„Verspargelung“ der Landschaft oder Mittel zur Energiewende? An Windkraftanlagen scheiden sich die Geister – vor allem, wenn sie vor der eigenen Haustüre gebaut werden sollen und nicht irgendwo weit weg an einer Küste.
Herrischried ist da kein Einzelfall. Auch hier soll ein Windkraftpark entstehen. Auch hier gibt es Gegner, die gegen das Vorhaben kämpfen wollen, und Befürworter. Und auch hier werden unterschiedliche Argumente angeführt. Wir haben fünf Behauptungen näher angeschaut. Was steckt dahinter?
These 1: Der Schattenwurf einer Windkraftanlage ist extrem störend
Wo Licht ist, ist auch Schatten – das gilt auch für Windkraftanlagen. Heißt: Wenn die Sonne scheint, wirft diese auch einen Schatten. Beim Turm mag dies nicht störend sein, doch bei den Rotorblättern, die sich bewegen, bedeutet das einen Wechsel aus Licht und Schatten. Das kann natürlich mehr als nur nervig sein.
Deshalb wird laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg der Schattenwurf bereits im Genehmigungsverfahren berücksichtigt. „Anlagenbetreiber müssen dazu eine Schattenwurfprognose vorlegen.“ Bestehende Wohnhäuser dürften nicht mehr als 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten pro Tag durch Schattenwurf betroffen sein.
Da es sich um einen rechnerischen Wert handelt, können in der Praxis die tatsächlichen Werte niedriger liegen. So scheint beispielsweise nicht immer die Sonne, der Wind weht nicht oder die Rotorblätter sind nicht in Windrichtung ausgerichtet.
Liegen die Werte über den gesetzlichen Grenzen, sei von einer „erheblichen Belästigung“ auszugehen. Dann könnten Anlagen beispielsweise auch mit Schattenwurfabschaltungen ausgerüstet werden.
Wo der Schatten der Anlage hinfällt, hängt vom Stand der Sonne und der Höhe der Anlage ab. Richtung Norden wirft die Anlage nie einen Schatten. Richtung Süden nur einen kurzen, denn wenn die Strahlen aus dieser Richtung kommen, steht die Sonne hoch am Zenit.
Den längsten Schatten gibt es in Richtung Osten und Westen, wenn die Sonne am Morgen aufgeht oder am Abend untergeht. Dann können die Schatten entsprechend der Höhe der Windkraftanlage entsprechend lang werden.
These 2: Die Lärmbelästigung durch Windkraftanlagen kann zu gesundheitlichen Problemen führen
Was sich bewegt, verursacht auch Geräusche. Davon sind Windkraftanlagen nicht ausgenommen – vor allem, wenn der Wind auf die Rotorblätter trifft. Allerdings wird genau geregelt, wie laut eine Windkraftanlage sein darf.
Dafür gibt es unterschiedliche Werte – je nachdem, wo gemessen wird. So beträgt der zulässige Grenzwert in einem Industriegebiet 70 Dezibel (dB). Das entspricht dem Lärmpegel, der in einem Großraumbüro herrscht. Ein Industriegebiet ist auch der einzige Bereich, in dem tags und nachts der gleiche Wert angesetzt wird. Ansonsten gelten überall nachts niedrigere Werte.
In einem reinen Wohngebiet liegt der Grenzwert bei 55 dB tags (Wohnstraße oder Gespräch zwischen zwei Personen) und 40 dB nachts (leichter Regen). Noch niedriger liegen die Grenzwerte in einem reinen Wohngebiet: 50 dB tags und 35 dB nachts. Die niedrigsten Werte gelten für Kurgebiete, Krankenhäuser und Pflegeanstalten. Hier dürfen es tagsüber 45 dB (Brummen eines Kühlschranks) und nachts 35 dB (Blätterrascheln) sein.
These 3: Infraschall kann im Umkreis von 20 Kilometern krank machen
Was genau ist Infraschall? Dabei handelt es sich um sehr tiefe Töne, ab einer Frequenz von unter 20 Hertz. Sie sind für das menschliche Ohr nicht zu hören, werden aber von Windkraft-Gegnern gerne als Argument herangezogen. Nicht nur Windkraftanlagen verursachen Infraschall, sondern auch Meeresrauschen, Erdbeben, Heizungen und Klimaanlagen.
Studien belegen allerdings, dass der Infraschall durch Windkraftanlagen deutlich geringer ist als beispielsweise durch den Autoverkehr. So gehen Forscher wie die des Bayreuther Zentrums für Ökologie- und Umweltforschung im Jahr 2022 davon aus, dass keine Gesundheitsgefahr durch Infraschall von Windkraftanlagen ausgeht.
Wieso klagen Betroffene allerdings immer wieder darüber, dass sie Schlafstörungen, Schwindel und Kopfschmerzen haben, wenn sie länger dem Infraschall ausgesetzt gewesen sein sollen? Mit dieser Frage hat sich der klinische Psychologe Keith J. Petrie von der Universität Auckland in Neuseeland beschäftigt. Und festgestellt: Windräder können das Krankheitsempfinden triggern, ungute Erwartungen stimulieren und so Symptome verursachen.
These 4: Windparks führen zu einem Werteverlust der Immobilien in der Umgebung
Fallen die Immobilienpreise ins Bodenlose, wenn ein Windpark in der Nähe errichtet wird? Mit diesem Thema haben sich Forscher des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung – in Essen beschäftigt. Sie haben drei Millionen Verkaufsangebote auf einem Immobilienportal ausgewertet und Folgendes festgestellt.
- Windkraftanlagen, die in einem Abstand von einem Kilometer von einem Einfamilienhaus errichtet werden, führen im Durchschnitt zu einer Preissenkung der Immobilie um 7,1 Prozent.
- Mit zunehmendem Abstand von der Windkraftanlage verringere sich der Effekt. Bei einem Abstand von acht bis neun Kilometern hätten Windkraftanlagen keine Auswirkungen mehr auf die Immobilienpreise.
- Nicht alle Immobilien sind in gleichem Maße betroffen. Den größten Werteverlust gebe es bei alten Häusern in ländlichen Regionen. Dort könne der Wert sogar um 23 Prozent sinken. Weniger Auswirkungen gebe es bei Immobilien im städtischen Gebiet.

Die Studie stammt aus dem Jahr 2019. Jüngst hat aber ein Forscherteam der University of California in Berkeley (USA) und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) aber die Entwicklung der Immobilienpreise in verschiedenen Regionen der USA in der Nähe von über 60.000 Windrädern zwischen 1997 und 2020 untersucht.
Bei Häusern, von denen man eine oder mehrere Windkraftanlagen sehen kann, läge der Kaufpreis um durchschnittlich 1,12 Prozent niedriger. Allerdings spielt wohl auch die Menge der Anlagen eine Rolle, sind es mehr als 20 Anlagen, betrage der Verlust 2,5 Prozent. Und noch eine Zahl gibt es: Stehen die Windkraftanlagen in weniger als zwei Kilometer Entfernung, kann der Wert der Immobilie um bis zu acht Prozent sinken.
These 5: Wo Windkraftanlagen gebaut werden, bleiben die Touristen weg
Bereits 2015 untersuchten Wissenschaftler des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeografie an der Leibniz Universität Hannover den Zusammenhang zwischen Windkraft und Tourismus. Sie stellten eine negative Auswirkung im Umkreis von 20 Kilometern fest. Allerdings würden die Buchungsausfälle auch vielerorts durch steigende Tourismuszahlen und neue Urlauber kompensiert.
Neuer ist die Studie der IG-Windkraft Österreich aus dem Jahr 2022. Laut dieser haben österreichische Windparks „keinen feststellbaren Einfluss“ auf die Übernachtungszahlen. Weder auf Bundeslandebene noch auf Ebene der Bezirke oder der Windparkregionen sei ein Ausbau der Windkraft Auswirkungen auf den Tourismus erkennen.
Die Schwarzwald Tourismus GmbH hat gar ein Positionspapier herausgebracht. Unter dem Titel „Unsere Richtlinien zum Klimaschutz und zur Energiewende“ schreibt sie unter dem Punkt Windkraft: „Wie eine Umfrage im Mai 2022 aufgezeigt hat, erwartet die Mehrheit der Tourismusakteure im Schwarzwald keine negativen Auswirkungen auf den Tourismus in der Region durch den Bau neuer Windkraftanlagen.“ Erneuerbare-Energien-Anlagen könnten mit Erholungsgebieten und Tourismus kombiniert werden.