohamed Jafar zeigte sich im Gespräch mit unserer Zeitung unzufrieden und kündigte Einspruch an. Beide Seiten haben einen Monat Zeit, in Berufung zu gehen.

Was war Gegenstand der Klage?

„Im Grunde machten sich beide Seiten gegenseitig für die gescheiterte Praxisübernahme verantwortlich“, fasst Richter Adam die Angelegenheit zusammen. Beide beriefen sich auch eine vertraglich geregelte Strafe, die im Falle der Nichterfüllung des gemeinsamen Vertrages fällig sei.

Mohamed B. Jafar.
Mohamed B. Jafar. | Bild: Ursula Ortlieb

Mohamed Jafar klagte zugleich auf Akzeptanz eines neuen, auf ihn ausgestellten Mietvertrags durch seinen Kontrahenten Berg, der die Praxis an angestammtem Ort weiterbetrieb, obwohl sein Mietvertrag bereits beendet worden war. Auch Schadensersatzforderungen wegen entgangener Gewinne machte er geltend.

Ralf Berg
Ralf Berg | Bild: David Rutschmann

Ralf Berg im Gegenzug klagte auf Konkurrenzausschluss am Standort Ühlingen, wo sich Jafar nun trotz allem Praxisräume gemietet hat, und auf Rückgabe von Patientendaten, die er Jafar bereits zugänglich gemacht hatte.

Wie lautet die Einschätzung des Gerichts?

Der Vorsitzende Richter kam derweil zu dem Schluss, dass nicht die Pflichtverletzung einer der beiden Seiten für die Nichterfüllung des Vertrags verantwortlich war, sondern die fehlende Gesprächs- und Vertrauensbasis. Dies habe auch dazu geführt, dass es nicht möglich gewesen, einige zentrale Aspekte im Vertrag zu regeln, die in der ungeklärt geblieben waren.

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„Viele Modalitäten hätten erst nach Vollzug der Übernahme geklärt werden sollen“, so Adam. Doch dazu kam es nie, weil zum Zeitpunkt der avisierten Übernahme das Vertrauensverhältnis bereits vollkommen zerrüttet gewesen sei, so die Einschätzung des Richters.

Zwei Punkte blieben demnach ungeklärt: So sei vorgesehen gewesen, dass Ralf Berg in Mohamed Jafars Praxis als angestellter Arzt weiterarbeiten sollte. Die Bedingungen könnten aber nicht abschließend geregelt werden.

Mohamed Jafar ist zwischenzeitlich in anderen Räumlichkeiten tätig.
Mohamed Jafar ist zwischenzeitlich in anderen Räumlichkeiten tätig. | Bild: Ursula Ortlieb

Ebenso sei keine angemessene und zulässige Übergabe von Patientendaten zustande gekommen: „Die Rahmenbedingungen hätten funktionieren können“, so Adams Einschätzung. So sei zunächst eine Hospitanz Jafars in der Praxis und anschließend eben die Weiterbeschäftigung Bergs geplant gewesen. Das hätte einen Datentransfer im laufenden Betrieb ermöglicht.

Beide Seiten haben schnell ihre Vertrauensbasis verloren

Aber es sei eben alles anders gekommen: Schon kurz nach der Vertragsunterzeichnung waren beiderseits Zweifel aufgekommen, die sich mit der Zeit so weit ausgewachsen hatten, dass am Ende gar keine Verständigung mehr möglich gewesen sei, so Jürgen Adam: „Das Vertrauensverhältnis war zerstört, und ohne dieses ging es nicht weiter.“

Spätestens zum Oktober 2021 habe dann gar keine Geschäftsgrundlage bestanden. Damals war Berg vom Übernahmevertrag zurück getreten und hatte trotz gekündigtem Mietvertrag weiter praktiziert, wenig später hatte er sogar eine neue Ärztin in die Praxis aufgenommen. Jafar wiederum hatte wenige hundert Meter von Bergs Praxis eine eigene Praxis eröffnet. Der Klageweg war für beide unausweichlich.

Jürgen Adam hatte an den beiden Verhandlungstagen versucht, eine Kompromisslösung zu finden. Trotz jeweils stundenlangem Ringen sei dies aber nicht möglich gewesen: „So wie wir die Parteien vor Gericht erlebt haben, gab es wenig Verbindendes zu entdecken.“ Weder eine Basis für gemeisame Gespräche noch eine für beide verträgliche Lösung habe daraus erwachsen können.

Keine der Streitparteien hat Pflichten verletzt

Die mangelnde gemeinsame Basis habe auch eine Vertragserfüllung undenkbar gemacht. Somit sei das Scheitern der Übernahme eben auch nicht auf die Pflichtverletzung einer Seite zurückzuführen gewesen, weswegen auch die Voraussetzung für eine Vertragsstrafe nicht erfüllt war, bringt Adam den durchaus komplexen Sachverhalt auf den Punkt.

Folglich resultierte daraus die Klageabweisung – verbunden mit der Kostenverteilung zulasten der Kläger. 80 Prozent davon muss Jafar übernehmen, da sein Klagewert deutlich höher einzustufen sei, 20 Prozent Berg.

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