Steht den Feuerwehren im Land in den nächsten Jahren eine grundsätzliche Umstrukturierung ins Haus? An dieser Frage scheiden sich selbst bei Experten die Geister. Klar ist: Bislang funktioniert Feuerwehr gerade in den ländlich strukturierten Regionen als Freiwilligenorganisation.

Doch wie vielen anderen Vereinen und Organisationen fällt es auch der Feuerwehr zunehmend schwerer, genügend Mitglieder zu finden.

Wenn es brennt oder ein Verkehrsunfall wie hier am Rande der Schmittenau geschieht, kommt es auf jeden Helfer an. Das kann inzwischen ...
Wenn es brennt oder ein Verkehrsunfall wie hier am Rande der Schmittenau geschieht, kommt es auf jeden Helfer an. Das kann inzwischen vielerorts in der Region gerade tagsüber problematisch werden. | Bild: Feuerwehr Waldshut-Tiengen

Die Feuerwehren versuchen, dieser Entwicklung auf verschiedenen Ebenen entgegenzuwirken. Allerdings gibt es Faktoren, die die Bemühungen erschweren – und perspektivisch sogar weitreichende Veränderungen am gesamten System Feuerwehr nach sich ziehen könnten. Auch eine Verberuflichung des Ehrenamts wäre eine Option.

Corona-Jahre waren auch für Feuerwehr nicht einfach

Insgesamt, so berichtet Kreisbrandmeister Dominik Rotzinger, können die Feuerwehren im Kreis noch gute Mitgliederstände vorweisen. Aber der Trend bei den Mitgliederzahlen sei in vielen Wehren rückläufig, wenngleich der Trend unterschiedlich stark sei, so Rotzinger weiter. Das mache sich teilweise schon in einigen Bereichen wie der Tagesverfügbarkeit bemerkbar. Prekär sei die Situation in aller Regel aber noch nicht.

Spezialisten bei der Arbeit: Wer bei Einheiten wie den Höhenrettern der Feuerwehr Waldshut-Tiengen dabei ist, kommt um regelmäßige ...
Spezialisten bei der Arbeit: Wer bei Einheiten wie den Höhenrettern der Feuerwehr Waldshut-Tiengen dabei ist, kommt um regelmäßige Übungen und Weiterbildungen nicht herum. | Bild: Feuerwehr Waldshut-Tiengen

Außerdem: „Wir werden erst noch sehen, wie sich die vergangenen beiden Corona-Jahre auswirken.“ Denn das Proben- und Fortbildungsangebot sei in dieser Zeit massiv zurückgefahren worden. Wie hoch der Anteil derer sein wird, die sich in diesem Zuge aus dem Feuerwehrdienst verabschieden, werde sich erst in den nächsten Wochen zeigen, wenn das Programm wieder hochgefahren werde, schätzt Rotzinger.

Deutlich ersichtlich ist derweil, dass große Mitgliederzuwächse bei den Feuerwehren nicht zu verzeichnen sind: „In Waldshut-Tiengen können wir seit einigen Jahren den Stand von gut 250 aktiven Feuerwehrleuten auf einem konstanten Niveau halten – aber gerade so“, schildert Waldshut-Tiengens Stadtkommandant Peter Wolf. Um neue Mitstreiter zu gewinnen und Abgänge zu kompensieren, müssten sich die Feuerwehren aber insgesamt sehr viel mehr bemühen als früher.

Bild 3: Feuerwehr sucht Mitstreiter: Muss das Freiwilligen-System überdacht werden?
Bild: Schlichter, Juliane

Zeitgeist oder gesellschaftlicher Wandel?

Die Gründe für das nachlassende Interesse an der Feuerwehr sind vielseitig und oft auch schwer greifbar, da sind sich die beiden Feuerwehr-Oberen einig. Es handelt sich einerseits um generelle gesellschaftliche Strömungen, die zum Tragen kommen, so Wolf: „Es wird für alle Institutionen immer schwerer, Leute für ein ehrenamtliches Engagement zu begeistern.“ Die Feuerwehren hätten in dieser Hinsicht dasselbe Problem wie die meisten anderen Vereine auch. Allerdings: „Bei uns steckt viel mehr Verpflichtung dahinter“, so Wolf.

Das habe nicht einmal so sehr etwas mit mangelnder Empathie oder Hilfsbereitschaft zu tun, oder gar mit dem Unwillen, sich für die Allgemeinheit einzusetzen. Diese Beobachtung haben zumindest Peter Wolf und Dominik Rotzinger gemacht.

Es sei eher der Trend hin zur individuellen und extrem flexiblen Freizeitgestaltung, der jede Form von Verpflichtung als Ballast erscheinen lasse. Das gelte erst recht für ein Hobby, das beinahe so viel Zeit wie ein Zweitberuf beansprucht, wie es das Engagement bei der Feuerwehr nun einmal bedinge, so Wolf.

Hoher Zeitaufwand und viel Leidenschaft notwendig

Denn schon um Mitglied der Feuerwehr zu werden, braucht es Disziplin. 70 Stunden dauert die Grundausbildung. „Bei uns sind vor der Aufnahme in die Mannschaft zusätzlich noch drei weitere Lehrgänge zu absolvieren“, schildert Peter Wolf die Richtlinien der Waldshut-Tiengener Feuerwehr. Da nämlich vorab nie klar sei, wer bei einem Einsatz tatsächlich verfügbar sei, müsse jeder Feuerwehrler ein Generalist sein, der alles kann.

Kontinuierliche Weiterbildungen in allen möglichen Bereichen der Feuerwehrarbeit sind konstanter Begleiter aller Feuerwehrleute. Und dann kommen natürlich erst noch die Einsätze dazu. In Waldshut-Tiengen gab es vergangenes Jahr 397 Einsätze unterschiedlichen Ausmaßes: „Da sind natürlich auch irgendwann Konflikte mit dem Arbeitgeber vorprogrammiert, auch wenn Lohnausfälle von Feuerwehrleuten bei den Kommunen geltend gemacht werden können“, sagt Peter Wolf.

Hinzu komme laut Kreisbrandmeister Dominik Rotzinger auch, dass viele Feuerwehrleute tagsüber als Berufspendler gar nicht verfügbar sind. Das werde gerade für Feuerwehren in Landgemeinden zunehmend zum Problem, auch wenn sich viele Feuerwehrleute bei den Feuerwehrabteilungen an ihrem Arbeitsort zum Dienst melden.

Hälfte der Jugendfeuerwehrleute geht in die Aktivwehr

Jugendfeuerwehren sind ein wichtiger Hebel, mit dem die Feuerwehren im Kreis das Nachwuchsproblem in den Griff bekommen möchten. Es gehe darum, dem potentiellen Nachwuchs Lust auf die Feuerwehr zu machen, was auch ein abwechslungsreiches Programm beinhaltet, bei dem die Jugendlichen einen Überblick über die Vielfalt der Feuerwehrarbeit gewinnen sollen.

Im Normalfall liege die Übergangsquote in die Aktivmannschaft bei gut 50 Prozent. Faktoren wie Ausbildung oder Studium, berufliche Entwicklung oder Familiengründung dämpften am Ende diesen Wert in der Regel im Nachgang, denn in diesem Zuge ziehen viele Leute erst einmal weg oder quittierten den Dienst.

Auch hier gelte es abzuwarten, wie sich die Corona-Jahre auswirken, denn die Jugendarbeit lag in aller Regel komplett brach, bedauert Kreisbrandmeister Rotzinger.

Feuerwehren steuern auf unterschiedliche Weise gegen

Die Art, mit der Feuerwehren auf sich, ihre Angebote und personellen Nöte aufmerksam machen sind vielfältig – und auch ein Stück weit abhängig davon, wie sehr die Not drängt.

In Waldshut-Tiengen versucht es die Feuerwehr laut Peter Wolf mit einer groß angelegten, professionell aufgesetzten Werbekampagne. Über den Erfolg lasse sich bislang noch kein abschließendes Urteil treffen, so Wolf weiter. Einen großen Ansturm gebe es aber auch noch nicht zu verzeichnen.

Das könnte Sie auch interessieren

Grundsätzlich seien alle Bemühungen darauf ausgelegt, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, Begeisterung zu schüren und zu informieren, so Rotzinger.

Wenn aber die Not zu groß werde, können die Feuerwehrleute auch sehr deutlich werden: In Todtmoos wurde beispielsweise jüngst eine Löscheimer-Aktion, so Dominik Rotzinger: „Dabei werden symbolisch Eimer an jeden Haushalt verteilt, damit die Leute selbst löschen können.“ Es gehe darum, einen „Hallo-Wach-Effekt“ zu erzielen. In anderen Gemeinden in der Region haben ähnliche Maßnahmen durchaus Erfolge erzielt.

Und wenn alles nichts hilft?

Prognosen darüber, wie sich die Lage weiter entwickelt, sind generell schwierig, das gelte erst recht nach den turbulenten Jahren der Pandemie, so Rotzinger: „Natürlich behalten wir die Lage genau im Blick und wenn sich zeigt, dass Hilfsfristen aufgrund von Personalknappheit nicht eingehalten werden oder auch Fahrzeuge dauerhaft nicht in ausreichendem Maß besetzt werden können, müssen wir reagieren.“

In der äußersten Not könnten sogar Bürger zwangsweise für den Feuerwehrdienst herangezogen werden – ein Mittel, das es aber tunlichst zu vermeiden gelte, so Rotzinger. Wesentlich wahrscheinlicher sei eine zunehmende Verberuflichung des Feuerwehrdienstes.

Das könnte Sie auch interessieren

In etlichen Städten und Gemeinden im Kreis gibt es bereits hauptamtliche Feuerwehrleute. Vorwiegend sind es bislang Gerätewarte – eine Aufgabe, die sich nach Dominik Rotzingers Einschätzung aufgrund gestiegener Anforderungen auf Dauer nur noch schwer ehrenamtlich bewältigen lasse. Aber auch hauptamtliche Kommandanten sind längst keine Seltenheit mehr im Kreis.

Mit Hauptamtlichen besetzte Feuerwehreinheiten – durchaus eine Option

Ganz abwegig wäre der Gedanke, ganze Abteilungen mit hauptamtlichen Feuerwehrleuten zu besetzen, nach Einschätzung Rotzingers nicht – wenngleich dies schon allein aus Kostengründen zunächst vor allem für Städte überlegenswert wäre: „Bei 300 Einsätzen im Jahr könnte das für Kommunen gerade mit Blick auf Tagesverfügbarkeit und entstehende Kosten durch Lohnausfälle eine lohnende Alternative oder Ergänzung sein.“

Diese Ansicht teilt auch Peter Wolf. Allerdings: „Bis so etwas konkret wird, werden sicherlich noch etliche Jahre ins Land gehen. Wir müssen die Feuerwehren möglichst lange in der bisherigen Weise leistungsfähig halten.“ Klar sei auch, dass bei einem Großeinsatz der jeweilige berufliche Status der Feuerwehrleute unerheblich sei. Dann komme es auf möglichst große Schlagkraft an.

Das könnte Sie auch interessieren