Gemeinsam mit seinem spanischen Kletterpartner Marc Bordas-Garcia war der aus Gurtweil (Waldshut-Tiengen) stammende Extrembergsteiger Robert Jasper im nördlichen Patagonien auf einer Expedition.
Zuvor war er mit seinem Seilpartner Jörn Heller in dieser Region zu Expeditionen im nördlichen Eisfeld unterwegs. Gefilmt wurde dieses Abenteuer von einem Kamerateam für eine Fernsehproduktion des ZDF.
Herr Jasper, wir erreichen Sie telefonisch gerade in Griechenland. Sind Sie zur Erholung dort oder zum Vorbereiten auf die nächste Tour?
Robert Jasper: Wir sind gerade zum Training und zur Vorbereitung für mein nächstes großes Projekt in Griechenland. Hier gibt es sehr gute Klettermöglichkeiten und das Klima ist viel milder als in den Alpen. Nach dem schlechten Wetter bei meiner letzten Expedition in Patagonien ist das aber auch eine gute Erholung.
Kommen wir zu Ihren jüngsten Expeditionen. Was war Ihr Hauptziel in Patagonien?
Robert Jasper: Gerade im nördlichen Teil von Patagonien gibt es viele Gegenden und Gebirgszüge, wo bisher nur sehr wenige Menschen waren. Bei meinen vergangenen Expeditionen habe ich dort Berge gesehen, die mich reizen, unbestiegen, unerforscht! Neuland zu erkunden, ist für mich eine große Herausforderung.
Sie sind immer wieder in Patagonien. Welche Bedeutung hat eine der unwirtlichsten Regionen der Erde für Sie persönlich?
Robert Jasper: Ich war natürlich schon auf der ganzen Welt in verschiedenen Gebirgen unterwegs. Ein wichtiger Aspekt ist neben dem Bergsteigen andere Kulturen, andere Menschen kennenzulernen.
Patagonien hat es mir speziell angetan, gerade der chilenische Teil, weil die Natur sehr ursprünglich und wild ist und es noch keinen Massentourismus an Bergen wie im Himalaya gibt. Mittlerweile habe ich dort ein paar nette Leute aus der Bergsteigerszene kennengelernt und wir waren zusammen klettern.
Es ist wie früher in den Alpen, wenn man Pionier sein darf und neue Routen angeht, ist das ein viel größeres Abenteuer, das finde ich spannend.
In der Vorbereitung auf diese Expeditionen, welchen technischen und logistischen Aufwand müssen Sie dafür betreiben?
Robert Jasper: Die richtige Vorbereitung ist sehr schwierig, weil das Gebiete sind, wo bisher wenige Menschen waren, also weitgehend unerforscht. Da gibt es viele Faktoren, die man nicht genau vorher planen kann, viele Fragezeichen. Nur mit sehr viel Erfahrung, guten Partnern und bester Ausrüstung ist das möglich.

Vor allem aber das Wetter ist unberechenbar. Man schaut am Morgen aus dem Zelt und denkt, es wird ein schöner Tag und innerhalb von ein, zwei Stunden ist man im Schneesturm mit Sturm und Windgeschwindigkeiten bis über 100 Stundenkilometer. Dann ist sogar zelten unmöglich, man würde einfach wegfliegen.
Da hilft nur die Ruhe bewahren, zurück zum letzten geschützten Ort gegen und natürlich meine langjährige Bergerfahrung als Bergführer und Profi-Bergsteiger.
Was gibt es, außer dem unberechenbaren Wetter, in dieser Region für besondere Herausforderungen?
Robert Jasper: Vom letzten Ort sind es sehr, sehr lange Wege, oft geht es mehrere Tage durch ganz wilde Landschaften. In den Tälern muss man durch unwegsamen kalten Regenwald, hier liegen die Bäume kreuz und quer. Stundenlang geht es über Stock und Stein, oft muss man muss eiskalte Bäche oder sogar Flüsse queren.
Wirkliche Abenteuer sind nicht nach Beschreibung und Plan im Reisebüro zu buchen, es sind Expeditionen ins Ungewisse, bei denen man sich oft auf undenkbar schwierige Situationen einstellen muss. Die große Kunst ist, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen, zu analysieren, um nicht in kritische Situationen zu geraten, vorher die richtige Entscheidung zu treffen, eventuell sogar umzukehren, da es dort keine Bergrettungsdienste gibt.
Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat, womit Sie überhaupt nicht gerechnet hatten?
Robert Jasper: Meine vier Bergführerfreunde haben mir gesagt, dass gerade in diesem Sommer das Wetter fast die ganze Zeit schlecht war, kein einziges Schönwetterfenster, in dem man etwas Schwierigeres hätte klettern können. Diese ganz großen Schwankungen gab es früher nicht. Durch den Klimawandel habe ich das Gefühl, dass das Wetter immer unberechenbarer und extremer wird!
Ist der Klimawandel in Patagonien besonders stark zu spüren, mehr als bei uns?
Robert Jasper: Ja, man spürt ihn noch viel extremer als bei uns. Gerade in den Bergen auf den Gletschern schwindet das Eis jedes Jahr um 100 Meter in der Dicke, das ist kaum vorstellbar.
Aber auch bei uns sind die Auswirkungen ja schon zu spüren: Hitze, Dürren und Überschwemmungen. Schneearme Winter in den Alpen und sehr wenig Wasser im Rhein, aus meiner Sicht Auswirkungen des globalen Klimawandels!
Mit den Ergebnissen, die Sie von Ihren Expeditionen mitbringen, profitiert davon auch die Wissenschaft?
Robert Jasper: Bei meinen letzten drei Expeditionen hatten wir einen Forschungsauftrag und haben Schneeproben für Klima- und Gletscherforschungen mitgebracht. Als Bergführer sind wir allerdings keine Wissenschaftler.
Aber das Projekt mit der Humboldt-Universität zu Berlin und dem ZDF, war für mich schon etwas ganz Besonderes. Da konnten wir den Wissenschaftlern bei ihrer globalen Forschungsarbeit ein bisschen weiterhelfen, quasi einen kleinen Tropfen an die Wissenschaft zurückgeben.
Sie haben eine neue Route am Cerro Colorado bestiegen, was waren die Unterschiede zum Klettern in den Alpen?
Robert Jasper: Der erste Unterschied ist, dass man dort in viel abgelegeneren Regionen unterwegs ist als bei uns in den Alpen. Mit der Hilfe eines einheimischen Gauchos, der mit seinen Pferden unser Material hochgetragen hat, sind wir zu Fuß im Basislager angekommen.

Dann haben wir die Kletterausrüstung zur Wand hochgetragen und auf Wetterbesserung gehofft. Wir waren dort zwei Wochen, um diese Erstbegehung, die neue Route zu schaffen. Eigentlich dachten wir, dass das schneller gehen würde. Wegen der Wetterverhältnisse haben wir oft nicht klettern können und mussten dann unseren Proviant rationieren.
Will man erfolgreich sein, braucht es viel Willen und Kreativität, sich an Situationen anpassen zu können, aber auch Geduld und die notwendige Zeit einzuräumen ist notwendig, das lernt man in solchen Situationen. Auch in unserer alltäglichen Welt gilt, so finde ich, dieses Gesetz, das wird aber oft vergessen. Wenn du etwas wirklich Gutes schaffen willst, braucht es auch die nötige Zeit.
Sie hatten bei der Forschungsexpedition in Patagonien auch ein Kamerateam mit dabei. Wie funktioniert das, wenn Sie ein Filmteamdabeihabenn?
Robert Jasper: Als Bergführer sind wir gewohnt, mit Gruppen unterwegs zu sein oder mit Menschen, die nicht so viel Erfahrung in der Gebirgswelt haben. Kameraleute und Wissenschaftler sind Profis in ihrem Bereich. Bei solch einer Expedition müssen sie aber schon Bergerfahrung haben. Die Führung, Planung und alles, was mit der praktischen Umsetzung des Projekts zu tun hatte, lag in meinem Aufgabenbereich, auch die Verantwortung.
Sie haben Familie. Was motiviert Sie trotzdem immer wieder, an die Grenze des Möglichen zu gehen?
Robert Jasper: Bergsteigen ist seit vielen Jahren meine Leidenschaft und ich hab daraus meinen Beruf gemacht. Was man nie vergessen darf: Jeder Beruf birgt ein Risiko! Wichtig finde ich, dass man die Risiken nicht ignoriert, ich versuche der Gefahr ins Auge zu schauen und mit einem professionellen Risikomanagement entgegenzuwirken.
Hundertprozentig sicher ist es ehrlich gesagt trotzdem nicht, das Restrisiko bleibt es bei allem, was man im Leben tut. Auch beim Autofahren kann etwas passieren oder sonst wo im Alltag. Bergsteigen ist für mich vom Risiko her vertretbar.
Bis jetzt hat es funktioniert – auch wenn ich im Leben schon das ein oder andere Mal Glück hatte. Ich finde, man sollte sich auch fragen, wo es im Leben sich auch lohnt, einmal aus dem sicheren Hafen oder Haus herauszukommen und etwas für seine Träume zu tun und etwas zu riskieren!
Herr Jasper, was sind Ihre Pläne für die nächsten Monate?
Robert Jasper: Gerade bin ich in der Vorbereitung für mein nächstes Projekt im Sommer. Ich möchte ein besonderes Abenteuer quasi vor meiner Haustür, vom Schwarzwald und in den Alpen angehen, wovon ich schon lange geträumt habe.
Ich werde mit dem Fahrrad aufbrechen und will eine ganz besondere Klettergeschichte machen. Es soll darüber auch ein Film für das Bayerische Fernsehen entstehen. Eigentlich mag ich es nicht so gerne, vorher über meine Projekte zu berichten. Ich finde, man sollte erst sein Ding machen. Hinterher finde ich es okay, dann erzähle ich auch mal gerne über ein bestandenes Abenteuer oder eine spannende Geschichte.