Mit dem heutigen Datum jährt sich eines der einschneidensten Ereignisse für die Bevölkerung entlang des Hochrheins in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten: Am 16. März 2020 wird die Grenze zur Schweiz geschlossen. Auch das Nachbarland riegelt die Übergänge ab. Hinüber darf praktisch nur noch, wer im Nachbarland arbeitet. „Verunsicherung an der Grenze“, titelte der SÜDKURIER an diesem Tag.

17. März 2020: Einen Tag nach der Grenzschließung am 16. März herrscht am Waldshuter Zollübergang reger Verkehr. Aus Richtung Schweiz ...
17. März 2020: Einen Tag nach der Grenzschließung am 16. März herrscht am Waldshuter Zollübergang reger Verkehr. Aus Richtung Schweiz herrscht ebenfalls reger Verkehr, wobei die Polizei fast alle Fahrzeuge genau kontrolliert und viele Autos mit Schweizer Kennzeichen wieder zum Umkehren auffordert. Bild: Susann Duygu-D‘Souza | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Aufgrund der Corona-Pandemie sah sich die Region, in der die Grenze seit vielen Jahren eher eine Formalität und das Leben mit den Menschen und der Infrastruktur des Nachbarlandes selbstverständlich war, mit einer Situation konfrontiert, die sich niemand hätte vorstellen können. Barrikaden wurden an den Grenzübergängen errichtet, Bauzäune versperrten Brücken und gewohnte Übergänge. Selbst die sogenannte grüne Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz wurde abgesperrt. Die Bilder der abgesperrten Grenzübergänge im Landkreis Waldshut werden wohl unvergessen bleiben, ebenso wie die im Nachbarkreis Lörrach.

16. März bis 16. Juni 2020

An den Grenzübergängen wurde streng kontrolliert. Die Infrastruktur vor allem im östlichen Kreis Waldshut war stark betroffen: Die Schweizer Züge hielten nicht mehr an den deutschen Bahnhöfen und in dieser eng mit der Schweiz verzahnten Region spürte die Bevölkerung die Grenzschließung wohl am deutlichsten in ihrem Alltag.

Weder der kleine Grenzverkehr, noch der kulturelle Austausch ist über den Zollübergang von Hohentengen ins schweizerische Kaiserstuhl ...
Weder der kleine Grenzverkehr, noch der kulturelle Austausch ist über den Zollübergang von Hohentengen ins schweizerische Kaiserstuhl derzeit möglich. Bild: Gerald Edinger | Bild: Edinger, Gerald

Doch die Auswirkungen auf persönlicher Ebene waren noch gravierender, als für die Wirtschaft oder die Verkehrsströme: Am gesamten Hochrhein wurden Familien, deren Angehörige in beiden Ländern leben, und Menschen in binationalen Partnerschaften wurden voneinander getrennt. Sie durften sich über Wochen nicht sehen – und das in einer Zeit voller Ungewissheit, in der niemand sagen konnte, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt. Kinder, die ihre Eltern vermissten und Senioren, abgeschnitten von ihren Angehörigen. Der kurze Weg ins Nachbarland: Von einem Tag auf den anderen unmöglich.

Eine Situation, bei vielen Menschen in der Region tiefe Spuren hinterlassen hat und viele bis heute bewegt. Sich an die Geschehnisse vor einem Jahr erinnern, das möchte eigentlich niemand mehr. „Nehmen Sie es mir nicht übel, aber mich nimmt das psychisch zu sehr mit. Ich schaffe es nicht, darüber zu sprechen“, sagt ein Gesprächspartner. „Wir sind einfach nur froh, dass es nicht mehr so ist und danken allen, die sich dafür eingesetzt haben und auf unsere Situation aufmerksam gemacht hatten. Aber wir wollen es nur noch vergessen“, beschreibt eine Mutter, die in der Grenzregion lebt.

Auch die Landespolizei war an der deutschen Grenze bei Waldshut im Einsatz.
Auch die Landespolizei war an der deutschen Grenze bei Waldshut im Einsatz. | Bild: Gerard, Roland

Erst Mitte April 2020 war es getrennt lebenden Kindern und Eltern wieder möglich sich zu treffen, im Mai folgten dann Ausnahmeregelungen für Paare. Am 16. Mai wurden die sichtbaren Absperrungen zwischen Deutschland und der Schweiz abgeräumt. Doch es blieb bei – wenn auch etwas gelockerten – Einreisebestimmungen. Ohne den sogenannten „triftigen Grund“ blieb das Nachbarland unerreichbar. Erst am 15. Juni 2020 öffnen die Schweiz und Frankreich ihre Grenzen nach Deutschland wieder und kehren damit in jenen Modus zurück, der bis zum 16. März 2020 alltäglich war: Das Leben in einer Region, über Landesgrenzen hinweg. Deutschland ließ sich mit der offiziellen Grenzöffnung 24 Stunden länger Zeit.

Es folgte der Sommer, in dem die Situation sich deutlich entspannte. „Die Grenzen dürfen nie wieder geschlossen werden“ – ein klare Forderung, die beiderseits des Rheins immer wieder gestellt wurde und weiterhin gestellt wird.

Herbst 2020 bis heute

Am 24. Oktober 2020 wurde die Schweiz zum Risikogebiet erklärt und die Vorgaben wurden am 23. Dezember 2020 erneut verschärft. In der neuen Corona-Verordnung Einreise-Quarantäne des Landes Baden-Württemberg wird geregelt, dass Einreisende aus der Schweiz und Frankreich sich in Quarantäne begeben müssen. Die Regelung gilt für Deutsche, Schweizer und Franzosen gleichermaßen und eine Befreiung von der Quarantänepflicht wird nur bei Grenzübertritten aus triftigem Grund gewährt. Solche Gründe sind etwa Arbeit, Ausbildung, medizinische Behandlungen und familiäre Besuche. Das Einkaufen in Deutschland – und auch umgekehrt in der Schweiz – ist derzeit nicht mehr möglich. Ein herber Rückschlag für den Handel und die Menschen entlang des Rheins.

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Wie ein Damoklesschwert schwebt außerdem noch immer die mögliche Einstufung der Schweiz oder einzelner Kantone als Hochinzidenzgebiet oder Virusvariantengebiet durch den Bund über dem Hochrhein. Wäre dies der Fall, wäre ein negativer Corona-Test bei Übertritt der Grenze Pflicht. Die Auswirkungen einer solchen Entscheidung dürften immens sein, wie in der französischen Grenzregion Moselle und dem Saarland sichtbar wird. Seit mehreren Wochen werden entlang der deutschen Grenze nun die Testkapazitäten deutlich erhöht, es werden auch Wirtschaftsunternehmen einbezogen, um im Ernstfall eine entsprechende Infrastruktur bieten zu können.

Februar 2021 – bei Einreise Quarantäne: Beamten der deutschen Bundespolizei kontrollieren die Einhaltung der coronanbedingten ...
Februar 2021 – bei Einreise Quarantäne: Beamten der deutschen Bundespolizei kontrollieren die Einhaltung der coronanbedingten Einreisebeschränkungen aus der Schweiz, am Grenzübergang Inzlingen – Riehen. Bild: Severin Bigler | Bild: Severin Bigler/CHMedia

Auch in den grenznahen Schweizer Kantonen beschäftigen sich die Gesundheitsdepartements mit Schnelltests auf das Coronavirus. Man will vorbereitet sein und verhindern, dass die Menschen in der Grenzregion ein ähnlich harter Schlag wie vor einem Jahr treffen könnte. Ob es tatsächlich so weit kommen wird, muss sich aber erst noch zeigen.

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