Sie musste wie alle Friseure am 16. Dezember 2020 ihren Salon schließen – Friseurmeisterin Barabara Martin aus Murg. Jetzt möchte sie sich öffentlich äußern und deutlich machen, in welcher schwierigen Lage sie und ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Friseurbranche sich befinden. Sie ärgert sich über die Politik und sagt: „Uns kann man doch nicht einfach so hängen lassen!“ Martin legt Zahlen vor, um die Situation klar zu machen. Und auch ihr Schaufenster hat sie dazu auf den „Kopf gestellt“.
Nach zwei Monaten kann endlich Überbrückungshilfe beantragt werden
Seit fast zwei Monaten ist der Salon zu. Am Dienstag, 9. Februar, spricht Barabara Martin mit dem Südkurier und ärgert sich, dass sie und ihre „Kollegen“ noch immer keine Überbrückungshilfe III beantragen können. Die einzige Hilfe, die ihnen jetzt noch bleibt. „Wir warten noch auf das offizielle Go des Bundes, vorher kann kein Bundesland damit starten“, erklärt Silke Walter, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg, auf Anfrage des SÜDKURIER am 10. Februar. Doch noch am gleichen Tag ist es dann endlich so weit: Die Anträge sind auf der Seite der L-Bank freigeschaltet und können gestellt werden.
Doch bis dahin vergingen nun fast zwei Monate. Barbara Martin ärgert diese Bürokratie. Den Antrag müsse ihr Steuerberater ausfüllen, was wiederum viel Geld koste und bis zur Genehmigung könne es dann wieder einige Wochen dauern. Im Januar und Februar bekamen die Friseure kein Geld, im Dezember nur bis zur Schließung. „Andere, die Angestellte haben, mussten auch die Kurzarbeitergelder vorstrecken“, erzählt sie von ihren Kollegen.
Ihr Schaufenster soll wachrütteln
„Wir hängen in der Luft“, steht groß im Schaufenster des Salons Frisör-Team Martin in Murg. Die Frisier-Puppen hängen kopfüber. „Ich will laut sein und auf unsere Situation aufmerksam machen“. Auf ihr dazu gestaltetes Schaufenster habe sie viele positive Rückmeldungen erhalten.

Barbara Martin ist schon seit 20 Jahren selbstständig, habe sich im Laufe der Jahre Rücklagen bilden können. Miete müsse sie im Elternhaus auch nicht zahlen. „Ich bin weich gefallen, aber möchte klar machen, wie es der Branche geht“, sagt die 53-Jährige. Dabei habe auch sie weiterhin viele Kosten zu tragen – alles aus ihren Rücklagen. „Dieses Polster kann ich in den nächsten zehn Jahren nicht mehr wieder aufschaffen“, erklärt sie. Die Pacht für den Salon, die Umastzsteuer-Vorauszahlung von zwischen 1.000 und 3.000 Euro im Vierteljahr, der Beitrag für die Handwerkskammer.
All das und dazu noch der eigene Lebensunterhalt muss bezahlt werden, ganz ohne Einnahmen. Das Geld aus der Überbrückungshilfe III dürfe nur für die Fixkosten verwendet werden. Da sei die private Kranken- und Rentenversicherung sowie ihr Unternehmerlohn nicht enthalten, so die Friseurmeisterin. „Da bleibt nichts mehr fürs eigene Leben übrig.“ Auch sei ihr noch völlig unklar, ob das Geld aus der Überbrückungshilfe später wieder zurückbezahlt werden müsse.
Unverschämte Anfragen nach Haarschnitt
Die Not sei in anderen Salons noch größer, vor allem für jene, die erst kürzlich eröffnet hätten. „Es ist unverschämt, wie man unsere Branche hängen lässt, ich bin enttäuscht von der Regierung“, sagt die Murger Friseurin. „Wir können kein Click & Collect machen“, erklärt sie. Dabei hätte sie in den vergangenen Wochen jeden Tag arbeiten können.
Täglich kommen unzählige Anfragen bei ihr an, ob sie nicht Haare schneiden würde. „Mach doch mal, wir wollen endlich die Haare geschnitten haben“, lautete eine dieser Nachrichten. Oder: „Komm doch mal auf einen Kaffee vorbei, aber vergiss die Schere nicht“, habe sie auch oft gehört. 5.000 Euro Strafe und der Entzug der Lizenz könnte diese Schwarzarbeit die Friseurmeisterin kosten. Sie macht es nicht. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagt sie. Auch darauf will sie aufmerksam machen, weil sie tagtäglich das Unverständnis aus der Bevölkerung spürt. „Nicht medizinische Dienstleistungen am Körper sind aktuell verboten“, macht sie klar.

Auf der anderen Seite breche es der Friseurin auch das Herz, wenn sie einen ihrer Kunden treffe und sehe wie sehr diese darunter leiden, mit unfrisierten Haaren zur Arbeit gehen zu müssen. Auch habe sie viele ältere Kunden, die jede Woche zum Haarewaschen kommen, eben, weil sie es selbst nicht mehr können. „Für sie ist der Friseurbesuch der Höhepunkt der Woche“, erklärt Martin.
Hygienemaßnahmen umgesetzt
Bevor am 16. Dezember die Lichter ausgingen, hatte Barbara Martin schon eine Vorahnung, dachte sich schon, dass es erneut zum Lockdown kommt. Also rief sie am Samstagmorgen ihre Kunden an, legte Termine vor, und hatte schon ab dem 13.12. von morgens bis abends durchgearbeitet. Sie betont, wie gut die Hygienemaßnahmen umgesetzt wurden: Nach dem ersten Lockdown habe sie bereits Tausende von Euro in den Salon investiert, Stoffmasken und mit der neuen Verordnung dann FFP2-Masken bestellt.

Zehn Quadratmeter stellte sie jedem Kunden zur Verfügung, jeden zweiten Sitzplatz sperrte sie ab, alles sei auf ein Minimum heruntergefahren worden. „Wir Firseure sind seit jeher Hygienebeauftragte“ sagt sie. Sie baute Spuckschutz ein, alle trugen Mund-Nasen-Schutz, alles wurde desinfiziert.
Viele Betriebe hängen in den Seilen
Sie selbst betont: „Ich habe Verständnis für die Maßnahmen, aber dann müssen die Betriebe auch finanziell unterstützt werden.“ So viele Betriebe würden nun in den Seilen hängen, könnten keinen Kredit aufnehmen ohne Einkommen. „Wir brauchen Hilfe und zwar pronto“, appelliert die Friseurmeisterin an die Politik.
„Sie haben mir meine Arbeit, meine Existenz und mein Vergnügen genommen.“Friseurmeisterin Barbara Martin über den Lockdown – gerichtet an die Politik.
Kunden können Öffnung am 1. März kaum abwarten
Nachdem die Infektionszahlen mittlerweile gesunken sind und die Hygienemaßnahmen in den Salons so gut umgesetzt wurden, könne sie die weitere Schließung nicht nachvollziehen. Am Mittwoch, 10. Februar, wurde dann entschieden: Die Frieseure dürfen am 1. März wieder öffnen. Dazu sagt die Friseurmeisterin am Donnerstag, 11. Februar: „Wir Friseure sind natürlich froh, endlich wieder öffnen zu dürfen. Die Terminanfragen sind seit gestern Abend in vollem Gange. Die Kunden können es kaum abwarten und alle sind froh, dass es jetzt ein Datum gibt.“